Wolken aus allen Perspektiven
Wolken sind mit die größten Unsicherheitsfaktoren, wenn das Ausmaß der Erderwärmung bis zum Ende des Jahrhunderts vorhergesagt werden soll. Kumuluswolken in niedrigen Schichten der Atmosphäre reflektieren Sonnenlicht und kühlen so die Erdoberfläche. Um besser zu verstehen, wie sich die Wolkenbedeckung mit dem Klimawandel verändert, startete ein internationales Team unter Führung des Hamburger Max-Planck-Instituts für Meteologie am 20.01.2020 die knapp sechswöchige Feldstudie EUREC4A (Elucidating the role of clouds-circulation coupling in climate).
Die Messkampagne findet bei der Karibikinsel Barbados statt, weil es in den Tropen besonders viele flache Kumuluswolken gibt, die das Klima stark beeinflussen. An den Messungen sind mehrere Forschungsflugzeuge und –schiffe sowie Satelliten, eine Messstation auf Barbados, ein mobiles Wetterradar, Ballondrachen und autonome Flugkörper beteiligt.
Viele der derzeitigen Prognosen verheißen nichts Gutes. Gerade die komplexen Klimamodelle sagen voraus, dass sich durch die Erderwärmung künftig gerade in den Tropen, die heute noch von breiten Wolkenbändern bedeckt sind, künftig weniger Wolken bilden. Die dunklen Land- und Meeresoberflächen würden dann mehr Sonnenlicht absorbieren, sich weiter aufheizen und den Klimawandel auf diese Weise weiter ankurbeln. Einfachere Modelle kommen zu gegenteiligen Ergebnissen. Um zu klären, ob die positive Rückkopplung eintreten und wie stark sie gegebenenfalls ausfallen wird, haben 40 Forschungseinrichtungen in einer deutsch-französischen Initiative das Projekt EUREC4A aufgesetzt. Es baut auf einer jahrzehntelangen Zusammenarbeit mit Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern des Caribbean Institute for Meteorology and Hydrology auf Barbados auf.
„Wir werden überprüfen, ob das Verhalten von Modellen korrekt ist, die eine starke Abnahme der Bewölkung mit der Erwärmung zeigen“, sagt Bjorn Stevens, Direktor am Max-Planck-Institut für Meteorologie in Hamburg und einer der Initiatoren der Kooperation. „Falls ja, würde es bedeuten, dass höhere Schätzungen der zu erwartenden Erwärmung durch ansteigendes CO2 plausibler sind.“ Bei der Frage, wie Wolken auf den Klimawandel reagieren, gebe es noch viel Unsicherheit. „Wir wollen dies mit EUREC4A ändern.“
Beitrag zum allgemeinen Verständnis der tropischen Wolken
Um die Prognosen der Modelle überprüfen zu können, werden die Wissenschaftler der Kooperation nun Messdaten sammeln. Viele Messdaten, denn die Wolkenbildung wird von zahlreichen Faktoren beeinflusst, etwa von der vertikalen Durchmischung der Luft, der Turbulenz an der Erdoberfläche und der großräumigen Zirkulation, also dem globalen Kreislauf von Luftströmungen. „Die niedrigen Wolken bei Barbados sind repräsentativ für die Wolken, die in den Passatwindregionen in den gesamten Tropen zu finden sind“, sagt Sandrine Bony, Wissenschaftlerin am Laboratoire de Météorologie Dynamique in Paris und ebenfalls Leiterin der Kooperation. „Daher wird das, was wir aus EUREC4A lernen werden, nicht nur unserem Verständnis der Wolken vor Barbados, sondern auch der tropischen Wolken im Allgemeinen dienen.“
Ein aussagekräftiges Bild von den Bedingungen und Prozessen, bei denen Wolken entstehen, ergibt sich allerdings erst aus Daten eines relativ großen Gebiets gibt. Daher hat die EUREC4A-Kooperation fünf Forschungsflugzeuge zusammengebracht, die östlich von Barbados in verschiedenen Höhen unterschiedliche Gebiete mit jeweils rund 200 Kilometer Durchmesser überfliegen. Drei der Flieger, darunter das Forschungsflugzeug Halo des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt, an dem auch die Max-Planck-Institute für Meteorologie und Chemie beteiligt sind, werden für die Kampagne eigens auf Barbados stationiert.
Zudem werden vier hochseetaugliche Forschungsschiffe das Untersuchungsgebiet durchkreuzen, darunter die deutschen Forschungsschiffe Meteor und Maria S. Merian. Auf den Schiffen fahren unter anderem Forschende des Bremers Max-Planck-Instituts für marine Mikrobiologie und des Göttinger Max-Planck-Instituts für Dynamik und Selbstorganisation mit. Die Bremer Max-Planck-Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler untersuchen unter anderem die Rolle von Meeresorganismen im Kohlenstoffhaushalt. Zwei Göttinger Max-Planck-Teams werden von den beiden Schiffen Max-Planck-CloudKites bis zu zwei Kilometer hoch in die Atmosphäre steigen lassen. Die Ballondrachen hat ein Team um Eberhard Bodenschatz, Direktor am Max-Planck-Institut für Dynamik und Selbstorganisation, entwickelt, um die Mikrophysik und die Rolle turbulenter Strömungen bei der Entstehung von Wolkentröpfchen zu erforschen.
Aus einer großen Datenmenge entsteht ein umfassendes Bild
Eine Art Basisstation hat die EUREC4A-Kampagne mit dem Barbados Wolkenobservatorium (BCO – Barbados Cloud Observatory), das vom Max-Planck-Institut für Meteorologie betrieben wird. Dessen Messungen werden unter anderem flankiert von Fernerkundungen mit Erdbeobachtungssatelliten und Untersuchungen des flexibel steuerbaren Wetterradars POLDIRAD (Polarization Diversity Doppler Radar), dessen Einsatz durch Spenden der Fördernden Mitglieder der Max-Planck-Gesellschaft ermöglicht wurde und das für die Dauer der Kampagne ebenfalls auf Barbados aufgestellt wird.
Mit den Daten wollen die Forscher nicht nur die Vorhersagen der Klimamodelle überprüfen, sondern auch dazu beitragen, die große Streubreite der Vorhersagen, wie stark das Klima auf die weiter steigende Menge an Treibhausgasen in der Atmosphäre reagieren wird, einzugrenzen. „Die Abschätzungen der Klimasensitivität sind nach wie vor sehr unsicher, und die meisten dieser Unsicherheiten sind auf die Reaktion der niedrigen Wolken in den Tropen, insbesondere in den Passatwindregionen, zurückzuführen“, sagt Sandrine Bony. Angesichts der großen Datenmenge, die bei den EUREC4A-Messungen anfällt, wird es jedoch ein paar Jahre dauern, ehe die Forschenden die vielen Puzzleteile zu einem umfassenden Bild zusammengesetzt haben werden. Dann werden sie möglicherweise auch die Fragen beantworten können, ob die kühlende Wolkendecke der Tropen mit dem Klimawandel löchrig wird, und wenn ja, wie sehr die Erderwärmung dadurch verstärkt wird. PH
Gefördert und unterstützt wird die EUREC4A-Kampagne durch das European Research Council (ERC), die Max-Planck-Gesellschaft (MPG), das Centre National de Recherche Scientific (CNRS), die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG), das Carribean Institute for Meteorology and Hydrology (CIMH), das Natural Environment Research Council (NERC) und das Weltklimaforschungsprogramm (WCRP).
Über HALO: Das Forschungsflugzeug HALO (High Altitude and Long Range) ist eine Gemeinschaftsinitiative deutscher Umwelt- und Klimaforschungseinrichtungen. Gefördert wird HALO durch Zuwendungen des Bundesministeriums für Bildung und Forschung (BMBF), der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG), der Helmholtz-Gemeinschaft, der Max-Planck-Gesellschaft (MPG), der Leibniz-Gemeinschaft, des Freistaates Bayern, des Karlsruher Instituts für Technologie (KIT), des Forschungszentrums Jülich und des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt (DLR).
Über die deutschen Forschungsschiffe: Die Einsätze der Forschungsschiffe METEOR und MARIA S. MERIAN werden von der Leitstelle Deutsche Forschungsschiffe an der Universität Hamburg koordiniert. Beide Schiffe dienen der weltweiten, grundlagenbezogenen Hochsee-Forschung Deutschlands und der Zusammenarbeit mit anderen Staaten auf diesem Gebiet. Der Schiffsbetrieb wird zu 70 Prozent von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) und zu 30 Prozent vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) finanziert.
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