„Dieses Jahrzehnt gehört den Erneuerbaren“

Starkes Signal vom BEE-Neujahrsempfang 2020: 52-GW-Deckel fällt

Rund 1.400 Gäste haben beim Neujahrsempfang des Bundesverbands Erneuerbare Energie e.V. unter Beweis gestellt, dass die Erneuerbaren heute ins Zentrum der Energieversorgung gerückt sind. Einer BEE-Medienmitteilung („Dieses Jahrzehnt gehört den Erneuerbaren“) zufolge kamen am 30.01.2020 Vertreter aus Politik, Mittelstand, Gewerkschaften, Umwelt-NGOs und Zivilgesellschaft in Berlin mit der Erneuerbaren-Branche zusammen.

BEE-Neujahrsempfang 2020, Plenum – Foto © Gerhard Hofmann, Agentur Zukunft für Solarify

Simone Peter, Präsidentin des Bundesverbands Erneuerbare Energie, betonte in ihrer Eröffnungsrede, dass der Rückhalt für die Energiewende in der Bevölkerung ungebrochen ist. „Die Politik muss mutiger erklären, welche Vorteile die Erneuerbaren für Wirtschaft und Klima bringen. Die Erneuerbaren sind das System-Update für die deutsche Wirtschaft. Wir lassen uns keine Debatte um Akzeptanz aufzwingen, die mit der Realität wenig zu tun hat. Wir sind alle gefordert, für die Energiewende und ihre Chancen zu werben.“ Gerade erst habe eine Studie des Instituts der deutschen Wirtschaft (IW) gezeigt, dass über 90 Prozent der Bevölkerung den stärkeren Ausbau der Erneuerbaren Energien befürworten, damit die Energiewende gelingt. Der Abstand zu einem Windrad habe dabei nur einen sehr geringen Einfluss.

An Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier gerichtet forderte die BEE-Präsidentin einen klaren und verlässlichen Fahrplan für den Ausbau der Erneuerbaren bis 2030, damit das 65-Prozent-Ziel im Stromsektor und damit die Klimaziele erreicht werden können. Bestehende Deckel und Hemmnisse müssten sofort abgeschafft werden. In Hinblick auf Wasserstoff betonte Simone Peter, dass dieser nur dann klimapolitisch sinnvoll ist, wenn er aus Erneuerbaren Energien gewonnen wird. Außerdem müsse eine realistische Annahme für den Strombedarf im Jahr 2030 getroffen werden, um alle zusätzlichen Bedarfe zu decken.

Altmaier: Deckel fällt und Abstandsfrage wird gelöst

In seiner Rede kündigte Peter Altmaier zum wiederholten Mal an, den 52-GW-Deckel für Photovoltaik in den nächsten Wochen aufzuheben. Noch im Februar wolle er neben der Aufhebung des Photovoltaik-Förderdeckels eine Lösung der Abstandsfrage für die Windenergie durchsetzen. Für die Branche ist klar: Jetzt müssen rasch konkrete Gesetze folgen, die dem Erneuerbaren-Ausbau wieder eine neue Dynamik verleihen und der Branche und den Beschäftigten in der Erneuerbaren-Branche Planungssicherheit geben.

Die Grünen-Vorsitzende Annalena Baerbock würdigte in ihrer Erwiderung auf den Bundeswirtschaftsminister zunächst die Leistungen des Erneuerbaren-Energien-Gesetzes, das vor 20 Jahren in Kraft trat: Die Energiewende sei kein deutscher Sonderweg, sondern international rund 100 mal kopiert worden und ein weltweit erfolgreiches Modell. Mit Blick auf die Klimaziele betonte sie, dass die einzelnen Erneuerbaren Technologien nicht gegeneinander ausgespielt werden dürfen. Der Mix aller sauberer Technologien wird benötigt, um aus den fossilen Energieträgern in allen Sektoren auszusteigen.

Entertainer-Doktor Eckart von Hirschhausen, der ebenfalls auf dem Neujahrsempfang zu Gast war. Der findet das Ganze nämlich einfach absurd und seltsam: „Ich möchte Ihnen danken für das, was Sie die letzten 30 Jahre getan haben, weil ein Aspekt mir immer viel zu kurz kommt: Fossile Energie macht krank.“ Man solle mein Thema Akzeptanz mehr über die Gesundheitsvorteile erneuerbarer Energien sprechen als über „10H-Spalterei“. Der Grundgedanke seiner Rede laute: Gesunde Menschen gibt es nur auf einem gesunden Planeten. „Wir machen das für die Kinder und wir werden später gefragt: Was habt ihr 2020 gemacht? Ihr hattet die Technik, ihr hattet das Geld. Mit welchem Recht habt ihr weiter unser Leben zerstört?“ Hirschhausen, Arzt und Scientist for Future-Mitglied, forderte humorvoll, dass Autos, die soviel Blech benötigten wie ein Traktor, ebenso schwer seien, und soviel Treibstoff verbrauchten, auch nur so schnell fahren dürften wie Traktoren: „Tempo 30 für SUVs – das wäre doch etwas!“. Hirschhausen fährt gerne nach Kopenhagen, denn er atme lieber die Abgase von hundert Radfahrer ein, als von einem SUV. Der ärztliche Kabarettist betonte die Notwendigkeit zu schnellerem Handeln: „Es ärgert mich, dass wir solange über Mindestabstände bei Windkraft reden. Ich wünsche mir Mindestabstände zu planetaren Grenzen. Kohle macht uns alle zu fossilen Passivrauchern. Erneuerbare lassen uns aufatmen – und die Erde auch! Worauf warten wir?“

Poligy als Renewable Energy Newcomer 2020 ausgezeichnet

Im Verlaufe des weiteren Abends fand zudem erneut der Start-up Pitch statt, den der BEE bereits zum fünften Mal ausrichtete und der sich als festes Format des Neujahrsempfangs etabliert hat. Die rund 200 Bewerbungen der Start-ups aus den vergangenen Jahren in den Bereichen Erneuerbare Energien, Energieeffizienz und Green Tech haben gezeigt, welche Innovationskraft von der modernen Energiewirtschaft ausgeht. In diesem Jahr hat das junge Unternehmen Poligy, das die Verstromung ungenutzter industrieller Abwärme von Rechenzentren und Fabriken ermöglicht, sowohl Jury als auch Publikum überzeugt und wurde als Newcomer des Jahres 2020 ausgezeichnet. Dabei wird die Verstromung ab 50°C bis 200°C erstmals rentabel. Dazu hat der Co-Founder und Wirtschaftschemiker Martin Huber das Bipolymer entwickelt. Dieser patentierte Kunststoff verformt sich unter Einwirkung von industrieller Abwärme und treibt so Generatoren in Kraftwärmemaschinen an: Aus ungenutzter Industriewärme wird grüner Strom. Ausgerichtet wurde der Pitch von NATURSTROM und dem Bundesverband Erneuerbare Energie.

Vor der dreiköpfigen Jury, bestehend aus Kirsten Sophie Hasberg (Aalborg Universität Kopenhagen), Natalie Gips (Bundesverband Deutsche Start-ups) und Jörg-Uwe Fischer (Deutsche Kreditbank AG) konkurrierten innovative Start-ups aus den verschiedensten Bereichen: Ampeers Energy entwickelt cloud-basierte Softwarelösungen, um die dezentrale Energiewende umzusetzen. CM Fluids produziert generator-elektrische Antriebe, die verflüssigtes Biomethan aus Biogasanlagen als Kraftstoff nutzen für Stadtbusse und andere kommunale Fahrzeuge. OLI SharEnergy entwickelt ein offenes Betriebssystem für die Energiewende auf der Basis von Blockchain und Wind Tuning Systems wollen die Geräusche von Windenergieanlagen über 3D-Design-Serrations reduzieren.

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