Sturmtief deckt in der Spitze (mit PV) 87 Prozent des Stromverbrauchs
Die Erneuerbaren Energien deckten als Folge des Sturmtiefs „Sabine“ rund 85 Prozent des deutschen Strombedarfs. Die Photovoltaik lieferte in der Spitze gut 16 Gigawatt. Die Preise an der Strombörse sackten ins Minus. Ob nun ‚Sabine‘ oder ‚Ciara‘ – der Sturm sorgte dafür, dass in mehreren Ländern neue Windkraftrekorde aufgestellt wurden. Ein Überblick auf pv magazine und windmesse.de auf der Basis von Daten des Fraunhofer ISE.
Die Preise an der Strombörse bewegten sich am Sonntag zwischen 9 und 16 Uhr sowie zwischen 20 und 5 Uhr von Sonntag auf Montag im negativen Bereich. Der Tiefstwert wurde mit minus 17 Euro am Sonntag um 13 Uhr erreicht. Damit wurde jeweils die Sechs-Stunden-Regel wirksam: Betreiber von EEG-Anlagen in der verpflichtenden Direktvermarktung bekommen in Zeiträumen, in denen die Preise für sechs Stunden und mehr durchgehend negativ sind, keine Marktprämie. Das soll Betreibern einen Anreiz geben, ihre Anlagen in diesen Stunden aus dem Netz zu nehmen.
„’Sabine‘ macht den deutschen Strommix grün“, schrieb Ralph Diermann auf pv magazine: „Das Sturmtief ließ die Windräder an Land und auf See auf Hochtouren drehen. In der Spitze lieferten sie am 09.02.2020 fast 45 Gigawatt Leistung (18 Uhr), wie das „Agorameter“ von Agora Energiewende zeigt. Auch die Photovoltaik schlug sich mit bis zu 16,5 Gigawatt (12 Uhr) wacker. Zusammen mit Biomasse und Wasserkraft deckten die Wind- und Solarenergie am Sonntagvormittag rund 85 Prozent des Strombedarfs. Den Spitzenwert von 87 Prozent erreichten sie um 10 Uhr. Nachmittags bewegte sich der Anteil zwischen 80 und 85 Prozent. Trotz vergleichbarer Erzeugungsleistung lag der Anteil der erneuerbaren Energien am Montagvormittag etwas unter den Werten vom Sonntag, da mehr Strom verbraucht wurde.“
Zwar schalten sich Windenergieanlagen bei bestimmten Wetterlagen ab, da zu schnell drehende Turbinen die Stabilität einer Windkraftanlage stark beeinflussen können, aber vorher steigt die Stromproduktion stark an. Erst ab Windgeschwindigkeiten, die für einen bestimmten Zeitraum 90 km/h übersteigen oder bei Böen über 108 km/h schalten Windenergieanlagen automatisch ab und drehen ihre Rotorblätter in den Wind, um keine Angriffsfläche zu bieten, erklärt Markus W. Voigt, Geschäftsführer der AREAM GmbH, die auf Investments in Erneuerbare Energien spezialisiert ist. Anlagen, die in Deutschland installiert sind, müssen zudem Windgeschwindigkeiten von mehr als 230 km/h standhalten. „Unsere Sicherheitsmaßnahmen sorgen dafür, dass selbst bei extremen Stürmen keine Schäden entstehen und wir uns über ertragreiche Windtage freuen können“, so Voigt, dessen Anlagen dank Sabine bereits in den ersten zehn Tagen des Februars 42 Prozent ihres Monatsziels erreicht haben.
Zunächst profitierte Großbritannien von dem starken Wind, wo der Wintersturm unter dem Namen ‚Ciara‘ bereits am Samstag die Rekorde purzeln ließ. Wie das Energieunternehmen Drax mitteilte, wurde um 2 Uhr früh 55,74 Prozent des Stroms auf der Insel aus Windkraft bezogen. Auch den gesamten Tag über dominierte die Windenergie mit einem Anteil von 44,7 Prozent die britische Stromversorgung.
Kohlenmeiler heruntergefahren
Die Betreiber von Kohlekraftwerken fuhren ihre Anlagen dem „Agorameter“ zufolge am Sonntag stark herunter. Die Leistung der Steinkohlemeiler bewegte sich den ganzen Sonntag über meist zwischen zwei und drei Gigawatt, die der Braunkohlekraftwerke zwischen vier und fünf Gigawatt. Erdgas-Kraftwerke lieferten zwischen acht und zehn Gigawatt. Dennoch übertraf die Erzeugung den Verbrauch deutlich. In der Folge wurden am Sonntag durchgehend zwischen 10 und 15 Gigawatt Strom exportiert, vor allem nach Österreich und Frankreich. Dass die konventionellen Anlagen nicht stärker herunter geregelt wurden, hat zum einen technische Gründe. Zum anderen ist eine gewisse Mindestleistung notwendig, um Verpflichtungen zur Lieferung von Wärme zu erfüllen.
Die erste Auswertung der Nettostromerzeugung bei Energy Charts vom Fraunhofer ISE zeigt, dass am Sonntag ein Anteil von 75.5 Prozent Erneuerbare am Strommix, der aus der Steckdose kommt, erreicht wurde. Allein die Windkraft deckte demnach 57,7 Prozent. Dahinter folgten Biomasse mit 8,8 Prozent, Photovoltaik mit 6,0 Prozent und die Wasserkraft mit 6,0 Prozent. Nach Energy Charts trugen die Kernenergie 9,7 Prozent, die Braunkohlemeiler 7,0 Prozent sowie die Steinkohle- und Gaskraftwerke je 4,0 Prozent zur Nettostromerzeugung am Sonntag bei.
Die CO2-Emissionen der gesamten Stromerzeugung lagen den Sonntag über dem „Agorameter“ zufolge zwischen 160 und 200 Gramm pro Kilowattstunde. Zum Vergleich: Für das Jahr 2018 gibt das Umweltbundesamt Emissionen von durchschnittlich 474 Gramm an.
Hermann Albers, Präsident Bundesverband WindEnergie, dazu auf windmesse.de: „Die Windenergie ist der Masseträger der Energiewende und die wichtigste Erneuerbare Energieerzeugungsform in Deutschland. Die Einspeisung der Windenergie schreitet in den letzten Jahren von Rekord zu Rekord. Wichtig ist dabei, dass auch die Systemintegration problemlos funktioniert. Die wenigen Stromausfälle während des aktuellen Orkantiefs sind nicht auf die Windenergie zurückzuführen, sondern darauf, dass umherfliegende Gegenstände oder umgestürzte Bäume Umspannwerke oder Leitungen beschädigt haben“, kommentiert die Zahlen.
Für die Netzbetreiber war der Sturm zwar eine große Herausforderung, da die Stromeinspeisung nicht gleichmäßig war, aber trotzdem vermeldeten Amprion und TenneT keine größeren Schäden. Albers zu den Forderungen, die sich ergeben: „Die vergangenen Tage beweisen eindrucksvoll: Das Netz kann mit deutlich mehr Erneuerbaren Energien umgehen. Um auch in Zukunft das volle Potenzial unserer Technologie ausnutzen zu können, brauchen wir einen schnellen Einstieg in Speicherlösungen und Direktbelieferungsoptionen für flexible Industrie- und Gewerbekunden. Außerdem bedarf es noch innerhalb der kommenden Monate einer Repowering– und Weiterbetriebsstrategie für Anlagen, die ab 2021 aus der EEG-Vergütungssystematik fallen. Angesichts steigender Strombedarfe in allen Sektoren werden diese Anlagen auch in Zukunft benötigt“..
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