Überlebenswichtig
Der Mensch vernichtet, was ihn am Leben hält – die Biodiversität, aber kaum jemand nimmt wirklich Notiz davon. Die Uno will das Arten(aus)sterben zwar stoppen: Seit zwei Tagen (24.02.2020) verhandeln die Partnerländer der Uno-Biodiversitätskonvention im FAO-Hauptquartier in Rom über den Entwurf eines Abkommens für die im Oktober geplante große Artenschutzkonferenz in China: Bis 2030 sollen mindestens 30 Prozent der wichtigen Land- und Meeresökosysteme geschützt werden. Eine (schöne) Utopie?
Aber lange vor Verhandlungsbeginn fällt der Plan schon hinter frühere Abkommen zurück. Subventionen, hauptverantwortlich für das Artensterben, etwa für die industrielle Landwirtschaft oder die Fischerei, sollen kaum abgebaut werden. Verbindliche Zusagen für Artenschutzmaßnahmen sind nicht zu erwarten. Von den notwendigen 400 Milliarden Dollar pro Jahr steht vorerst kaum ein Viertel bereit, schreibt Philip Bethge im SPIEGEL.
Eröffnungsmitteilung der Konferenz
Mehr als 1.000 Delegierte aus über als 140 Ländern haben am 24.02.2020 im FAO-Hauptquartier in Rom Verhandlungen über den Erstentwurf eines richtungsweisenden globalen Rahmenwerks für die biologische Vielfalt nach 2020 und Ziele für die Natur bis 2030 aufgenommen.
Das neue Rahmenwerk wird von den 196 Vertragsparteien des Übereinkommens über die biologische Vielfalt (CBD) auf der UN-Biodiversitätskonferenz 2020 (CBD COP15) vom 15. bis 28. Oktober 2020 in Kunming, China, erörtert werden.
„Ich kann nicht genug betonen, wie wichtig es ist, bei diesem Treffen Fortschritte zu erzielen. Ich werde die Vertragsparteien ermutigen, Verhandlungen zu initiieren und voranzutreiben, die sich auf den Aufbau eines gemeinsamen Verständnisses der verschiedenen Elemente des globalen Biodiversitätsrahmens für die Zeit nach 2020 und auf die Entwicklung der wichtigsten Ziele und Vorgaben des Rahmens konzentrieren“, sagte Elizabeth Maruma Mrema, die amtierende Exekutivsekretärin der UN-Biodiversitätskonvention.
„Ich weiß, dass die Welt da draußen sehnsüchtig auf nachweisbare Fortschritte auf dem Weg zu einem klaren, umsetzbaren und transformativen globalen Rahmenwerk für die biologische Vielfalt wartet. Sie wollen einen Rahmen, der auf allen Ebenen umgesetzt werden kann, nämlich auf globaler, regionaler, nationaler und subnationaler Ebene. Sie wollen einen Rahmen, der auf dem bestehenden strategischen Plan zur biologischen Vielfalt 2011-2020 und den begleitenden Aichi-Zielen für die biologische Vielfalt aufbaut, sowie einen Rahmen, der sich an der Agenda für nachhaltige Entwicklung bis 2030 orientiert“, so Maruma Mrema.
Im Rahmen der ersten Sitzung der Arbeitsgruppe in Nairobi im August 2019 wurden die Ko-Vorsitzenden beauftragt, einen „Erstentwurf“ des globalen Rahmenwerks für die biologische Vielfalt nach 2020 vorzubereiten. Dieser wurde am 13.01.2020 veröffentlicht (der Textentwurf ist in allen sechs UN-Sprachen unter http://bit.ly/CBD-0Draft-UNlanguages verfügbar).
Dieser erste Entwurf basiert auf umfangreichen Konsultationen, Ratschlägen von Regierungen, Wissenschaftlern, indigenen Völkern, NGOs und anderen, die in Dutzenden von Sitzungen und Hunderten von schriftlichen Eingaben zusammengetragen wurden. Er wurde auch als Reaktion auf die globale Bewertung der Intergovernmental Science-Policy Platform on Biodiversity and Ecosystem Services (IPBES – siehe: solarify.eu/ipbes-bericht-wie-erwartet-negativ-was-tun) von 2019 entwickelt, die vor einer Million vom Aussterben bedrohter Pflanzen- und Tierarten warnte.
„Der vorgeschlagene Rahmen erkennt an, dass Maßnahmen auf globaler, regionaler, nationaler und lokaler Ebene erforderlich sind, um die wirtschaftlichen, sozialen und finanziellen Systeme zu transformieren, um den Verlust der biologischen Vielfalt zu verringern und die biologische Vielfalt auf den Weg der Erholung zu bringen. Regierungen und Gesellschaften müssen die Kosten des Nichthandelns erkennen, Prioritäten festlegen, den Wert der Natur verinnerlichen und finanzielle und andere Ressourcen entsprechend der anstehenden Herausforderung zuteilen. Nur dann können wir die gemeinsame Vision eines „Lebens in Harmonie mit der Natur bis 2050″ erreichen, auf die sich die Regierungen der Welt vor 10 Jahren geeinigt haben“, sagte Basile van Havre, Abteilungsleiter, Nationale und internationale Biodiversitätspolitik vom Ministerium für Umwelt und Klimawandel Kanadas.
Die UN-Biodiversitäts-Konvention wurde 1992 beim dem Erdgipfel in Rio de Janeiro zur Unterzeichnung aufgelegt und trat im Dezember 1993 in Kraft. Sie ist ein internationaler Vertrag zur Erhaltung der biologischen Vielfalt, zur nachhaltigen Nutzung der Bestandteile der biologischen Vielfalt und zur gerechten Aufteilung der Vorteile aus der Nutzung der genetischen Ressourcen. Mit 196 Vertragsparteien hat das Übereinkommen eine nahezu universelle Beteiligung. Das Übereinkommen versucht, allen Bedrohungen der biologischen Vielfalt und der Ökosystemleistungen, einschließlich der Bedrohungen durch den Klimawandel, durch wissenschaftliche Bewertungen, die Entwicklung von Instrumenten, Anreizen und Verfahren, den Transfer von Technologien und bewährten Praktiken und die volle und aktive Beteiligung der einschlägigen Akteure, einschließlich indigener und lokaler Gemeinschaften, Jugend, NGOs, Frauen und der Wirtschaft, zu begegnen.
Das Protokoll von Cartagena über die biologische Sicherheit und das Protokoll von Nagoya über Zugang und Vorteilsausgleich sind Zusatzabkommen zum Übereinkommen. Das Protokoll von Cartagena, das am 11.09.2003 in Kraft getreten ist, soll die biologische Vielfalt vor den potenziellen Risiken schützen, die von lebenden veränderten Organismen ausgehen, die sich aus der modernen Biotechnologie ergeben.
Das Nagoya-Protokoll zielt darauf ab, die Vorteile, die sich aus der Nutzung der genetischen Ressourcen ergeben, auf faire und gerechte Weise zu teilen, u.a. durch einen angemessenen Zugang zu genetischen Ressourcen und durch einen angemessenen Transfer der einschlägigen Technologien. Es ist am 12.10.2014 in Kraft getreten.
Größte Katastrophe des 21. Jahrhunderts
Franz Alt: „Die UNO geht davon aus, dass bis 2050 mindestens eine weitere Million Tier- und Pflanzenarten ausgestorben sein werden. Das ist – neben der Klimaerhitzung – die größte Katastrophe des 21. Jahrhunderts. Es handelt sich um das sechste große Artensterben der Geschichte, aber das erste von Menschen verursachte. Wir sind die erste Generation, die Gott voll ins Handwerk pfuscht. Wir spielen Evolution rückwärts. Dabei könnten wir wissen: Ohne Tiere und ohne Pflanzen kann es Menschen nicht geben. Wir alle stehen auf den Schultern unserer älteren Geschwister im Tier- und Pflanzenreich. Die Homo sapiens sind eine sehr junge Spezies, benehmen sich aber wie die Herren der Schöpfung.“
Jedem Wissenschaftler sei klar, dass Artenschutz für das Überleben der Menschheit so wichtig sei wie Klimaschutz. Der Verfall der ökologischen Vielfalt könnte das Ende der Zivilisation mit sich bringen. Aber das derzeitige dramatische weltweite Artensterben schreite etwa eintausend mal schneller voran als die Entstehung neuer Arten. Der Verlust von Ökosystemen und Arten könnte dramatischere Folgen haben als der Klimawandel. Technik helfe hier eher nicht, auch könne man sich nicht anpassen.
„‚Verlust und Zerstörung der Natur gefährden die Gesundheit, die Lebensgrundlagen, die Sicherheit und den Wohlstand‘, erklärten 23 ehemalige Außenminister gerade, unter ihnen der Deutsche Joschka Fischer und die US-Amerikanerin Madeleine Albright. Das ist untertrieben. Der ökologische Verfall könnte das Ende der Zivilisation bedeuten“ – so der SPIEGEL vor wenigen Tagen. Die Art „Mensch“ würde dann aussterben.
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