Überprüfbare Festlegungen für 30 Jahre
Die EU-Kommission hat auf ihrer Webseite ec.europa.eu einen Fragen- und Antworten-Katalog zum neuen Klimagesetz zusammengestellt. Da die bisherigen Politiken nicht ausreichen würden, bis 2050 Klimaneutralität zu erzielen, bedürfe es eines ehrgeizigen Ansatzes, des EU-Klimagesetzes eben. Mit dem werde das Ziel der EU rechtlich verankert, außerdem festgelegt, dass bestehende Strategien und sechs Rechtsvorschriften daraufhin zu überprüfen seien, ob sie mit dem Ziel der Klimaneutralität und dem festgelegten Zielpfad im Einklang ständen, damit der Übergang fair verlaufe und niemand zurückbleibe. Alle fünf Jahre werde die Kommission prüfen, ob der Zielpfad noch angemessen sei oder aktualisiert werden müsse. Der Europäische Klimapakt werde die Anstrengungen bündeln und Regionen, lokale Gemeinschaften, die Zivilgesellschaft, Schulen, die Industrie und Privatpersonen einbinden. Mit ihren Antworten hat die EU-Kommission allerdings auch Pflöcke eingeschlagen, an denen sie sich messen lassen wird müssen.
1. Warum brauchen wir ein Europäisches Klimagesetz?
Die Erwärmung der Erdatmosphäre hat bereits jetzt gravierende Folgen für unsere Umwelt und unsere Gesellschaften. Um die Erderwärmung auf 1,5 °C gegenüber dem vorindustriellen Niveau zu begrenzen und die negativen Auswirkungen des Klimawandels einzudämmen, muss die Welt nach Einschätzung des Weltklimarats die Emissionen der klimaschädlichen Treibhausgase (THG) schleunigst senken, damit die CO2-Nettoemissionen bis 2050 auf null zurückgehen und bald danach im weiteren Verlauf des Jahrhunderts auch bei allen übrigen Treibhausgasen Klimaneutralität erreicht wird.
Die EU hat bereits einige der strengsten und ehrgeizigsten Klimaschutzvorschriften der Welt erlassen und damit begonnen, ihre Wirtschaft im Einklang mit ihren Klimazielen zu modernisieren und umzustrukturieren. Von 1990 bis 2018 hat sie die Treibhausgasemissionen um 23 % gesenkt, während die Wirtschaft um 61 % gewachsen ist. Der umfassende Rahmen der EU für die Klima- und Energiepolitik bis 2030 wird einer weiteren Verringerung der Emissionen in der gesamten Wirtschaft den Weg ebnen.
Jedoch werden die Treibhausgasemissionen bei Fortsetzung der derzeitigen Politik bis 2050 voraussichtlich nur um 60 % gegenüber 1990 zurückgehen. Folglich muss noch viel mehr getan werden. Angesichts der wissenschaftlichen Erkenntnisse, der immer offensichtlicheren und gravierenderen negativen Auswirkungen des Klimawandels und der Forderungen der Bürgerinnen und Bürger nach dezidierterem Handeln müssen dringend zusätzliche Maßnahmen ergriffen werden. Vor diesem Hintergrund gibt das Europäische Klimagesetz das ehrgeizige Ziel vor, in der EU bis 2050 Netto-Treibhausgasemissionen von null zu erreichen, und legt einen Rahmen für die Verwirklichung dieses Ziels der Klimaneutralität fest.
2. Was sind die wichtigsten Punkte des Kommissionsvorschlags?
Das Europäische Klimagesetz soll den bestehenden politischen Rahmen der EU ergänzen, indem es die langfristige Ausrichtung der EU-Klimapolitik festlegt, durch die verbindlichen Festlegungen der EU Planungssicherheit für Investoren und Unternehmen schafft sowie Transparenz und Rechenschaftspflicht gewährleistet.
Mit dem Klimagesetz wird das Ziel der EU rechtlich verankert, bis 2050 klimaneutral zu werden, indem die Emissionen gesenkt und mehr Treibhausgase aus der Atmosphäre entfernt werden, sodass netto keine Treibhausgase mehr ausgestoßen werden. Das Gesetz zielt auch darauf ab, die Anstrengungen zur Anpassung an den Klimawandel zu verstärken. Trotz der Bemühungen um Verringerung der Treibhausgasemissionen wird Europa weiterhin mit den negativen Auswirkungen des Klimawandels konfrontiert sein. Die geplante Anpassungsstrategie der EU und die Anpassungsstrategien und -pläne der Mitgliedstaaten werden für die Bewältigung dieser Herausforderungen von entscheidender Bedeutung sein.
3. Was bedeutet das Klimagesetz für die bisherige Politik und die Zielvorgabe der EU zur Verringerung der Treibhausgasemissionen bis 2030?
Gemäß dem Vorschlag wird die Kommission die Aufgabe haben, bestehende Strategien und Rechtsvorschriften daraufhin zu überprüfen, ob sie mit dem Ziel der Klimaneutralität und dem festgelegten Zielpfad im Einklang stehen.
Im Rahmen eines zweistufigen Ansatzes wird die Kommission zunächst Vorschläge zur Anhebung der Zielvorgabe der EU für die Treibhausgasreduktion bis 2030 bewerten und unterbreiten, um die Vereinbarkeit mit dem Ziel für 2050 sicherzustellen. Bis September 2020 wird die Kommission einen auf seine Umweltauswirkungen geprüften Plan vorlegen, mit dem die Zielvorgabe für 2030 in verantwortungsvoller Weise auf mindestens 50 % und angestrebte 55 % gegenüber 1990 angehoben werden soll, und eine entsprechende Änderung des Klimagesetzes vorschlagen.
Damit die revidierte ehrgeizigere Zielvorgabe für 2030 erreicht werden kann, wird die Kommission bis Juni 2021 vorschlagen, die folgenden Rechtsvorschriften zu überprüfen:
- die Richtlinie über das EU-Emissionshandelssystem (EU-EHS);
- die Lastenteilungsverordnung;
- die Verordnung über Landnutzung, Landnutzungsänderung und Forstwirtschaft (LULUCF);
- die Energieeffizienz-Richtlinie;
- die Erneuerbare-Energien-Richtlinie;
- die CO2-Emissionsnormen für Personenkraftwagen und leichte Nutzfahrzeuge.
Die Kommission wird diese politischen Ziele mit entsprechenden Finanzmitteln und Finanzierungsinstrumenten unterstützen:
- Durch den Anfang 2020 vorgeschlagenen Investitionsplan für den europäischen Grünen Deal sollen in den nächsten zehn Jahren nachhaltige Investitionen in Höhe von mindestens 1 Billion EUR mobilisiert werden, um zur Finanzierung der Klimawende beizutragen. Mit der InvestEU-Garantie wird dies unterstützt, indem das Risiko für private Investoren verringert wird.
- Mit der Neuen Strategie für ein nachhaltiges Finanzwesen wird angestrebt, private Kapitalströme in umweltfreundliche Investitionen zu lenken und dafür zu sorgen, dass im gesamten Finanzwesen auf die Nachhaltigkeit der Investitionen geachtet wird.
- Der Mechanismus für einen gerechten Übergang und der dazugehörige Fonds für einen gerechten Übergang, die Anfang 2020 vorgeschlagen wurden, werden der Unterstützung der am stärksten betroffenen Regionen und Sektoren dienen, damit der Übergang fair verläuft und niemand zurückbleibt. Sie werden dabei helfen, die Wirtschaft zu modernisieren und zu diversifizieren und die sozialen und wirtschaftlichen Kosten des Übergangs abzufedern.
4. Wie wird der Zielpfad für die Verringerung der Treibhausgasemissionen von 2030 bis 2050 festgelegt?
In dem Vorschlag der Kommission wird ein Verfahren beschrieben, mit dem ab 2030 ein Zielpfad für die Nettoemissionen und den Nettoabbau von Treibhausgasen auf EU-Ebene festgelegt werden soll, um bis 2050 das Ziel der Klimaneutralität schrittweise zu erreichen. Der Zielpfad wird unter anderem auf den neuesten wissenschaftlichen Erkenntnissen und den besten verfügbaren Technologien beruhen. Dabei werden die Kostenwirksamkeit und wirtschaftliche Effizienz, die Fairness und Solidarität zwischen und in den Mitgliedstaaten sowie die Notwendigkeit berücksichtigt, für einen fairen und sozialverträglichen Übergang zu sorgen.
Alle fünf Jahre wird die Kommission die jüngsten internationalen und wissenschaftlichen Entwicklungen, die politischen Maßnahmen und Rechtsvorschriften der EU sowie die Fortschritte der EU bei der Verwirklichung der Ziele für 2050 prüfen, um festzustellen, ob der Zielpfad noch angemessen ist oder aktualisiert werden muss. Dieser Prozess steht im Einklang mit den Zeitplänen der „weltweiten Bestandsaufnahme“ im Rahmen des Übereinkommens von Paris, wonach die Vertragsparteien regelmäßig Bilanz ziehen über die Umsetzung des Übereinkommens und die kollektiven Fortschritte bei der Verwirklichung seiner Ziele.
5. Wie kann die EU das Ziel der Klimaneutralität bis 2050 erreichen?
Die Europäische Kommission hat in ihrer Mitteilung „Ein sauberer Planet für alle“ vom November 2018 ihre Vision einer klimaneutralen EU bis 2050 dargelegt. In der eingehenden Analyse, auf die sie sich dabei gestützt hat, wurden alle Schlüsselsektoren unter die Lupe genommen und verschiedene Wege für den Übergang untersucht. Ergebnis war, dass die EU bis 2050 Treibhausgasneutralität erreichen kann, wenn auf bereits existierende und neue technologische Lösungen zurückgegriffen wird, in deren Rahmen den Bürgerinnen und Bürgern Eigenverantwortung übertragen wird und Maßnahmen in Schlüsselbereichen wie Industriepolitik, Finanzen und Forschung abgestimmt werden, während gleichzeitig im Interesse eines gerechten Übergangs für soziale Gerechtigkeit gesorgt wird.
Der Übergang zur Klimaneutralität wird Maßnahmen in allen Bereichen erforderlich machen, von der Änderung der Art und Weise, wie wir Energie und Lebensmittel erzeugen, über den Konsum von Waren und Dienstleistungen bis hin zu unseren Arbeitsplätzen und der Art und Weise, wie wir reisen. Ehrgeizige Maßnahmen werden sowohl zum Schutz unseres Planeten als auch zur Verbesserung unserer Lebensqualität beitragen. Dies wird sich für uns in vielerlei Hinsicht positiv bemerkbar machen: weniger Schadstoffe in der Luft, im Wasser und im Boden, gesündere Lebensmittel, höhere Energieeffizienz von Gebäuden, bessere Alternativen im Verkehr und neue Möglichkeiten für europäische Unternehmen, bei der Entwicklung sauberer Produkte und Technologien eine Vorreiterrolle zu übernehmen. Dieser Übergang wird erhebliche Investitionen erfordern. Zu diesem Zweck hat die Kommission im Januar 2020 einen Investitionsplan für den europäischen Grünen Deal vorgelegt, mit dem in den nächsten zehn Jahren mindestens 1 Billion EUR an nachhaltigen Investitionen mobilisiert werden soll, sowie einen Mechanismus für einen gerechten Übergang, mit dem sichergestellt werden soll, dass der Übergang zu einer klimaneutralen Wirtschaft fair verläuft und die am stärksten betroffenen Regionen gezielt unterstützt werden.
Die Modernisierung und die Dekarbonisierung der EU-Wirtschaft werden erhebliche zusätzliche Investitionen mobilisieren. Derzeit werden rund 2 % des BIP in unser Energiesystem und die dazugehörige Infrastruktur investiert. Dieser Anteil müsste auf 2,8 % erhöht werden, um eine treibhausgasneutrale Wirtschaft zu erreichen. Dies bedeutet gegenüber dem Ausgangsszenario erhebliche zusätzliche Investitionen in einer Größenordnung von 175-290 Mrd. EUR pro Jahr. Dies mag erheblich erscheinen, ist aber realisierbar und für die Gesellschaft die bessere Wahl im Vergleich zu den Kosten der Untätigkeit, die klimabedingte Schäden und negative Auswirkungen auf die Gesundheit und dadurch enorme Kosten für unsere Gesellschaft zur Folge hätte. Darüber hinaus führt Untätigkeit zu Wettbewerbsnachteilen, denn die Nachbarländer investieren sehr wohl in Innovationen und die Entwicklung nachhaltiger Technologien für die Zukunft.
6. Wie werden die Bürgerinnen und Bürger und die Interessenträger einbezogen?
Die Menschen in der EU machen sich wegen des Klimawandels Sorgen und befürworten Maßnahmen auf nationaler und EU-Ebene. In der jüngsten Eurobarometer-Sonderumfrage zum Klimawandel (September 2019) hielten 93 % der EU-Bürger den Klimawandel für ein ernstes Problem und 92 % teilten die Auffassung, dass wir unsere Wirtschaft bis 2050 klimaneutral machen müssen.
Da alle Teile der Gesellschaft ihren Beitrag zum Übergang zur Klimaneutralität leisten müssen, ist ein inklusives und für alle zugängliches Verfahren zum Austausch bewährter Verfahren und zur Ermittlung von Maßnahmen, die zur Verwirklichung des Ziels für 2050 beitragen, ein wichtiger Aspekt des Klimagesetzes. Wir alle haben die Pflicht zu handeln, und die Europäerinnen und Europäer haben ihre Entschlossenheit unter Beweis gestellt, an diesem Übergang mitzuwirken. Der Europäische Klimapakt wird sämtliche Anstrengungen bündeln und Regionen, lokale Gemeinschaften, die Zivilgesellschaft, Schulen, die Industrie und Privatpersonen einbinden. Die Kommission hat am 04.03.2020 zudem eine öffentliche Konsultation zum Europäischen Klimapakt eingeleitet, um den Bürgerinnen und Bürgern auch auf diese Weise die Möglichkeit zu geben, sich an der praktischen Ausgestaltung des Klimapakts zu beteiligen.
7. Wie kommt der Klimapakt zustande?
Die Mitwirkung und das Engagement der Interessenträger und der breiten Öffentlichkeit sind eine Voraussetzung für den Erfolg des europäischen Grünen Deals. Der Klimapakt zielt darauf ab, an beispielhafte Maßnahmen vor Ort anzuknüpfen und Veränderungen in Schlüsselbereichen wie Mobilität, Gebäudesanierung, Energieerzeugung und ?verbrauch oder Ökologisierung öffentlicher und privater Räume sowie in Bezug auf unsere individuellen und kollektiven Entscheidungen und Verhaltensweisen zu fördern. Er soll sowohl Möglichkeiten bieten als auch als Plattform dienen, damit sinnvolle Initiativen entstehen und sich entfalten können. Er wird einen wesentlichen Beitrag zu einem gerechten Übergang für alle leisten. Ein solches Vorhaben gab es noch nie, und wir werden das Engagement für den Klimapakt und die Ideen von jeder und jedem Einzelnen brauchen.
Dabei fangen wir nicht bei null an. Es gibt bereits viele Beispiele für Bemühungen der Zivilgesellschaft im Kampf gegen den Klimawandel. Der Klimapakt wird darauf aufbauen und einen integrierten, strukturierten und proaktiveren Ansatz für die Bewusstseinsbildung und für Aktivitäten der Interessenträger auf europäischer Ebene fördern.
Neben Politik und Gesetzgebung kommt den Bürgerinnen und Bürgern, den Gemeinschaften und den Organisationen in allen Bereichen unserer Gesellschaft und Wirtschaft eine wichtige Rolle zu. Die Kommission hat eine öffentliche Konsultation zum Klimapakt eingeleitet, damit Bürgerinnen und Bürgern sowie Interessenträger sich beteiligen können, wenn neue Klimaschutzmaßnahmen konzipiert, Informationen ausgetauscht, Maßnahmen auf Bürgerebene ergriffen und Lösungen vorgestellt werden, denen sich andere anschließen können. Die Beiträge aus dieser öffentlichen Konsultation werden von entscheidender Bedeutung für die Gestaltung des Klimapakts sein, der noch 2020 ins Leben gerufen werden soll.
->Quellen: ec.europa.eu/qanda_20_336