Weshalb wir aus der Corona-Not keine ökologische Tugend machen sollten
Derzeit erleben wir eine dramatische Unterbrechung unserer Routinen. Dieser Rückzug mag geboten sein, doch ökonomisch sind die Folgen fatal. Und wer im Notstand ein Modell für künftige Klimapolitik sieht, denkt zutiefst autoritär, sagt Ralf Fücks, Gastautor der Welt am 16.03.2020.
Wir erleben eine Situation, die für meine Generation – die Nachkriegskinder – und die folgenden Jahrgänge unbekannt ist: eine dramatische Unterbrechung aller Routinen, eine weitgehende Stilllegung des gesellschaftlichen Lebens und eine aufkeimende Furcht, dass unser Gesundheitssystem unter der Last einer galoppierenden Pandemie kollabieren könnte. Bis heute haben wir es für selbstverständlich gehalten, dass jede/r Kranke eine angemessene Behandlung bekommen wird.
Wer konnte sich vorstellen, dass eine Landesregierung verbietet, seine Angehörigen im Altersheim zu besuchen? Dass Großeltern abgeraten wird, ihre Enkel zu betreuen? Dass jede Verabredung zu einem Risiko wird, das man besser bleiben lässt? „Social Distancing“, der maximale Abstand zwischen Individuen, ist eine brutale Angelegenheit. Sie macht uns zu Monaden. Sie führt nicht nur zur Schließung von Theatern und leeren Restaurants, sie trennt uns in einer Zeit, in der wir doch auf Nähe, Austausch, Freundschaft stärker angewiesen sind als je. …
Ralf Fücks ist Gründer und geschäftsführender Gesellschafter des Zentrums Liberale Moderne in Berlin. Er ist Gründungsmitglied der Grünen.