Projekt ArKol: Wärmepotenzial von Fassaden erschließen
Etwa 40 Prozent der Primärenergie in Deutschland werden heute für Raumwärme und Trinkwassererwärmung eingesetzt. Zu einem Gelingen der Wärmewende könnten Fassaden als „Wärmewände“ einen Beitrag liefern, der bislang wenig Beachtung gefunden hat. Ein Forschungskonsortium unter Leitung des Fraunhofer-Instituts für Solare Energiesysteme ISE hat im Projekt »ArKol« zwei neuartige solarthermische Fassadenkollektoren entwickelt, die architektonisch ansprechend einen integralen Bestandteil der Fassade darstellen: einen Streifenkollektor und eine solarthermische Jalousie.
Für die Entwicklung der multifunktionalen Gebäudehüllen im Projekt »ArKol – Entwicklung von architektonisch hoch integrierten Fassadenkollektoren mit Heat-Pipes«, das im Februar 2020 abgeschlossen wurde, kooperierte das Fraunhofer ISE mit den Firmen DAW SE und Priedemann Façade-Lab sowie dem Borderstep-Institut für Innovation und Nachhaltigkeit, dem Kompetenzzentrum Ausbau und Fassade und dem Institut für Baukonstruktion der Universität Stuttgart.
„Ziel des Projekts war, das große Flächenpotenzial von Fassaden für die Wärmeerzeugung zu nutzen und gleichzeitig Architekten mehr Gestaltungsfreiheit zu geben, denn ein Hemmnis für den breiten Einsatz von Solarthermie waren bislang die Vorbehalte potenzieller Kunden gegenüber dem Erscheinungsbild der Kollektoren. Zugleich sollte der Planungsaufwand reduziert und eine vereinfachte Montage und Installation ermöglicht werden“, erklärt Michael Hermann, Koordinator für Innovationsprozesse im Geschäftsbereich Thermische Systeme und Gebäudetechnik am Fraunhofer ISE.
Fassaden wiesen gegenüber der klassischen Aufdach-Installation von Solarthermie-Kollektoren eine Reihe von Vorteilen auf. So passe das Einstrahlungsprofil bei Heizungsunterstützung der Innenräume besser zum tatsächlichen Energieverbrauch: Im Winter, wenn die Sonne niedriger stehe, werde die Fassade in einem günstigeren Winkel angestrahlt als das Dach und könne daher einen höheren Ertrag liefern, so Hermann weiter. Im Sommer dagegen, wenn der Wärmebedarf deutlich geringer sei und sich im Wesentlichen auf die Trinkwassererwärmung beschränke, unterlägen die Fassadenkollektoren einer geringeren Sonneneinstrahlung. Sie erzeugten daher weniger überschüssige Wärme, was die Materialbelastung von Kollektor und Fluid verringere und eine längere Lebensdauer ermögliche. Im urbanen Raum mit hohen Gebäuden stünden zudem mehr Flächen an Fassaden als auf Dächern zur Verfügung – zumal diese oft auch für Fahrstuhlschächte und andere technische Aufbauten benötigt würden.
Für die effiziente und ästhetisch ansprechende Nutzung von Solarthermie in Fassaden entwickelten die Forscher und ihre Industriepartner Konzepte und erste Demonstratoren für transparente und opake Gebäudehüllen:
Solarthermische Jalousie als multifunktionales Fassadenelement
Das Gewinnen von solarer Wärme an transparenten Gebäudebereichen sei mit herkömmlichen Kollektoren bisher nicht oder nur unter Einschränkung der Transparenz möglich. Gleichzeitig würden in verglasten Fassaden von Hochhäusern häufig Jalousien zwischen Glasscheiben in Doppelfassaden eingesetzt. Durch die Sonneneinstrahlung träten Temperaturen bis zu 100 °C in diesem Zwischenraum auf. Die Solarthermische Jalousie könne diese überschüssige Wärme wie ein solarthermischer Kollektor abführen und biete gleichzeitig die volle Beweglichkeit und Funktionalität eines Lamellen-Sonnenschutzes, eerläutert Hermann weiter. Somit könne die Solarthermische Jalousie bei Bedarf komplett gerafft werden und biete dann volle Transparenz. Durch das Abführen der Wärme könne im Sommer zudem die Kühllast des Gebäudes verringert werden, was den Energiebedarf zusätzlich senke.
Dazu würden Wärmerohre (Heat-Pipes) in die Lamellen integriert, um die Wärme der als Absorber dienenden Lamellen über eine schaltbare thermische Kopplung »trocken«, ohne Flüssigkeitstransfer, an einen seitlichen Sammelkanal zu übergeben. Dank dieses Wärmeübertragungskonzepts könnten die Lamellen durch einfaches Lösen des Kontakts wie herkömmliche Jalousien bewegt werden. Die Jalousie sei vor allem für Doppelfassaden geeignet, deren Zwischenraum einen guten Witterungsschutz biete.
„Die solarthermische Jalousie kann als multifunktionales Fassadenelement für ein angenehmes Raumklima und guten Blendschutz sorgen und gleichzeitig den Energiebedarf für Warmwasserbereitung und Klimatisierung verringern“, erklärt Projektleiter Simon Häringer.
Streifenkollektoren – hohe Effizienz und flexible Gestaltung
Der ebenfalls im Projekt entwickelte Streifenkollektor bietet gegenüber klassischen Solarkollektorbauarten ein hohes Maß an Flexibilität hinsichtlich Größe, Farbe, Abstand, Anzahl und Ausrichtung und stellt damit ein gestalterisch attraktives Bauelement dar. Die streifenförmige Kollektorkonstruktion kann in unterschiedlichen Längen ausgeführt und stufenlos auf der Unterkonstruktion positioniert werden. Die Bereiche zwischen den einzelnen Kollektorstreifen können mit üblichen Fassadenbekleidungsmaterialien in beliebiger Höhe ergänzt werden. Technisch möglich wird dies dadurch, dass die Wärme, die durch Sonneneinstrahlung auf dem spektralselektiv beschichteten Absorber im Kollektor entsteht, durch Wärmerohre zur Seite transportiert und dort »trocken« an den Sammelkanal übertragen wird. Da nur der Sammelkanal von einem Solarfluid durchströmt wird, benötigen die einzelnen Kollektoren keinen hydraulischen Anschluss.
Die Kollektoren werden in die Unterkonstruktion einer vorgehängten hinterlüfteten Fassade (VHF) mit marktüblichen Agraffen eingehängt. Dieses Konzept ist sowohl an Neubauten als auch im Rahmen einer Sanierung umsetzbar. »Diese Plug&Play-Lösung erleichtert die Abstimmung der Gewerke im Bauprozess und schafft klare Schnittstellen für Installation und Haftung. Auch die vereinfachte Hydraulikplanung erleichtert Fassadenbauern, Stuckateuren und Malern die Umsetzung«, erklärt Katharina Morawietz, Teilprojektleiterin Streifenkollektor. Diese Vorteile während der Montage und die großen Gestaltungsmöglichkeiten werden in der Umsetzung einer ersten Demonstratorfassade bei DAW gut sichtbar.
Das Projekt wurde vom Bundesministerium für Wirtschaft und Energie (BMWi) gefördert.
->Quelle: ISE.Fraunhofer.de/projekt-arkol-waermepotenzial-von-fassaden-erschliessen