Bakterien fressen Polyurethan-Plastik

Mikrobe zersetzt und  ernährt sich von schwer recycelbarem Kunststoff

Mehr als 300 Millionen Tonnen Kunststoff werden jährlich weltweit produziert. Einen großen Teil dieser Plastikflut macht Polyurethan aus – in Kleidung, Schuhen, Möbel, Surfbrettern, Autos und Kühlschränken verarbeitet. Es ist zwar extrem leicht, isoliert und fixiert am Bau, ist aber besonders schlecht zu recyceln und enthält giftige Stoffe. Weil die Wiederaufbereitung bisher energieintensiv und teuer war, landete das PU in Massen auf Mülldeponien, in der Natur oder im Meer, wo es giftige Chemikalien freisetzt. Der dem Erdboden entnommene Bakterienstamm Pseudomonas sp. TDA1 greift Polyurethan-Plastik an und könnten den schwer recycelbaren Kunststoff biologisch abbauen.

Plastik-Müll vor Recycling – Foto © Gerhard Hofmann, Agentur Zukunft für Solarify

Die an extreme Umweltbedingungen angepassten Mikroben zersetzen bestimmte PU-Bausteine und ernähren sich davon. Forschende vom Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung (UFZ) in Leipzig haben jetzt herausgefunden – und am 26.03.2020 in der Fachzeitschrift Frontiers in Microbiology publiziert –, dass die Bakterien einige der chemischen Verbindungen im Polyurethan nutzen und daraus Energie und Nahrung gewinnen.

Der mdr auf seiner „wissen“-Internetseite: „Manche Plastiksorten sind hartnäckiger als andere, sagt UFZ-Forscher Hermann J. Heipieper, der die Plastik verspeisenden Bakterien mit entdeckt hat. Die Forscher wurden in Leipzig Paunsdorf fündig, an einem Ort, wo viel Plastik rumliegt. Sie nahmen ein paar Bodenproben mit, präparierten sie fürs Labor, peppten sie dann noch mit etwas mehr Plastik auf und warteten. Sie wussten – in der Mischung überleben nur die Bakterien, die Plastik fressen, alle andern würden verhungern. ‚Und so selektiert man dann solche „Abbauer“ aus‘, erklärt Heipieper“.

Heipieper und seine Kollegen vom UFZ isolierten aus den Bodenpr Bis dahin muoben die Bakterienart Pseudomonas. Weitere Untersuchungen ergaben: Die Mikrobe wächst nicht nur auf Polyurethan-Oligomeren, sondern auch auf bestimmten Vorläuferverbindungen und Zwischenprodukten wie etwa 4,4′-Methylendiphenyldiisocyanat (MDI) und Toluol-2,4-diisocyanat (TDI) und deren Vorläufer 4,4′-Diaminodiphenylmethan (MDA) bzw. dem krebserregend eingestuften 2,4-Diaminotoluol (2,4-TDA). „Unseres Wissens ist das der erste Bericht über die Isolierung einer Bakterienkultur für den Polyurethan-Vorläufer 2,4-TDA“, so die Forscher.

Wie schon von anderen Mikroben bekannt (siehe etwa cordis.europa.eu/unique-bacteria-can-help-reconcile-plastics-with-nature von 2015*)), scheiden die Bakterien Enzyme aus, die dann die Zersetzung der Plastikbestandteile in Gang setzen. „Diese Ergebnisse stellen einen wichtigen ersten Schritt dar, um schwer recycelbare Polyurethan-Produkte eines Tages wiederverwerten zu können“, konstatiert Heipieper. Bis dahin ist es aber noch ein weiter Forschungsweg – s.u..

Schnell-Evolution?

Rätselhaft ist bisher, wie und wann diese Bakterien ihre hochspezifischen Enzyme entwickelt haben. Denn die Plastikarten gibt es gerade mal erst seit rund 70 Jahren – extrem kurz für eine evolutionäre Anpassung.

Aus  Frontiers in Microbiology vom 27.03.2020:

Auf dem Weg zum Biorecycling: Isolierung eines Bodenbakteriums, das auf Polyurethan-Oligomeren und -Monomeren wächst (übersetzt mit Deeple)

Kunststoffe werden in unserer modernen Gesellschaft stark genutzt, und die globalen Produktionsraten steigen seit Jahrzehnten. Mit rund 3,5 Millionen Tonnen waren Polyurethane 2015 die fünftmeistgefragten synthetischen Polymere in Europa. Die Einsatzmöglichkeiten von Polyurethanen sind vielfältig, wobei der Hauptanwendungsbereich Dämmstoffe sind. Gängige Vorprodukte für die Synthese von Polyurethanen sind Polyisocyanate und Polyole sowie Additive wie Katalysatoren, Vernetzer und Kettenverlängerer, um nur einige zu nennen. Trotz der Bildung von Urethanbindungen mit den Polyisocyanaten können die Polyole zusätzlich Ether- oder Esterbindungen enthalten, so dass Polyether- bzw. Polyesterpolyurethane entstehen. Andererseits können die Polyisocyanatverbindungen aliphatischer, polyzyklischer oder aromatischer Natur sein. Zwei der am häufigsten verwendeten Diisocyanate für die PU-Synthese sind 4,4′-Methylendiphenyldiisocyanat (MDI) und Toluol-2,4-diisocyanat (TDI) und ihre Vorläufer 4,4′-Diaminodiphenylmethan (MDA) bzw. 2,4-Diaminotoluol (2,4-TDA). Neben einem Alkohol und Kohlendioxid werden nach der chemischen Hydrolyse der Urethanbindung auch primäre Amine gebildet. …

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