Linke Zweifel an der Wasserstoffstrategie: „Ökologische Folgen und Kosten der Wasserstoffwirtschaft“
Die Linke-Fraktion hat am 25.03.2020 eine Kleine Anfrage mit insgesamt 40 Fragen an die Bundesregierung gerichtet. Aus der einleitenden Begründung: “’Grüner Wasserstoff‘, unter anderem auch als Grundstoff von Methan, Methanol und weiteren reduzierten Kohlenwasserstoffverbindungen, gilt als Hoffnungsträger, um künftig einen Teil des Energie- und Wasserstoffbedarfs im Verkehrssektor, in Raffinerien und Hochöfen, in der Chemiebranche und im Wärmesektor zu decken. Die dazu benötigten Elektrolyseanlagen spalten mit Hilfe von Strom Wasser in Wasserstoff und Sauerstoff auf. Wird der eingesetzte Strom regenerativ erzeugt, entsteht der Wasserstoff weitgehend CO2-frei.
Nach den Plänen verschiedener Akteurinnen und Akteure in Politik und Wirtschaft soll der benötigte ‘grüne Wasserstoff’ in all seinen chemischen Transformationsprodukten größtenteils aus dem Ausland kommen, da es in Deutschland zu wenig Platz und Akzeptanz für die benötigte Zahl von großen Photovoltaik(PV)-Anlagen und Windparks gebe (vgl. https://www.spiegel.de/wirtschaft/soziales/energiewende-peter-altmaier-will-globale-vorreiterrolle-bei-co2-freiem-wasserstoff-a-f05471a8-620e-4e05-970c-bf609aee0ae0). Vielfach werden Südeuropa, die Maghrebstaaten, Westafrika oder gar die windhöffige chilenische Pazifikküste als Lieferanten für den ‘grünen Wasserstoff’ genannt (https://www.dena.de/newsroom/publikationsdetailansicht/pub/kurzanalyse-gruener-wasserstoff-internationale-kooperationspotenziale-fuer-deutschland/). Hierbei handelt es sich überwiegend um (semi-)aride Regionen, die sich heute schon durch Wasserstress auszeichnen. Durch den Klimawandel könnte sich der Wassermangel in diesen Regionen verschärfen. Die Umstellung des Energiesystems in Deutschland und in der EU auf überwiegend importierten ‘grünen Wasserstoff’ würde in potentiellen Lieferländern zudem Meerwasserentsalzungsanlagen in einer Stückzahl erfordern, die wohl deutlich über die bisherige Zahl der Meerwasserentsalzungsanlagen hinausgehen wird (https://www.dw.com/de/wasserstoff-deutschland-setzt-auf-westafrika/a-52337278).
Im Fall Westafrikas rechnet der Wissenschaftsminister Nigers, Yahouza Sadissou, laut einem Deutsche-Welle-Beitrag vom 12. Februar 2020 unter dem Titel ‘Wasserstoff: Deutschland setzt auf Westafrika’, damit, dass für die PtX-Produktion in der Region benötigte Wasser auch aus Meerwasserentsalzungsanlagen zu beziehen. Niger sei nach dem Beitrag einer von 15 Staaten, in denen Expertenteams Deutschlands nach den besten Standorten für die Wasserstoffproduktion suchten. Das Land zählt zu den ärmsten Ländern der Welt, leidet unter fortschreitender Wüstenbildung und nahm laut Wikipedia 2019 im Index der menschlichen Entwicklung den letzten Platz von 189 ausgewerteten Ländern ein. Da nicht nur Deutschland, sondern auch andere europäische Länder eine Wasserstoffwirtschaft aufbauen wollen, würde sich in den diskutierten Herkunftsregionen des ‘grünen Wasserstoffs’ der Wasserbedarf vervielfachen. In den genannten Herkunftsregionen gibt es in der Regel weder fossile noch biogene CO2-Quellen, mit denen ‘grüner Wasserstoff’ aus den Elektrolyseanlagen direkt vor Ort zu Methan, Methanol und weiteren reduzierten Kohlenwasserstoffverbindungen weiterverarbeitet werden kann.
Im Entwurf der Wasserstoffstrategie des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie (BMWi), die im Januar 2020 in die Ressortabstimmung ging, wird neben ‘grünem Wasserstoff’ auch ‘blauer Wasserstoff’ als ‘CO2-frei’ definiert. Blauer Wasserstoff bezeichnet laut BMWi Wasserstoff, dessen Erzeugung mit einem CO2-Abscheidungs- und CO2-Speicherungsverfahren gekoppelt wer-den muss (engl. Carbon Capture and Storage, CCS), also auf fossilen Grund-stoffen beruht. CCS gilt in Deutschland als hochumstritten. Als ‘türkiser Wasserstoff’ (und ebenfalls ‘CO2-frei’ im Sinne der Wasserstoffstrategie) wird im Entwurf des BMWi Wasserstoff bezeichnet, der über die thermische Spaltung von Methan (Methanpyrolyse) hergestellt wird. Anstelle von CO2 entstehe da-bei fester Kohlenstoff. Voraussetzungen für die CO2-Neutralität des Verfahrens seien laut Wasserstoffstrategie des BMWi die Wärmeversorgung des Hochtemperaturreaktors aus erneuerbaren Energiequellen sowie die dauerhafte Bindung des Kohlenstoffs. ‘Grauer Wasserstoff’ wiederum basiere maßgeblich auf der Dampfreformierung von Erdgas (Methan). Seine Erzeugung sei mit erheblichen CO2-Emissionen verbunden und es sei derzeit das gängige Verfahren zur Wasserstoffherstellung.
Der Einsatz von ‘grünem Wasserstoff’ (mittels Brennstoffzellen oder synthetischen Kraftstoffen) in Mobilitätsanwendungen, die alternativ auch mit direkt-elektrischen Antrieben (Oberleitungen, Batterien) betrieben werden könnten, erfordert infolge der Umwandlungsverluste der Wasserstofftechnologien gegen-über direktelektrischen Antrieben je gefahrenen Kilometer das Zweieinhalbfache bis Fünffache an Ökostrom. Darüber hinaus gilt er als deutlich teurer.
Laut Meta-Studie des Öko-Instituts ‘Bedeutung strombasierter Stoffe für den Klimaschutz in Deutschland’ kann die Herstellung strombasierter Stoffe zu höheren CO2-Emissionen führen als die Nutzung fossiler Alternativen, solange noch fossile Erzeugungskapazitäten im Stromsystem eingesetzt würden und diese durch die Herstellung strombasierter Stoffe stärker zum Einsatz kämen. Eine Umstellung der Wasserstoffherstellung auf die Elektrolyse etwa könne erst ab einem Stromemissionsfaktor von ca. 200 g CO ab einem Stromemissionsfaktor von ca. 200 g CO2/kWhel zu Treibhausgas-Minderungen beitragen, der erst bei 70 Prozent Ökostrom im Netz erreicht sei Minderungen beitragen, der erst bei 70 Prozent Ökostrom im Netz erreicht sei (Bundesrepublik Deutschland 2019: 43 Prozent). Ein Klimavorteil von Strom(Bundesrepublik Deutschland 2019: 43 Prozent). Ein Klimavorteil von strom-basierten Substituten für Diesel und Erdgas ergebe sich gar erst in dem Bereich der CO2-Intensität der Stromerzeugung von ca. 150 g CO-Intensität der Stromerzeugung von ca. 150 g CO2/kWhel. Diese Stromemissionsfaktoren seien erst ab einem rund 80-prozentigen Ökostromanteil an der Stromerzeugung und frühestens um das Jahr 2040 zu erwarten (Bundesrepublik Deutschland 2019: 43 Prozent). Laut Entwurf der Wasserstoffstrategie des BMWi soll darauf geachtet werden, dass ein Import von ‘grünem’ Wasserstoff oder darauf basierenden Energieträgern nach Deutschland ‘zusätzlich’ sei und nicht zu Lasten der häufig unzureichenden erneuerbaren Energieversorgung in den Entwicklungsländern gehe.“