Wasserstoffstreit in der Koalition

Das IFF und seine „Wasserstofffabrik der Zukunft“

Das Fraunhofer-Institut für Fabrikbetrieb und -automatisierung IFF hat am 02.04.2020 seine Vorstellung der künftigen Wasserstoffproduktion vorgelegt. Ausgehend von der These, Wasserstoff sei unverzichtbar für das Gelingen der Energiewende und das Erreichen der Klimaziele, dass das Gas der dringend benötigte Baustein für die Sektorenkopplung sei, biete er für die Industrie die umweltschonendste Möglichkeit, mit Strom, Wärme und Mobilität versorgt zu werden. Umweltfreundlich sei der vielseitige Energieträger jedoch nur, wenn er mit regenerativen Energien erzeugt werde. „Hier bietet das Fraunhofer-Institut für Fabrikbetrieb und -automatisierung IFF eine bedarfsgerechte, dezentrale, modulare Lösung zur Produktion und Verteilung von grünem Wasserstoff.“

Der Ausstoß von Treibhausgasen muss weltweit massiv reduziert werden. Nur so lässt sich die globale Erwärmung begrenzen. Power-to-X-Technologien gelten als vielversprechend, um dieses Ziel zu erreichen: Strom aus regenerativen Energien wird in Wasserstoff umgewandelt, um damit beispielsweise Brennstoffzellenfahrzeuge anzutreiben. Forscher des Fraunhofer IFF in Magdeburg gehen noch einen Schritt weiter: Mit der Wasserstofffabrik der Zukunft etablieren sie ein Konzept, um grünen Wasserstoff dezentral und modular für Industrie, Gewerbe und Verkehr entlang der Wertschöpfungskette zu produzieren und zu verteilen. „Mit dem Strom aus Sonne und Wind wird Wasser in Wasserstoff und Sauerstoff gespalten. Diesen Vorgang bezeichnet man als Elektrolyse. Der Wasserstoff wird gespeichert und kann mithilfe von Brennstoffzellen in Fahrzeugen wieder in elektrische Energie zum Fahren umgewandelt werden. Hier denken wir vor allem an Fahrzeugflotten mit Kleintransportern und Gabelstaplern, die in Industrie- und Gewerbeparks unterwegs sind“, erläutert Torsten Birth, Wissenschaftler am Fraunhofer IFF. „Darüber hinaus wollen wir die Industrie mit Strom, Gas und Wärme versorgen. Der bei der Elektrolyse entstehende Wasserstoff lässt sich ins Gasnetz einspeisen, als Treibstoff nutzen, in Methan oder Methanol umwandeln und der Industrie als Rohstoff zur Verfügung stellen.“

Ankopplung der Wasserstoffproduktion an eine Biogasanlage

Um das Konzept der Wasserstofffabrik umsetzen zu können, entwickeln die Forschenden modular erweiterbare Teilkomponenten, die – miteinander vernetzt – in Gewerbe- und Industrieparks realisiert werden. Abhängig von den Gegebenheiten vor Ort werden für die Erzeugung des Wasserstoffs elektro- oder biochemische Verfahren genutzt. „Es ist nicht überall möglich, Wind- und Photovoltaik-Anlagen zu bauen. Wir setzen auf standortabhängige Lösungen und nutzen gegebenenfalls Biogasanlagen für die Produktion. Eine Pilotanlage bei Gommern in Sachsen-Anhalt ist in Planung“, führt der Ingenieur aus. „Das Endergebnis ist aber immer grüner Wasserstoff.“

Im Projekt HyPerFerMent I arbeitet das Fraunhofer IFF gemeinsam mit der MicroPro GmbH und der Streicher Anlagenbau GmbH & Co. KG an der regenerativen Wasserstoffproduktion aus Biomasse. Durch ein spezielles Gärungsverfahren, ähnlich dem der Biogasproduktion, und unter Einsatz bestimmter Mikroorganismen könnte direkt aus organischen Reststoffen Wasserstoff erzeugt werden. Als Stoffwechselprodukt bestimmter Bakterien entsteht ein Gasgemisch aus H2 und CO2 mit 50 bis 60 Prozent Wasserstoffgehalt, das durch nachfolgende CO2-Abtrennung problemlos aufgereinigt werden kann. „Die fermentative Erzeugung von Biowasserstoff wird künftig eine wichtige Rolle bei der dezentralen Produktion des Energieträgers spielen“, sagt Birth.

Mobile Wasserstofftankstelle für Industrie- und Gewerbeparks

Mit dem Kleinverteilsystem Mobile Modular H2 Port (MMH2P) realisieren die Forscher vom Fraunhofer IFF in Zusammenarbeit mit der Anleg GmbH eine der erwähnten Teilkomponenten: eine mobile, modulare Wasserstofftankstelle für Kurzstrecken unter 200 Kilometer. Auf einem Kleinanhänger befinden sich erweiterbare Druckspeichersysteme mit Kompressoren, die betankt werden können und zudem in der Lage sind, Wasserstoff abzugeben. Das Bundesministerium für Bildung und Forschung BMBF fördert das Vorhaben.

Desinfektion mit Ozon

Wichtig ist den Forschern eine systemisch integrierte Wasserstoffproduktion. Das heißt, sie nutzen nicht nur den bei der Elektrolyse erzeugten Wasserstoff, sondern auch den Sauerstoff – etwa für Schweißprozesse oder zur Ozonierung für Kläranlagen. Mit der Zufuhr von Ozon lassen sich problematische Mikroverunreinigungen wie Pharmaka, Pflanzenschutzmittel oder Kosmetika aus Abwässern entfernen. Ein weiteres Anwendungsszenario: In der Landwirtschaft kann der Sauerstoff für die Entschwefelung der Biogasanlage verwendet werden.

Umfassendes Know-how zur Umsetzung der Wasserstofffabrik konnte das Forscherteam in den Projekten „Energieregion Staßfurt 2020“ und „Energieregion Ostharz“ sammeln. In den Vorhaben ging es um die Umsetzung eines regionalen Energiekonzeptes zur Umstellung der Energieversorgung in den verschiedenen Sektoren (Strom, Gas, Wärme, Mobilität) von fossilen Energieträgern auf regional erzeugte Erneuerbare Energiensowie um die Entwicklung regenerativer Sektorenkopplungssyste.

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