Analyse von Carbon Brief
Möglicherweise der einzige positive Nebeneffekt der Corona-Pandemie (so die Basler Zeitung): Der weltweite Treibhausgasausstoß könnte als Folge massiver Eingriffe in Wirtschaft und Gesellschaft so tief sinken wie noch nie, schätzt die angesehene britische Klima-Analyse-Plattform Carbon Brief. Dutzende Staaten, darunter China, Indien, die USA und die meisten Länder Europas, haben die Produktion heruntergefahren, den Verkehr reduziert – die Nachfrage nach Strom ist in der Folge gesunken. In China sollen die CO2-Emissionen zwischenzeitlich gar um 25 Prozent gesunken sein.
Der inzwischen vielzitierte Carbon Brief wurde 2010 in London als Antwort auf die Climategate-Kontroverse eingerichtet und wird von der European Climate Foundation finanziert. In seiner Analyse vom 09.04.2020 nimmt er die ganze CO2-Welt zu Beginn der Corona-Pandemie in den Blick: Die globale Pandemie dezimiere Leben, Lebensgrundlagen und das normale Funktionieren der Gesellschaft, ebenso wie den Energiebedarf und die CO2-Emissionen. In China lägen die Emissionen mehr als zwei Monate nach dem Eintritt des Landes in den Lockdown immer noch unter dem Normalwert. Da Dutzende weitere Länder als Reaktion auf die Pandemie Sperren verhängt hätten, zeige eine breite Palette von Indikatoren an, wie Verkehrsnutzung, Stromnachfrage und Industrietätigkeit zurückgegangen sind. Dennoch gebe es bisher nur wenige Versuche, die Folgen für die weltweiten CO2-Emissionen zu quantifizieren.
„Bislang beruhen die meisten globalen Schätzungen auf fundierten Spekulationen oder auf Prognosen über ein geringeres BIP-Wachstum. Viele haben auch gewarnt, dass die Emissionen schnell wieder ansteigen werden, es sei denn, die Reaktion auf die Pandemie könne dauerhafte, strukturelle Veränderungen in Richtung Netto-Null-Emissionen bewirken. Hier sammelt Carbon Brief die neuesten Erkenntnisse darüber, wie sich die Coronavirus-Krise auf den Energieverbrauch und die CO2-Emissionen weltweit auswirkt, um die auf dem BIP basierenden Schätzungen zu überprüfen.
Aktualisierung am 15. April 2020: Diese Analyse wurde vor dem Hintergrund neuer Prognosen für die weltweite Ölnachfrage 2020 aktualisiert, die für dieses Jahr einen deutlich stärkeren Rückgang erwarten lassen. In der ursprünglichen Version wurde die potenzielle Auswirkung des Coronavirus auf 1.600 Mio. Tonnen CO2 2020 geschätzt, was 4% der Emissionen 2019 entspricht.
Diese aktualisierte vorläufige Schätzung entspricht etwa 5,5% der weltweiten Gesamtemissionen 2019. Infolgedessen könnte die Coronavirus-Krise 2020 den bisher größten jährlichen Rückgang der CO2-Emissionen auslösen, mehr als in allen früheren Wirtschaftskrisen oder Kriegsperioden. Selbst dies würde die globale Temperaturgrenze von 1,5°C nicht annähernd in Reichweite bringen. Die globalen Emissionen müssten in diesem Jahrzehnt jedes Jahr um etwa 7,6% sinken – fast 2.800 Mio. Tonnen CO2 2020 -, um die Erwärmung auf weniger als 1,5°C zu begrenzen. Anders ausgedrückt: Es wird erwartet, dass der atmosphärische Kohlenstoffgehalt in diesem Jahr wieder ansteigt, selbst wenn die CO2-Emissionsreduzierung noch stärker ausfallen sollte. Die steigenden CO2-Konzentrationen – und die damit verbundene globale Erwärmung – werden sich erst dann stabilisieren, wenn die jährlichen Emissionen den Nullpunkt erreichen.