Fossile rechnen sich nicht mehr
Das Umweltbundesamt hat die Schadenskosten einer Tonne CO2 abgezinst auf 180 Euro geschätzt. Ein Gutachten (von Energy Brainpool und Forum Ökologisch-Soziale Marktwirtschaft im Auftrag der Windland Energieerzeugungs GmbH) zeigt, was dieser Preis bedeuten würde. Nicole Weinhold hat es für ERNEUERBARE ENERGIEN gelesen.
Photovoltaik-Anlagen haben im April 2020 rund 6,9 Mrd. kWh Strom erzeugt – so viel wie noch nie in einem April und auch sonst kaum einem anderen Monat. Einzig im Juni 2019 speisten Solaranlagen in Deutschland mit knapp 7,1 Mrd. kWh noch mehr Strom ins Netz. Das zeigen vorläufige Zahlen des Zentrums für Sonnenenergie- und Wasserstoff-Forschung Baden-Württemberg (ZSW) und des Bundesverbands der Energie- und Wasserwirtschaft (BDEW).
Keine Frage, Photovoltaikstrom ist ein Faktor in unserer Energieversorgung, auf den wir nicht verzichten können. Ein neues Gutachten von Energy Brainpool und Forum Ökologisch-Soziale Marktwirtschaft im Auftrag der Windland Energieerzeugungs GmbH zeigt nun, welche Auswirkungen ein CO2-Preis von 180 €/t auf den Markt und die Versorgung hätte. Die Studie untersucht die Auswirkungen eines Reformvorschlags der Windland Energieerzeugungs GmbH. Dieser sieht die Einführung einer CO2-Bepreisung auf fossile Energieträger vor, orientiert an den mit 180 €/t bezifferten, abgezinsten Klimaschadenskosten.
Änderung der Marktwerte für Solarstrom als Folge des CO2-Preises
Wie ist Energy Brainpool an die Fragestellung herangegangen? Verwendet wurde das Fundamental Modell Power2Sim. Es beinhaltet u.a. eine Datenbank mit 3.455 wesentlichen thermischen Kraftwerken in der EU, dem Vereinigten Königreich, Albanien, Bosnien und Herzegowina, Mazedonien, Montenegro, Norwegen, Schweiz, Serbien und Türkei. Das Modell berücksichtigt den zeitlichen Verlauf von Stromverbrauch und -erzeugung aus Wind und Sonne sowie Laufwasserkraftwerken, Speicherwasserkraftwerken, Pumpspeicherkraftwerken und Kraft-Wärme-Kopplungsanlagen. Außerdem die Regelgeschwindigkeit des übrigen Kraftwerksparks, Grenzkuppelleitungen mit ihren begrenzenden Einflüssen auf Stromexporte und -importe.
Die an der Strombörse gehandelten Marktwerte für Strom steigen in der Grundlast um etwa 1,55 ct/kWh von 4,483 ct/kWh im Referenzfall auf 6,037 ct/kWh in der modellierten Situation. In der Peaklast (Mo-Fr. 8-20 Uhr) steigt der Preis um ca. zwei ct/kWh auf 7,39 ct/kWh, in der übrigen Zeit (Offpeak) von 4 ct/kWh auf 5,28 ct/kWh.
Bezogen auf die Verteilung des Lastprofils aller Verbraucher bzw. der Haushalte auf peak- und non-peak beträgt der Anstieg etwa 1,7 ct/kWh. Im Vergleich dazu beträgt der Haushaltsstrompreis 2019 in Deutschland 30,43 ct/kWh. Die Mehrkosten betragen insoweit etwa sechs Prozent, wovon aber eine gesunkene Umlagen abzuziehen ist. Als Folge des höheren Marktwerts sinkt die EEG-Umlage auf knapp unter sechs ct/kWh.
Vermarktungswert Onshore-Windstrom
Der Vermarktungswert für Strom aus Onshore-Windenergie steigt auf 5,278 ct/kWh, für Photovoltaikstrom auf 5,444 ct/kWh. Dabei ist zu berücksichtigen, dass 94 Prozent des Stromerzeugungspotenzials der Onshore-Windenergie und 97 Prozent des PV-Stroms unter Marktbedingungen wirtschaftlich abgesetzt werden können. Gäbe es keine EEG-Förderung über die Marktprämie, würden also sechs bzw. drei Prozent des Erzeugungspotenzials abgeregelt. Bezogen auf das gesamte Erzeugungspotenzial könnten damit Onshore-Windenergieanlagen 4,96 ct/kWh am Markt erlösen und Solaranlagen 5,28 ct/kWh.
2020 werden in Deutschland v.a. diejenigen Freiflächen-Solaranlagen errichtet, deren Auktion 2018 stattfand. 2018 lagen die durchschnittlichen Vergütungen in den fünf Freiflächen-Ausschreibungen bei 4,33 bis 5,27 ct/kWh, davon dreimal zwischen 4,59 und 4,69 ct/kWh. Die höchsten Gebotswerte mit Zuschlag lagen bei 5,18 bis 6,4 ct/kWh.
In vier der fünf Solar- bzw. Kombiausschreibungen im Jahr 2019 lagen durchschnittlichen Vergütungen in den fünf Freiflächen-Ausschreibungen bei 4,80 bis 5,47 ct/kWh und die höchsten Gebotswerte mit Zuschlag bei 5,18 bis 5,74 ct/kWh. Ausreißer nach oben war die Ausschreibung am 1.3.2019 mit dem Durchschnittswert 6,59 ct/kWh und dem höchster Zuschlagswert 8,4 ct/kWh.
Vermarktungswerte alleine nicht ausreichend
Energy Brainpool merkt in dem Gutachten an: „Bei Ausschreibungen für Onshore-Windenergie hat die Bundesnetzagentur 2018 und 2019 und Anfang 2020 eine im Prinzip als Festpreis wirkende Gebotsobergrenze in Höhe von 6,20 ct/kWh vorgegeben. Dieser Preis war aber auch nicht annähernd ausreichend, um die ausgeschriebene Menge zu erreichen. Die geringe Bereitschaft der Kommunen und Regionen, neue Standorte für Windparks auszuweisen, ist der begrenzende Faktor. Die o.g. Vermarktungswerte alleine wären also nicht ausreichend, der Windenergie in Deutschland Impulse zu geben. Vielmehr würden neue, EEG-geförderte Windparks weiterhin eine Marktprämie erhalten, die allerdings nur noch ca. 1,24 ct/kWh betragen würde. Sie wäre damit deutlich niedriger als die EEG-Umlage auf denselben Strom, wenn er an Verbraucher ausgeliefert wird.“
Die Markterlöse für Solarstrom liegen im Reformmodell letztlich etwa gleichauf mit den Auktionsergebnissen für Freiflächenanlagen im EEG. Die in den EEG-Ausschreibungen bezuschlagten, neu errichteten Anlagen würden also 2020 keine oder nur minimale Förderbeträge erhalten.
Marktgetriebener Zubau von PV-Freiflächenanlagen ohne Förderung
Gleichwohl könne aus den Ergebnissen nicht abgeleitet werden, dass ein umfassender, marktgetriebener Zubau von PV-Freiflächenanlagen ohne Förderung zustande kommen würde – „jedenfalls nicht, wenn es bei der gegenwärtigen Abgabenbelastung bleiben würde.“ Der Vermarktungswert beschreibt das Erlöspotenzial fluktuierender erneuerbarer Erzeugung am Strommarkt (Day-ahead, ohne finanzieller EEG-Förderung).
Ergebnis: In dem modellierten Szenario liegt der Vermarktungswert in EUR/MWh von Solarstrom bei 54,44, der von Onshore-Anlagen bei 52,78 und der Wert von Offshore-Anlagen bei 54,92. Alle Werte liegen gemäß Einschätzung von EnergyBrainpoolüber oder in etwa auf den Stromgestehungskosten von Neubauprojekten für Freiflächen-PV, und Wind Onshore und Offshore. „Ein marktgetriebener Zubau dieser Anlagen ist bei diesen Erlösoptionen wahrscheinlich, so er regulativ ermöglicht (Wind) oder nicht verhindert (PV-Freifläche) wird“, so Energy Brainpool.
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