Konjunkturhilfen müssen zum Klimaschutz beitragen
Beim „Autogipfel“ am 05.05.2020 diskutieren Bundesregierung und Autohersteller über Konjunkturmaßnahmen für die Automobilindustrie. Im Gespräch sind verschiedene Anreizprogramme für den Kauf von Fahrzeugen, darunter die Abwrackprämie. Das Öko-Institut hat in einem Diskussionspapier Chancen und Risiken von Kaufanreizen und der Abwrackprämie betrachtet sowie Leitplanken für ihre ökologische Ausrichtung formuliert. Das Papier entstand im Rahmen eines von der Deutschen Bundesstiftung Umwelt (DBU) geförderten Projektes zur Analyse möglicher Elemente eines Konjunkturpaketes.
Für effektiven und sozial verträglichen Klimaschutz im Verkehr gibt es aus Sicht des Öko-Instituts deutlich besser geeignete Handlungsoptionen als Kaufanreize für Pkw. Wenn diese aus industriepolitischen Gründen beschlossen würden, dann müssten sie ökologischen und sozialen Minimalanforderungen genügen, so das Öko-Institut.
Eine mögliche Option: Die realen CO2-Emissionen während der Nutzung im Straßenbetrieb des Neufahrzeugs müstsen mindestens 30 Prozent unter denen des Altfahrzeugs liegen. Dies würde besonders klimaschädliche Fahrzeuge aus dem Verkehr ziehen und die Neuanschaffung von E-Autos fördern. Alternativ könnte die Kaufprämie für Elektroautos je nach Listenpreis des Fahrzeugs angehoben werden. Auch das würde die Hürde der hohen Anfangsinvestitionen für die E-Autos senken, heißt es weiter in der Pressemitteilung vom 04.05.2020.
Nachteile sozialverträglich ausgleichen
„Diese Optionen haben immer auch Nachteile, etwa dass mit den effizienteren Fahrzeugen mehr gefahren wird“, gibt Ruth Blanck, Senior Researcher im Institutsbereich Ressourcen & Mobilität zu bedenken. „Deshalb müssen sie in ein Gesamtkonzept für die Verkehrswende eingebettet werden.“
Auch sei zu beachten, dass Pkw-Kaufanreize diejenigen benachteiligen, die keinen Pkw nutzen, oder die sich den Kauf eines neuen Pkw nicht leisten könnten. Für den sozialen Ausgleich müsste im Falle einer Einführung eines Kaufzuschusses dieser verbindlich mit einer Gegenfinanzierung spätestens nach Ende der Corona-Pandemie innerhalb der Gruppe der Pkw-Nutzer verbunden werden. Das könnte etwa ein „Malus“ für hoch emittierende Verbrenner, etwa über einen Aufschlag auf die Kfz-Steuer, ab 2021 oder 2022 sein, oder bereits kurzfristig eine Erhöhung der Energiesteuer vor dem Hintergrund der gefallenen Kraftstoffpreise.
DBU-Generalsekretär Alexander Bonde ergänzt: „Konjunkturhilfen können die Wirtschaft sehr unterschiedlich und vielschichtig stimulieren. Aber sie dürfen keine neuen Umweltprobleme schaffen, sondern müssen ökologische Entlastung bringen. Zentral wichtig bleibt, dass bei allen Anreizmodellen der gesamte Lebenszyklus eines Produktes berücksichtigt wird und Konjunkturanreizpakete ökologisch und sozialverträglich ausgestaltet werden.“
Wie wirkt die Abwrackprämie auf CO2-Emissionen?
Ob die CO2-Emissionen durch eine Abwrackprämie sinken, hänge von der Differenz der Emissionen von Neu- und Altfahrzeug im Betrieb sowie von der Herstellung des Neufahrzeuges ab. Weiterhin sei entscheidend, um wie viele Jahre bzw. wie viele Kilometer die Neuanschaffung vorgezogen werde.
Ein Beispiel: Beim Ersatz eines Fahrzeugs aus der Kompaktklasse, das 12.000 Kilometer pro Jahr gefahren werde, entstehe eine Treibhausgasminderung erst dann, wenn der Kraftstoffverbrauch des Neufahrzeugs mindestens 30 Prozent unter dem des Altfahrzeugs liege. Erreiche das Neufahrzeug diese Differenz nicht, verursache die Abwrackprämie sogar zusätzliche Treibhausgasemissionen, so das Öko-Institut.
Gesamtkonzept für die nachhaltige Verkehrswende
Bislang habe der Verkehr zum Klimaschutz in Deutschland keinen Beitrag geleistet: Seine Emissionen seien 2019 genauso hoch gewesen wie 1990. Laut Klimaschutzgesetz sollten die CO2-Emissionen des Verkehrs bis zum Jahr 2030 um 42 Prozent auf 95 Millionen Tonnen CO2-Äquivalente (Mio. t CO2e) sinken. Das sei mit den bisher beschlossenen Politikinstrumenten nicht zu schaffen: Ein Gutachten des Öko-Instituts zeige, dass eine Lücke von über 30 Mio. t CO2 mit zusätzlichen Maßnahmen zu schließen sei, so die Verkehrsexpertin des Öko-Instituts.
Deshalb müssen aus Sicht des Öko-Instituts diese oder weitere Konjunkturmaßnahmen in ein Gesamtkonzept für eine nachhaltige Verkehrswende integriert werden: „Dabei müssen gleichzeitig Investitionen in den öffentlichen Verkehr sowie den Rad- und Fußverkehr fließen“, fordert Blanck. „Dabei geht es um die Infrastruktur-Entwicklung ebenso wie um Personal und Planung sowie um den Aufbau zusätzlicher Ladeinfrastruktur für die Elektromobilität.“
Diskussionspapier „Neue Kaufanreize für Pkw“ des Öko-Instituts
->Quelle: Öko-Institut e.V./oeko.de/kaufanreize-fuer-pkw-nur-oekologisch-anspruchsvoll