In vier Jahren will DLR Konzept für ökoeffizientes Fliegen haben
Wie müsste Elektromobilität am Himmel beschaffen sein, um die vom Luftverkehr verursachten Emissionen drastisch zu senken? Wie können Flugzeuge mit alternativen Antrieben ökologisch und wirtschaftlich zugleich werden? Verändern solche neuartigen Flugzeuge das Luftfahrtsystem, beispielsweise Flughäfen oder Wartungshallen? Auf diese Fragen will das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) innerhalb der nächsten vier Jahre Antworten geben.
Seit Anfang 2020 arbeiten 45 Wissenschaftler aus 20 DLR-Instituten gemeinsam im Projekt EXACT (Exploration of Electric Aircraft Concepts and Technologies) an der Entwicklung neuer Technologiebausteine für ein ökoeffizientes Verkehrsflugzeug. Bis 2040 sollen die erforderlichen Technologien für ein ein solches Luftfahrzeug mit mindestens 70 Sitzen und einer Reichweite von 2.000 km einsatzreif sein. Hierfür sollen im ersten Schritt unterschiedliche hybrid-elektrische Antriebskonzepte und mögliche Flugzeugkonfigurationen untersucht werden. Aber auch Wechselwirkungen mit der Flughafeninfrastruktur werden betrachtet, ebenso wie sich neuartige Antriebe auf die Atmosphäre und somit auf das Klima auswirken. Johannes Hartmann vom DLR-Institut für Systemarchitekturen der Luftfahrt leitet das Projekt federführend: „Das DLR verfügt über eine weltweit einzigartige Kompetenz für die Durchführung einer solch komplexen Studie In unserem 45-köpfigen Team bündeln wir unsere Kompetenzen aus den unterschiedlichen Forschungsbereichen. So erreichen wir sowohl die nötige thematische Breite als auch die wissenschaftliche Tiefe“.
Digitaler Entwurfsprozess
Mit Hilfe von Daten aus dem gesamten Lebenszyklus eines Flugzeugs, vom Entwurf über die Produktion bis zum Betrieb und der späteren Entsorgung, verfügen die Forscher über Informationen, aus denen sie Wissen für den Flugzeugentwurf ableiten können. Die vorgegebenen Ziele sind, dass die Emissionen des Flugzeugs das Klima nicht negativ beeinflussen und es dabei gleichzeitig wirtschaftlich zu betreiben ist. Der Entwurfsprozess wird ganzheitlich betrachtet und anhand dieser Ziele ausgerichtet. Die Planung der Produktion, des Betriebs und der Wartung fließen von Anfang an in den Entwurf mit ein. In der Vergangenheit wurden Flugzeuge primär kostengetrieben entwickelt und ihre Klimawirkung erst im Nachgang analysiert. „Wir drehen diesen Prozess erstmals um und wählen damit einen revolutionären Ansatz für unsere Arbeiten“, erklärt Hartmann.
Klimaneutrale Antriebskonzepte
Flugzeuge mit verbesserter Klimabilanz erfordern grundlegend neue Antriebstechnologien. Das Projektteam untersucht, welche Antriebskonzepte für Kurzstreckenflugzeuge erheblich verringerte Emissionen und weniger Lärm im Betrieb zur Folge hätten und mit den Interessen der Wirtschaft vereinbar sind. Durch Batterien, Brennstoffzellen (s.u.) oder mit Wasserstoff angetriebene Flugzeuge bieten das Potenzial, diese Anforderungen miteinander in Einklang bringen.
Das DLR-Institut für Technische Thermodynamik analysiert und bewertet bereits seit einigen Jahren die Leistungsklassen von Brennstoffzellen für die Luftfahrt. So werden unter diesem Aspekt Brennstoffzellen im Labor charakterisiert und im viersitzigen Passagierflugzeug Hy4 untersucht. Das im Projekt EXACT erarbeitete Wissen soll nun, mit Hilfe von Simulationsmodellen und Pilotanwendungen, das Zusammenspiel der hybriden Energiekonzepte in größerer Leistungsklasse bewerten und einsetzbar machen.
Luftverkehrssystem 2040
Neuartige Flugzeuge werden das gesamte derzeitige Luftfahrtsystem beeinflussen und umgekehrt. Kai Wicke vom DLR-Institut für Instandhaltung und Modifikation betrachtet im Projekt EXACT die betriebliche und ökologische Integration der neuen Flugzeugkonfigurationen: “Ob ein neuartiges Flugzeug mit Wasserstoff, Brennstoffzelle oder Batterie angetrieben wird – wir betrachten ganzheitlich, welche Auswirkungen dies auf das gesamte Öko- und Luftfahrtsystem hätte, also auf Flughäfen, Airlines sowie die Flugsicherung und Atmosphäre.“
Sein Team stellt Modelle für Klimawirkung, Lärm sowie Produkt- und Energielebenszyklen auf. Hierbei werden sowohl Umweltwirkungen als auch Investitions-, Betriebs- und Wartungskosten untersucht. Würde ein Flugzeug mit Wasserstoff betankt, wären dafür spezielle Betankungssysteme nötig. Batterien müssten geladen, gelagert und recycelt werden können. Zu klären ist, welche Anforderungen die vorhandene Infrastruktur für den Betrieb eines neuen Flugzeugs stellt.
In vier Jahren soll ein erstes ganzheitliches Konzept für den umweltkompatiblen Luftverkehr stehen. Flugzeugingenieure, Atmosphärenforscher und Elektrotechniker aus 20 verschiedenen DLR-Instituten arbeiten gemeinsam daran, valide Modelle aufzustellen und Lösungen zu erarbeiten.
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