Eigene Fraktion verweigert Kanzlerin Gefolgschaft

Wirtschaft wichtiger als Klima

„Unionsfraktion missbilligt Merkels Zusage zu höheren Klimazielen“ – so die Überschrift eines Artikels von Michael Bauchmüller und Cerstin Gammelin in der Süddeutschen Zeitung vom 09.05.2020. „CDU/CSU legt Bremsklotz vor Merkels Klima-Ehrgeiz“ titelte Euractiv. Und im Stern las es sich so: „Unionsfraktion bremst Merkels Klima-Ambitionen aus“. Die Unions-Bundestagsfraktion lehnt den von Bundeskanzlerin beim Petersberger Klimadialog angekündigten deutschen Weg ab, wie die SZ als erste aus dem Entwurf eines Positionspapiers der Fraktion zitierte.

BKin Angela Merkel vor BT-Plenum – Screenshot © bundestagsfernsehen

Die bis 2030 angestrebte Reduzierung der Treibhausgasemissionen um 50 – 55% könnte die deutsche Wirtschaft enorm belasten, heißt es in dem Papier; selbst wenn man anerkenne, dass ehrgeizigere Klimaziele neue Chancen eröffneten, sei eine solche Entscheidung nur im Falle einer neuen Lastenteilungsvereinbarung innerhalb der EU akzeptabel. „Gilt das Abstandsgebot jetzt auch beim Klimaschutz, und zwar in der Union?“ fragten Gammelin und Bauchmüller ironisch. Denn so deutlich wie beim Petersberger Dialog habe sich Merkel noch nie zu höheren Klimazielen bekannt. „Nur hat sie die Rechnung womöglich ohne die eigenen Abgeordneten gemacht.“

Denn die „lehnen eine Erhöhung des EU-Klimaziels für 2030 ohne eine Änderung der Lastenverteilung ab. Unsere europäischen Partner müssen mit vergleichbaren Anstrengungen zur Erreichung des Klimaziels beitragen“, so die Autoren des Entwurfs. Sie forderten die Regierung auf, die aktuelle Notsituation durch die Coronavirus-Pandemie nicht aus den Augen zu verlieren. Die Unionsfraktion stellt, so die SZ, indirekt sogar Klimaauflagen infrage. „Die Gesundheitskrise hat die wirtschaftliche Situation der Arbeitnehmer und Unternehmen in unserem Land und in Europa erheblich verändert“, betont das noch nicht von der Fraktion beschlossene Dokument. Ziel sei es, „Belastungen von Arbeitnehmern und Unternehmen durch Gesetze und andere Regelungen so weit wie möglich zu vermeiden“. Der European Green Deal müsse nun „so gestaltet werden, dass er das Management der Coronavirus-Pandemie nicht behindert, sondern unterstützt“. Die Abgeordneten aus CDU und CSU argumentieren weiter, dass „Klimamaßnahmen und Emissionsreduktionen, die (von Deutschland) in Drittländern durchgeführt werden“, in die Klimabilanz des Landes einbezogen werden müssten.

Konkret wollen die Unionsabgeordneten alle Auflagen beiseite räumen, die in ihren Augen die wirtschaftliche Erholung gefährden könnten. Im jüngsten Koalitionsausschuss hatte es darüber zwischen Union und SPD offenen Streit gegeben. Man „konnte sich nur auf eine verschwurbelte Klausel im Abschlussdokument einigen – auf die bezieht sich die Union“ (SZ). Auch eine Anhebung der CO2-Standards für Autos lehne die Fraktion ab: Bereits die aktuellen Emissionsnormen für Neufahrzeuge stellten „technisch und ökonomisch eine enorme Herausforderung dar“. Ergo: Eine Überprüfung sei „nicht geboten“.

In einer Rede beim Petersberger Klimadialog hatte die Bundeskanzlerin kürzlich ihre Unterstützung für die Pläne der Europäischen Kommission erklärt, die Treibhausgas-Emissionen bis 2030 um 50 – 55% zu verringern. „Die Europäische Kommission hat uns mit dem Green Deal den Weg gewiesen“, hatte Merkel gesagt und festgestellt, dass das Klimaneutralitätsziel der EU für 2050 noch „weit entfernt“ sei. Noch nie zuvor habe die Bundeskanzlerin ein so klares Bekenntnis zu ehrgeizigeren Klimazielen abgegeben. Trotz Merkels Bekenntnis erfolge die Veröffentlichung des Informationsvermerks zu einem Zeitpunkt, wo Deutschland seinen national festgelegten Beitrag (NDC) zum Klimaschutz noch immer nicht bei der Europäischen Kommission eingereicht hat – gemeinsam mit Irland, Luxemburg und Rumänien.

Der Grünen-Klimaexperte Oliver Krischer warnte laut Stern die Unionsfraktion eindringlich vor einer Aufweichung des deutschen Klima-Engagements. Es sei „grotesk, wenn ausgerechnet die Unionsfraktion sich bei den EU-Klimazielen im Rahmen des ‚Green Deal‘ von Ursula von der Leyen (CDU) und Angela Merkel (CDU) absetzt“, habe Krischer am 09.05.2020 zur französischen Nachrichtenagentur AFP gesagt. Das Fraktionspapier zeige, „wie weit weg die Unionsfraktion im Bundestag inzwischen von einer ambitionierten Klimapolitik ist“, sagte Krischer. Er wies insbesondere auch die Forderung der Unionsabgeordneten nach einer neuen europäischen Lastenverteilung bei der Verringerung der CO2-Emissionen zurück: „Wir müssen mehr einsparen und es nicht auf andere abschieben.“

Diese Situation habe die Konsultationen zwischen den Mitgliedsstaaten zum Klimaschutz verzögert, sagte der kroatische Energieminister Tomislav Coric nach Konsultationen mit seinen EU-Kollegen am 28.04.2020. Der Zeitplan für das Erreichen einer gemeinsamen Position der 27 Staaten im Juni sei daher gefährdet, sagte er (Euractiv).

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