Proteste gegen Verbrenner-Prämie zeitigten (Teil-)Erfolg

Corona-Paket: „Wirtschaftspolitische Corona-Maßnahmen stabilisieren Finanzmärkte kurzfristig nur wenig“ (DIW)

Um Familien, Unternehmen und Kommunen darin zu unterstützen, die wirtschaftlichen Folgen der Corona-Pandemie besser zu bewältigen, hat die Bundesregierung ihr umfassendes Konjunkturpaket auf den Weg gebracht (zum Inhalt siehe: solarify.eu/corona-folgen-bekaempfen-wohlstand-sichern-zukunftsfaehigkeit-staerken). Der Koalitionsausschuss hat sich in den späten Abendstunden auf ein umfangreiches Konjunktur- und Zukunftspaket mit einem Volumen von 130 Milliarden Euro verständigt und sich dafür auf Eckpunkte verständigt. Mit dem größten Paket seiner Art in der Geschichte der Bundesrepublik sollen auch private und öffentliche Investitionen angeschoben, die technologische Modernisierung und der Klimaschutz befördert werden. Kritisch lässt sich das DIW-Berlin auf das Paket ein (s.u. und Titel). Verbrenner werden nicht gefördert – wohl aber Hybride.

Bundeskanzleramt und Bewässerung - Foto © Gerhard Hofmann für Solarify

Bundeskanzleramt und Bewässerung – Foto © Gerhard Hofmann für Solarify

Mit 130 Milliarden Euro in 57 Einzelmaßnahmen auf 12 Seiten sei den „Spitzen der großen Koalition ist ein echter Überraschungscoup gelungen“, schreiben Georg Ismar, Albert Funk und Robert Birnbaum im Tagesspiegel und TS Background. Allein 20 Milliarden kostet die von Union und SPD geplante Stärkung der Binnennachfrage durch Senkung der Mehrwertsteuer von 19% auf 16% und für den ermäßigten Satz von 7% auf 5% befristet vom 01.07. bis 31.12.2020. Dazu soll die EEG-Umlage so gesenkt werden, dass die Strompreise wettbewerbsfähig bleiben (mit 11 Milliarden Euro ). Und die SPD konnte einen Kinderbonus von 300 Euro je Kind durchsetzen – der auch nicht auf die Grundsicherung angerechnet werden soll.

Ismar weiter: „’Wir wollen mit Wumms aus der Krise kommen‘, meint Finanzminister Olaf Scholz (SPD). Als Bayerns Ministerpräsident und CSU-Chef Markus Söder viele Punkte als Erfolg der Union reklamiert – vor allem die Mehrwertsteuersenkung (‚Eine der größten Steuersenkungen der letzten Jahrzehnte‘) – kontert SPD-Fraktionschef Rolf Mützenich, es gehe hier jetzt nicht um Gewinner oder Verlierer, sondern es gebe nur Gewinner: ‚Die Menschen, die Familien, die Beschäftigten.‘ Söder wollte eigentlich nicht mehr als 100 Milliarden Euro ausgeben und er bekam auch keine Kaufprämie für Diesel oder Benziner, er sieht aber durch die für ein halbes Jahr gesenkte Mehrwertsteuer insgesamt einen großen Schub für Konsumanreize. ‚Wir versuchen mit diesem Paket ein Stück weit Optimismus zu vermitteln.’“

Nach Söders Meinung hätte die Autoindustrie nicht unbedacht bleiben dürfen. Er hatte stets eine großzügige Unterstützung der Autoindustrie gefordert, Beobachtern zufolge ging es ihm dabei vor allem um BMW und Audi. “Es kann nicht sein, dass Frankreich acht Milliarden Euro für die Automobilindustrie ausgibt, wir neun Milliarden für die Lufthansa – allerdings nichts für das Herzstück unserer Wirtschaft”, hatte Söder der “Welt am Sonntag” gesagt. Das Land brauche ein umfassendes Konjunkturpaket. Ziel müsse es sein, die Binnennachfrage zu stärken. Er hatte sich in diesem Zusammenhang für Steuererleichterungen für Unternehmen sowie für die Abschaffung des Solidaritätszuschlags ausgesprochen – “das wäre die größte Steuersenkung seit mehr als 30 Jahren”.

Allein in Deutschland überschreiten die geplanten Hilfen und Garantien die Billionengrenze. Doch sind sie auch wirksam? Dieser Frage, die gerade vor dem Hintergrund des von der EU vorgeschlagenen Wiederaufbaufonds noch mal an Relevanz gewinnt, sind vier Ökonominnen und Ökonomen des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW Berlin) in einer aktuellen Studie nachgegangen. Zwar lassen sich die langfristigen Effekte auf die Realwirtschaft zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht quantifizieren, doch lässt sich bereits jetzt ablesen, dass die Ankündigungen an den Finanzmärkten im Schnitt kurzfristig nur geringfügig stabilisierend gewirkt haben.

„Kein Konjunkturpaket mit Klimakillern: 2.000 Menschen bildeten Kette vom VDA bis Kanzleramt“/strong>

2.000 Menschen hatten am 02.06.2020 in Berlin auf der 2.100 Meter langen Strecke vom Verband der Automobilindustrie in der Behrenstraße bis zum Kanzleramt – wo zur gleichen Zeit der Koalitionsausschuss das Konjunkturpaket beriet – auf beiden Straßenseiten Protest-Ketten gebildet. Sie demonstrierten um ihrer Befürchtung Ausdruck zu verleihen, dass in das Corona-Konjunkturpaket auch Kaufprämien für Autos mit Verbrennungsmotoren und große SUVs aufgenommen werden sollten. Ihre Forderung: „Abstand halten zur Autolobby – Vorfahrt für’s Klima“.

Die Protestierenden trugen Masken und hielten die Abstände mit Hilfe von zwei Meter langen Spruchbändern ein. Zu der Aktion hatten Campact, Fridays for Future, BUND, BUND-Jugend, Greenpeace, VCD, Attac,  Linke und Changing Cities aufgerufen. Die Entscheidung über eine Prämie für Autokäufer fiel dann im Koalitionsausschuss anders als erwartet und vor allem von Ober-Bayer Söder gefordert. Der ursprünglich geplante Autogipfel war nach viel Gegenwind von Verbänden, Experten und aus der Bevölkerung abgesagt worden. Statt einer reinen Kaufprämie für Autos fordern viele ähnlich dem VCD eine Prämie für umweltfreundliche Mobilität mit Bus, Bahn und Fahrrad – oder eben Elektro-Autos.

Der ökologische Verkehrsclub VCD begrüßt den Verzicht auf eine neue Abwrackprämie für Verbrenner. Nach langen Debatten über Kaufhilfen für Neuwagen ist dies aus Sicht des VCD eine wichtige und richtige Entscheidung. VCD-Bundesvorsitzende Kerstin Haarmann: „Wir freuen uns, dass unsere Proteste gegen eine Kaufprämie für Verbrenner gehört wurden. Nicht nur die Umweltbewegung, auch große Teile der Bevölkerung hatten sich dagegen ausgesprochen. Schade nur, dass die Idee einer Mobilitätsprämie für Bus, Bahn und Fahrrad nicht umgesetzt wurde, das hätte die Verkehrswende richtig vorangebracht.“

reenpeace-Aktive demonstrierten am Reichstagsgebäude gegen klimaschädliches Konjunkturpaket: “Kein Geld für Gestern!” – Hilfen müssen ökologische Modernisierung befördern

Vor den Verhandlungen protestierten Aktivisten von Greenpeace in den frühen Morgenstunden des 03.06.2020 für ein ökologisches Konjunkturprogramm. “Kein Geld für Gestern!” projizierten sie in metergroßen Lettern auf die Fassade des Reichstagsgebäudes und appellierten an die Bundesregierung, den Klimaschutz ins Zentrum der geplanten Corona-Hilfen zu stellen. “Die Bundesregierung muss die Chance nutzen, die Wirtschaft mit diesem Konjunkturpaket in eine klimaschonende und damit sichere Zukunft zu steuern”, sagt Greenpeace-Sprecherin Sonka Terfehr. “Kein Euro an Konjunkturhilfen darf in alte, klimaschädliche Geschäftsmodelle fließen.”

Besonders umstritten waren bei den Gesprächen über das Konjunkturpaket Prämien für den Kauf von klimaschädlichen Neuwagen. Die Unionsminister Andreas Scheuer (Verkehr) und Peter Altmaier (Wirtschaft) schlugen Medienberichten zufolge Kaufprämien für Autos ab der Effizienzklasse B vor. Damit würde auch etwa ein SUV wie der Audi Q7 45 TDI Quattro (223 Gramm CO2 pro Kilometer) mit Steuergeld gefördert werden. Die Vorschläge von Verkehrsminister Scheuer sehen zudem hohe Förderbeträge für den Bau weiterer Straßen und synthetischer Kraftstoffe vor.

 SPD-Chef Norbert Walter-Borjans lehnte gemeinsam mit Saskia Eskens verkaufsfördernde Maßnahmen für Verbrennungsmotoren ab. Er stellte klar, dass die SPD der Automobilindustrie in der Tat helfen wolle. Allerdings müsse man das richtig tun – „indem wir nicht falsche Weichen stellen, sondern dass in diesem Sektor auch in die Zukunft hinein geplant wird“. Das CDU-geführte Wirtschaftsministerium hingegen hatte durchaus auch Kaufprämien für Diesel und Benziner geplant – gestaffelt nach dem Schadstoffausstoß. Altmaier Ressort hatte vor, bis Jahresende fünf Milliarden Euro aufzuwenden, um Konsumenten den Kauf eines Neuwagens schmackhaft zu machen.

BUND: „Konjunkturpaket muss Wirtschaft sozial-ökologisch ausrichten – Keine Strohfeuer wie Autokaufprämie“

Bund-Vorsitzender Olaf Bandt: „Das Konjunkturpaket bietet die Möglichkeit zum Gestalten einer zukunftsfähigen sozial-ökologischen Wirtschaft. Gemeinsam mit dem Paritätischen Wohlfahrtsverband – Gesamtverband haben wir gezeigt, wie ein konkreter Investitions- und Maßnahmenplan aussieht. So ein Paket muss dazu beitragen, die Gesellschaft gerechter, gesünder, ökologischer und widerstandsfähiger gegen Krisen zu machen. Wir werden die Bundesregierung daran messen. Wenn die Bundesregierung ökonomische Strohfeuer wie eine Kaufprämie für private Pkw auf den Weg bringt, dann sorgt sie mittelbar dafür, dass die Klimakrise sich weiter zuspitzt. Eine Kaufprämie für Verbrenner der Effizienzklasse B zu gewähren, wie von Wirtschaftsminister Peter Altmaier geplant, ist ein Kniefall vor der Autolobby. Das aktuelle Effizienzlabel ist durch den eingebauten Gewichtsbezug ohne jede Aussagekraft.“

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