Fraunhofer identifiziert Kernpunkte für Aufbau einer nachhaltigen H2-Wirtschaft
„Wasserstofftechnologien nehmen eine Schlüsselposition bei der Transformation der Industrie in Richtung einer nachhaltigen Wertschöpfung ein“, erklärt Prof. Reimund Neugebauer, Präsident der Fraunhofer-Gesellschaft. „Als Land der Ingenieure und des Anlagebaus kann sich Deutschland eine weltweite Spitzenposition sichern – sofern wir jetzt zügig die richtigen Weichen stellen und die Voraussetzungen schaffen, die Wasserstoffwirtschaft zielgerichtet zu realisieren“.
Neben der Bedeutung dieser Technologien für das Erreichen der Klimaziele stellten diese auch zentrale Elemente für die strategische Planung der Zukunftsfähigkeit des Industriestandorts Deutschland dar – auch und gerade im Hinblick auf die Post-Corona-Ertüchtigung der Wirtschaft, so Prof. Neugebauer weiter. „Um den Standort Deutschland langfristig zu stärken und alle verfügbaren Potenziale zu nutzen, ist es wichtig, einzelne Aktivitäten auf Bundesebene weiter zu bündeln und zu synchronisieren. In diesem Sinne sind nicht nur auf Länder-, sondern auch auf Bundesebene bereits zahlreiche Projekte zur Erforschung von Wasserstofftechnologien und deren Überführung in die Anwendung angelaufen. Diesen Schulterschluss gilt es auszubauen und zu intensivieren“.
Maßnahmen für die Realisierung einer nachhaltigen Wasserstoffwirtschaft
Fraunhofer arbeite seit langem an den wissenschaftlichen Grundlagen der Wasserstoffwirtschaft sowie an der Umsetzung konkreter Wasserstoff-Projekte. Darüber hinaus hätten die Fraunhofer-Experten verschiedene Themen in den Bereichen Regulierung und Marktentwicklung identifiziert, die für die Realisierung einer ökologisch und ökonomisch nachhaltigen Wasserstoffwirtschaft sowie eines internationalen Energie-Handelssystems auf Basis von Wasserstoff von besonderer Relevanz seien, heißt es weiter im Text der Presseinformation vom 02.06.2020.
Aktuelle Handlungsempfehlungen:
- Anpassung des regulatorischen Rahmens für Steuern, Abgaben und Umlagen auf Strom für Wasserelektrolyseure sowie zur Stärkung der Sektorenkopplung.
- Schaffung von langfristigen politischen Regelwerken für eine sichere Investi-tionsumgebung.
- Weitere Investitionen in Forschung und Entwicklung, um die Erzeugungskosten zu reduzieren, die Langlebigkeit der Produkte zu erhöhen, die Speicherung und die ökonomische Nutzung von Wasserstoff in der Industrie zu ermöglichen.
- Förderung von Demonstrations-Projekten zur Unterstützung des Markthochlaufs und zur Etablierung eines Heimatmarktes mit internationaler Ausstrahlung.
- Entwicklung von international harmonisierten und zertifizierten Standards für wasserstoffbasierte Energieträger und Chemikalien, insbesondere zur Sicherstellung der Klimaneutralität.
- Entwicklung von Energiepartnerschaften mit Ländern mit hohen Ausbaupotenzialen für erneuerbare Energien, um eine langfristig attraktive Investitionsumgebung zu schaffen.
- Systemanalyse zur Ableitung robuster Pfade bzgl. der Entwicklung der Nachfragezentren für Wasserstoff und die zu erwartenden Geschäftsmodelle in den Gesamtketten.
- Umfassende Analyse des Infrastrukturbedarfs bzgl. der Umstellung der Erdgas-Infrastrukturen und neuer Wasserstoff-Pipelines; Erstellung entsprechender Netzausbaupläne und grenzüberschreitender Aufbau der nötigen Infrastrukturen.
- Konsequenter Ausbau der Wasserstoff-Tankstelleninfrastruktur für den Individualverkehr, den Schwerlastverkehr sowie für den nicht-elektrifizierten Schienenverkehr.
Wasserstoffherstellung für steigenden Bedarf optimieren und ausbauen
Prof. Mario Ragwitz, Leiter der Fraunhofer-Einrichtung für Energieinfrastrukturen und Geothermie IEG und Sprecher des Fraunhofer-Wasserstoff-Netzwerks, erläutert: „Der Bedarf an Wasserstoff steigt in den nächsten Jahren aller Voraussicht nach zunächst allmählich an, doch die Technologien und Infrastrukturen dafür müssen bereits jetzt optimiert und ausgebaut werden. Bis Ende der 2020er-Jahre muss Deutschland in der Wasserelektrolyse bereits Zuwachsraten von mehreren Gigawatt pro Jahr erreichen. Nur so kann die Klimawende gelingen und Deutschland gleichzeitig seine wirtschaftliche Leistungsfähigkeit sichern sowie seine Stellung als Technologie-Exporteur wahren. Die Institute der Fraunhofer-Gesellschaft stehen hierbei sowohl der Wirtschaft als auch der Politik als kompetente Partner zur Seite. Zahlreiche Länder stehen in den Startlöchern, um die Wasserstoffwirtschaft anzukurbeln. Es ist an der Zeit, die entsprechenden Technologien in Deutschland zur Marktreife zu bringen“.
Prof. Christopher Hebling, Bereichsleiter Wasserstofftechnologien am Fraunhofer-Institut für Solare Energiesysteme ISE und ebenfalls Sprecher des Fraunhofer-Netzwerks Wasserstoff, ergänzt: „Das große Moment, das Wasserstoff gerade in Politik und Industrie erfährt, gilt es aufzugreifen und zu verstetigen. Wichtigstes Ziel des jetzigen nationalen Strategiedialogs ist die Einrichtung und langfristige Absicherung von Forschungs- und Investitionsmitteln zur Schaffung einer Planungssicherheit für die Forschungseinrichtungen, für private und institutionelle Investoren, aber insbesondere auch für die industriellen Marktteilnehmer“.
Wirtschaftliche Produktion von Brennstoffzellen
Neben der wirtschaftlichen Produktion von Elektrolyseuren müsse auch die Produktion von Brennstoffzellen Teil einer umfassenden Wasserstoffstrategie sein, um sich auch im Bereich der mobilen und stationären Nutzung von Wasserstoff eine führende Position im internationalen Wettbewerb zu sichern. Entsprechend müsse Deutschland die wirtschaftliche Produktion von Brennstoffzellen forcieren und so die beschleunigte Industrialisierung ermöglichen, raten die Fraunhofer-Experten.
Ein zielführendes innovationspolitisches Instrument, um die Herstellung von Brennstoffzellen hierzulande voranzutreiben, sei beispielsweise eine nationale Forschungsplattform Brennstoffzellen-Produktion, die vor allem drei Ziele verfolge:
- Deutliche Verbesserung des technologischen und wirtschaftlichen Potenzials von Brennstoffzellen.
- Realisierung der kostenoptimierten, skalierbaren, bedarfsorientierten Serienproduktion.
- Beschleunigung und Steigerung des strukturierten Rollouts in Industrie und Gesellschaft.
Um die wirtschaftliche Produktion von Brennstoffzellen zu verwirklichen, habe die Fraunhofer-Gesellschaft bereits ein konkretes Konzept entwickelt: In vier Fraunhofer-Clustern (Süd/West/Nord/Ost) werde eine ganzheitliche Forschungsinfrastruktur für die zielgerichtete Entwicklung von Produktions- und Prüfprozessen für Brennstoffzellen in Form von regionalen Technologiehubs geschaffen, um die entwickelten Lösungen schnell in die Industrie zu überführen, heißt es weiter. Für deutsche Produktionsunternehmen werde so ein wirksames Instrument von signifikanter Tragweite und wirtschaftlicher Bedeutung geschaffen, das die regionalen, nationalen und europäischen Wasserstoffinitiativen und -strategien produktionsseitig komplettiere und gleichzeitig die Exportleistung des deutschen Maschinenbaus nachhaltig stärken könne.
Aufgrund der technologischen Ähnlichkeiten könne zudem auch die Serienproduktion von Elektrolyseuren zur Erzeugung von grünem Wasserstoff in das Konzept integriert werden. Dadurch könnten die beiden Kernthemen der Fertigung von Produkten für Erzeugung und Verbrauch für eine zukünftige grüne Wasserstoffwirtschaft in eine gemeinsame, einander bedingende Forschungsplattform zusammengefasst werden.
Eine Wasserstoff-Roadmap für Deutschland:
Derzeit strebe die Bundesregierung an, eine Nationale Wasserstoffstrategie vorzulegen, in der die wesentlichen Eckpunkte für die Entwicklung einer Wasserstoffwirtschaft ausgearbeitet werden. Die Fraunhofer-Gesellschaft habe ihre eigenen wissenschaftlichen Positionen zur Wasserelektrolyse und Wasserstoffnutzung entwickelt und den an der Strategieentwicklung beteiligten Ministerien (BMBF, BMU, BMVI, BMWi, BMZ) sowie dem Kanzleramt zur Verfügung gestellt. Federführend bei der Erstellung der Wasserstoff-Roadmap seien das Fraunhofer-Institut für System- und Innovationsforschung ISI und das Fraunhofer-Institut für Solare Energiesysteme ISE, unter Beteiligung des Fraunhofer-Instituts für Mikrostruktur von Werkstoffen und Systemen IMWS und des Fraunhofer-Instituts für Keramische Technologien und Systeme IKTS gewesen.
->Quelle und weitere Informationen: