Lehren aus Corona gezogen
Während in Berlin NGOs wie Extinction Rebellion Fahrradfernfahrten für ihr Anliegen („Sagt die Wahrheit! – Handelt jetzt! – Politik neu leben!“) veranstalten, handelt Londons Stadtoberhaupt Sadiq Khan und „geht dabei weiter als vergleichbare Großstädte“, schrieb Peter Stäuber am 14.06.2020 in der Zeit: Um die Mobilität in der Stadt nachhaltig zu verändern, setzt er auf ein Mobilitätskonzept namens „active travel – Fortbewegung unter körperlicher Betätigung“.
Khan musste zur Kenntnis nehmen, dass die COVID-19-Krise das altüberkommene Modell des Londoner ÖPNV „Travel for London“ fast auf Null gebracht hatte. Social Distancing war mit der bisherigen Situation vor allem in den Rush Hours schlicht unmöglich: In die Doppeldecker durften maximal 20 Passagiere (bisher 80), die „Tube“ (Londoner U-Bahn) nutzten nur noch 400.000 pro Tag (statt vier Millionen).
„Unsere Welt steht Kopf“, sagte Alex Williams, TfL-Stadtplaner kürzlich in einer Online-Podiumsdiskussion des Thinktanks Centre for London. Anstatt den Leuten die Nutzung des öffentlichen Verkehrs schmackhaft zu machen, heißt es von der Transportbehörde jetzt: „Benutzt unser Transportnetzwerk nicht.“ Konsequenterweise versuchte die Stadt etwas Neues und legte ein ambitioniertes Programm namens „Streetspace for London“ auf. Der Platz für Autofahrer wird verringert und der für Radfahrer und Fußgänger vergrößert. Autofahrten werden also weniger attraktiv, Radeln und Zu-Fuß-Gehen einfacher und sicherer. Inzwischen sind bereits mehr als 15.000 Quadratmeter ehemalige Straßen entsprechend
Wichtige Innenstadt-Verkehrsachsen wie etwa die 2,5 Kilometer lange Strecke von Old Street nach Holborn, sollen für den Autoverkehr komplett gesperrt werden – die größte autofreie Zone in einer Hauptstadt weltweit. Zudem soll der Bau bereits geplanter Fahrradwege beschleuningt werden – vorerst temporäre Maßnahmen, aber laut TfL könnte ein Teil der Anpassungen dauerhaft sein.
Bürgermeister Khan stößt damit laut Zeit auf breite Zustimmung: Einer Umfrage zufolge begrüßen es 69 Prozent der Londoner, dass Gehsteige erweitert werden, und 64 Prozent finden es gut, dass zugunsten von Social Distancing zusätzliche Radwege eingerichtet werden.
So beschleunigt die Corona-Krise den umweltverträglichen Umbau des Londoner Verkehrssystems, in erster Linie über den Ausbau der Radwege. Schon kurz nach Beginn des Lockdowns ließ sich eine deutliche Verbesserung der Londoner Luftqualität feststellen. Allerdings: „Das letzte, was wir in einer Lungenkrankheits-Pandemie brauchen, ist eine Luftverschmutzungskrise„, sagt Will Norman, der Verantwortliche für Fuß- und Radverkehr bei der Londoner Stadtbehörde. Es gebe keine andere Option, als den umweltverträglichen Umbau des Verkehrssystems voranzutreiben.
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