„Zweifel ist unser Produkt“
Heute erkennt fast jeder Mensch an, dass Zigaretten und Lungenkrebs direkt korrelieren. Und hoffentlich wird eines heißen Tages jeder unterschreiben, dass der Klimawandel eine existenzielle Bedrohung und Klimaschutz somit eine zentrale Aufgabe der Menschheit ist. Aber auch das jahrzehntelang sorglose Rauchen basierte auf einer erfolgreichen Lobby: Die inzwischen veröffentlichten Tobacco Papers brachten ans Licht, wie die Tabakindustrie die öffentliche Meinung bewusst manipuliert hat. Der Marketingchef der Tabakindustrie sagte in einem dokumentierten Meeting: „Doubt is our product“ – „der Zweifel ist unser Produkt“. Und weiter: Da die Tabakindustrie „leider“ keine Beweise dafür habe, dass Rauchen gut für die Gesundheit sei, müsse sie eine Kontroverse starten und Unsicherheit schüren. Diese Szene stammt aus dem Jahre 1969 – aber die gleiche Strategie nutzen heute auch Klimawandel-Leugner und Klimaschutz-Bremser: Zweifel schüren, wo eigentlich wissenschaftlicher Konsens herrscht. Der Studienverband für die Tabakindustrie, der Council for Tobacco Research (CTR), fand in seinen 6400 bestellten oder betreuten Studien nicht einen einzigen Hinweis auf einen Zusammenhang zwischen Nikotin und Lungenkrebs. Nicht einen einzigen.
Rechte Stimmungsmacher, Klimawandel-Leugner sowie Thinktanks verbreiten Fake News und bauschen Unsicherheiten der Klimaforschung auf, um Wissenschaftler zu diskreditieren. Weil Regierungen weltweit die Wende verschleppten, haben es nun Populisten und Klimawandel-Leugner leicht, den Menschen Angst und Zweifel einzureden. Auch in den Reihen der alten Parteien – von liberal bis konservativ – sitzen immer noch Ausbremser der Energiewende. Viele von ihnen sagen ihre Meinung allerdings längst nicht so unverblümt in die Kamera wie Rechtsextreme. Aber hinter den Kulissen sägen sie am Klimakonsens – teils aus Überzeugung, teils im Dienste der fossilen Lobbyverbände, marktradikaler Überzeugungen oder parteihistorischer Traditionen.
Manchmal begegnete uns folgender Einwand, etwa von Mitarbeitern von Wissenschaftlern und Klimaexperten: Wir sollten diese Leute nicht großschreiben und lieber ignorieren, dann würde sich das schon erledigen. Wie wenig aussichtsreich diese Strategie ist, sieht man in den USA, Brasilien, aber auch in Polen und bis vor Kurzem noch in Österreich und Italien. Dort sind längst rechtspopulistische Präsidenten oder Parteien an der Macht. Sie treiben nicht nur eine nationalistische, fremdenfeindliche Politik voran, sondern halten Umwelt- und Klimaschutz für eine links-grüne Verschwörung und Einsparungen von Treibhausgasen für Steuerverschwendung. Klimaschutz ist ihnen vor allem deshalb suspekt, weil er zumindest am Anfang eher von links orientierten Menschen ausging, Menschen also, gegen die sie polemisieren. Und häufig ist es auch eine wirtschaftliche Ideologie, ein Glaube an den Vorrang der Industrie, der sie Maßnahmen gegen den Treibhauseffekt ablehnen lässt. Wir haben herausgefunden: Die Klima-Schmutz-Lobby besteht aus verschiedenen Netzwerken, deren Zusammenspiel verheerend ist. Sie zögern rasche und wegweisende politische Aktionen hinaus, verpulvern Milliarden an fossile Branchen, streuen Zweifel an Klimafakten und bereichern sich auf Kosten unserer Erde. Deshalb ist es nun an der Zeit, sie ins Licht der Öffentlichkeit zu ziehen und ihre Verbindungen aufzuzeigen. Wir wollen mit diesem Buch die fossilen Kräfte enttarnen. In diesem Buch beziehen wir uns einzig und allein auf wissenschaftliche Fakten und sichere Quellen. Wann immer die Quellenlage unklar ist, machen wir das kenntlich, denn es geht nicht darum, Menschen zu verleumden oder ihnen schräge Machenschaften zu unterstellen. Wir haben recherchiert, weil wir aufklären wollen. Deshalb schreiben wir nicht nur über die Klima-Schmutz-Lobby, wir haben mit deren Vertretern gesprochen. Wir haben Wissenschaftler interviewt und nachgefragt bei Energie- und Klimaexperten, Historikern, ehemaligen Ministeriumsmitarbeitern und amtierenden Politikern. Damit künftig nicht mehr die Klima-Schmutz-Lobby das Sagen hat, sondern aufgeklärte Bürger, Aktivisten und mutige Politiker.
->Folgt: Warum ein radikaler Umschwung in der Klimapolitik notwendig ist