Klimawandel führt nicht zwingend zur Auswanderung
„Die Klimakrise erhöht die Migration, darum braucht es Klimaschutz, sagen die einen. Die anderen fordern Abschottung. Dabei ist schon die Annahme dahinter falsch“, schreibt Andreas Sator in seiner Kolumne „alles gut? Weltverbessern für Anfänger“ im Wiener Standard am 26.07.2020. Dass durch den Klimawandel viele Menschen vor Dürren, Fluten und Unwettern ins Ausland fliehen, werde oft als gegeben angenommen. Er hinterfragt die gängigen Muster zum Thema.
Es gebe dafür „keine wissenschaftliche Basis. So könnte die Migration aus Afrika nach Europa durch den Klimawandel sogar sinken“, lautet seine überraschende These. Als häufigst zitierte Quelle hat Sator eine Studie des britischen Ökologen Norman Myers von 1995 ausgemacht. Weil damals aber die Datenlage noch sehr gewesen sei, habe Myers lediglich das Problem abtasten können, was später stark kritisiert worden sei. So habe Myers „einfach zusammengerechnet, wie viele Menschen vom steigenden Meeresspiegel oder der Ausbreitung von Wüsten betroffen wärend, und sie alle als Klimaflüchtlinge gezählt. Ergebnis: 200 Millionen bis 2050“. Heute gebe es viel bessere Untersuchungen: Der Weltklimarat IPC komme 2018 etwa zum Schluss: Ein Anstieg des Meeresspiegels bis 2100 um einen halben Meter könnte 72 Millionen zur Flucht bewegen_ bei zwei Metern seien es 187 Millionen. Doch Sator bremst: „Rechnet man aber mit ein, dass viel Zeit für Anpassung bleibt, um etwa Dämme wie in den Niederlanden zu bauen, dürften im extremeren Szenario nur etwa 0,5 Millionen Menschen verdrängt werden.“
So sei die Annahme, Umweltprobleme führten zwingend zur Auswanderung, zu vereinfachend. Dennoch schafften es die alarmierenden Aussagen über Massenmigration immer wieder in die Medien. Der Grund dafür ist laut Sator eine veraltete Annahme, die den Diskurs über Migration dominiere, „nämlich dass vor allem Not und Elend zu Migration führen. Dabei ist es so, schreibt der Migrationsexperte Hein de Haas, dass vor allem die Nachfrage nach Arbeitskräften und die ökonomische Entwicklung von Ländern Migration antreibt. Erst wenn Menschen in einem Land einen gewissen Wohlstand entwickeln, wird Migration zum Thema.“ So legten Studien nahe, dass der Klimawandel Migration sogar senken könne, indem er durch Trockenheit die Lebensgrundlage vieler armer Bauern weiter beschneide. Aber: „Es ist durchaus möglich, dass es der Klimawandel Menschen in afrikanischen Ländern schwerer macht, sich anzupassen. Und eine der wichtigsten Anpassungsstrategien wäre die Migration“, sagt Raya Muttarak vom österreichischen Forschungszentrum IIASA in Laxenburg. Sie habe in einer Studie statistisch untersucht, ob der Klimawandel zwischen 2006 und 2015 zu mehr Asylanträgen geführt habe. Das habe jedoch ausschließlich für die Länder des Arabischen Frühlings vor allem für 2010 bis 2012 nachgewiesen werden können.
Fest steht, so Sator, dass die massiven Probleme der Klimakrise Migrationsmuster verändern werden. Untersuchungen zufolge sei Migration für Menschen meist die letzte Antwort auf ein Problem. Auch wenn sie nicht migrieren, mache der Klimawandel das Leben schwerer. Wenn migriert werde, dann meist lokal, ins nächste Dorf oder die nächste Stadt, wenn das Klima die Landwirtschaft schwieriger macht. Sator: „Viele Studien zeigen, dass es vom Kontext abhängt, wie das Klima die Migration verändert. Eine unbefriedigende Antwort, nicht nur für Journalisten, auch für Wissenschaftler“…
->Quelle und vollständiger Text: derstandard.de/fuehrt-der-klimawandel-zu-massenmigration-von-einem-mythos