Weltweit erste Wissenschaftsinitiative widmet sich dem Überleben der Amazonasregion

Wirtschaftlichen Wert schaffen und gleichzeitig die Wälder erhalten

Der neue datengesteuerte Plan, der sich auf eine Überprüfung von Forschungsergebnissen aus den Bereichen Umweltwissenschaften, Wirtschaft und Technologie stützt, wird den Naturschutz mit einem Modell nachhaltiger Entwicklung verbinden, welches das Amazonasgebiet sowohl als lebenswichtiges, miteinander verbundenes Ökosystem als auch als notwendige Ressource für die darin lebenden Menschen anerkennt, so  Marielos Peña-Claros, bolivianische Autorin und Mitglied des wissenschaftlichen Lenkungsausschusses des SPA (Science Panel for the Amazon).

„Wir fangen erst jetzt an, die Bedeutung des Amazonas-Waldes für die Nahrung, die wir essen, das Wasser, das wir trinken, und das Leben, das wir führen, zu verstehen“, sagte Peña-Claros. „Zum Beispiel wird das Niederschlagsmuster Südamerikas weitgehend durch den Wasserkreislauf des Amazonas-Regenwaldes bestimmt. Das bedeutet, dass sich dessen Abholzung auch negativ auf die landwirtschaftliche Produktion des tausende Kilometer entfernten Uruguay oder Paraguay auswirkt“, so Peña-Claros.

Peña-Claros und ihre Forscherkolleginnen und -kollegen erkennen an, dass Landwirtschaft, Industrie und Regierungen auf die Waldressourcen angewiesen sind, um die Wirtschaft aufrechtzuerhalten und Wohlstand und Wohlergehen aufzubauen. Sie sind der Meinung, dass bei sorgfältiger Überwachung und Bewirtschaftung die Entwicklung im Amazonasgebiet nicht Ausbeutung bedeuten muss, eine Perspektive, die José Gregorio Díaz Mirabal, Vorsitzender der COICA (Coordinadora de las Organizaciones Indígenas de la Cuenca Amazónica) mit Nachdruck in seine Rolle einbringen wird.

„Wir müssen das Amazonasgebiet und die Zukunft der Menschheit durch eine Wirtschaft retten, welche die Lebenszyklen der Natur respektiert und die Rechte der Natur und der indigenen Völker anerkennt“, sagte Díaz Mirabal. „Wir streben eine Wirtschaft an, die das Leben als Ganzes sieht und nicht nur nach seinem Geldwert, und das bedeutet, dass der Erfolg auf der tiefen Einbindung der indigenen Völker und der Anerkennung unserer Rechte auf unsere angestammten Gebiete beruhen wird. „Wir verfügen über tausende von Jahren Wissen über das Amazonasgebiet und seine biologische Vielfalt, das wir bereit sind zu teilen, solange dieses Wissen nicht zum Nutzen einiger weniger kommerzialisiert oder patentiert wird, und zwar in einer Weise, welche die indigenen Völker von jeglichem Nutzen ausschließt“, fügte er hinzu.

„Im Rahmen dieser Initiative wollen wir der Welt zeigen, dass das Amazonasgebiet mehr ist als ein Wald und das Kohlendioxid, das er speichert; sein Fortbestand ist für die Menschheit und für den Fortbestand des Lebens, wie wir es kennen, von wesentlicher Bedeutung. Ohne sofortige Maßnahmen, um die Abholzung zu stoppen und die verlorenen Bäume zu ersetzen, könnte die Hälfte des gesamten Amazonas-Regenwaldes innerhalb von 15 bis 30 Jahren zu Savanne werden“, sagte Nobre. „Die Tropenwälder des Amazonasgebiets erzeugen 20%-30% des eigenen Niederschlags, so dass ihre Erhaltung für die regionalen Wettersysteme und die Nahrungsmittelproduktion ebenso wichtig ist wie für die Stabilisierung des globalen Klimas. Die Entwaldung liegt jetzt bei 17%“, sagte Nobre, „aber wenn sie 25% übersteigt, werden wir den Wendepunkt überschreiten“.

Das Tempo der Entwaldung im Amazonasgebiet, gekoppelt mit den verheerenden Waldbränden des letzten Jahres, die etwa 5.400 Quadratmeilen des Amazonasgebiets verwüsteten, hat den größten Regenwald der Welt nahe an einen unumkehrbaren Moment gebracht, eine Bedrohung, die Wissenschaftler dazu veranlasste, im letzten Jahr einen Brief mit dem Titel „The Scientific Framework to Save the Amazon“ zu unterzeichnen. „Wir Wissenschaftler des Amazonasgebiets, die wir das Amazonasgebiet untersuchen, sind zusammengekommen, um unser Wissen und unsere Erfahrung in eine wissenschaftliche Bewertung des Zustands der verschiedenen Ökosysteme, der Landnutzung und der klimatischen Veränderungen des Amazonasgebiets und ihrer Auswirkungen auf die Region einzubringen. „Mit Hilfe der besten Wissenschaft und fortschrittlichen Technologien können wir den Regenwald retten, die Ökosysteme Amazoniens und seine indigenen und nach alten Traditionen lebenden Völker schützen und dennoch nachhaltige wirtschaftliche Aktivitäten für eine innovative Bio-Wirtschaft nutzen“, sagten sie.

Umfassendste und rigoroseste wissenschaftliche Bewertung der Geschichte

 

In Übereinstimmung mit dem von den nationalen Regierungen im Amazonasgebiet verabschiedeten Leticia-Pakt, der die Bedeutung von Forschung, Technologie und Wissensmanagement bei der Entscheidungsfindung in der Region hervorhebt, hat das Wissenschaftspanel für das Amazonasgebiet das Ziel, die umfassendste und rigoroseste wissenschaftliche Bewertung in der Geschichte über die vielfältigen Ökosysteme des Amazonasgebiets, die Landnutzung und die Klimaveränderungen sowie die Auswirkungen auf die Zukunft zu liefern.

Mit der Unterstützung seines Strategischen Ausschusses wird das Wissenschaftsgremium eine Kampagne auf der Grundlage seiner Ergebnisse starten. Die dringende Notwendigkeit, die Natur zu schützen, wird immer deutlicher, auch für diejenigen, die für ein Wirtschaftsmodell verantwortlich sind, das die natürliche Welt in Gefahr gebracht hat. Das Weltwirtschaftsforum schätzte kürzlich den Wert intakter Ökosysteme für die Weltwirtschaft auf 33 Billionen US-Dollar, wobei es auch feststellte, dass 80 Prozent der weltweit verbliebenen biologischen Vielfalt von indigenen Völkern geschützt werden.

„Wir Wissenschaftler werden unser Bestes tun, aber es wird nicht ausreichen“, sagte Nobre. „Unsere Arbeit darf nicht nur dazu dienen, ein Kästchen auf der globalen Klima- und Biodiversitätsagenda anzukreuzen. Das Überleben des Planeten selbst steht auf dem Spiel, und alle – Regierungen, Organisationen, der Privatsektor und die indigenen Völker und ihre Mitbürger – müssen sich für die Erhaltung und nachhaltige Entwicklung des Amazonasgebietes einsetzen.

Anm. d. Red.: Am 03. 09.2020 wird das Wissenschaftspanel für das Amazonasgebiet ein wissenschaftliches Webinar veranstalten, in dem die Hauptthemen des Berichts vorgestellt werden, und zwar zum Status des Amazonasgebietes, einschließlich des Versprechens der Biodiversität und des indigenen Wissens für die Schaffung einer Bioökonomie. Für eine Einladung können Journalisten an folgende Adresse schreiben: jessica.tome@unsdsn.org.

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