Anthropogener CO2-Anstieg einzigartig

Sechsmal größer und fast zehnmal schneller als frühere Sprünge

Auch in früheren Warmzeiten gab es sprunghafte Erhöhungen der CO2-Konzentration in der Atmosphäre. Der heutige, vom Menschen verursachte CO2-Anstieg ist allerdings mehr als sechsmal größer und fast zehnmal schneller als die damaligen Sprünge. Zu diesem Schluss kommt ein europäisches Forschungsteam unter der Leitung der Universität Bern – so eine Medienmitteilung. Eine dort entwickelte neue Messtechnologie ermöglicht einen ungeahnt detaillierten Einblick in die Klimavergangenheit.

Anthropogener CO2-Anstieg einzigartig – Foto © Gerhard Hofmann für Solarify

Dank hochauflösender Messungen konnten die vergangenen CO2-Konzentrationen in der Atmosphäre mit Hilfe von Eisbohrkernen aus der Antarktis so genau rekonstruiert werden wie nie zuvor. Entscheidend für die beispiellosen Einblicke in die atmosphärische Zusammensetzung vor rund 330.000 bis 450.000 Jahren war nicht zuletzt die jahrzehntelange Erfahrung der Berner Forschenden mit der Analyse dieses einzigartigen Klimaarchivs. Die Ergebnisse der Studie wurden im Journal Science publiziert.

Abschmelzende Eismassen störten die Ozeanzirkulation

Aufschlussreich erwies sich die detaillierte Rekonstruktion des vergangenen Klimas der acht Eis- und Warmzeiten, die während den vergangenen 800.000 Jahren aufeinander folgten. Dass die CO2-Konzentration in der Atmosphäre während dieser Zeitspanne durchgehend deutlich tiefer lag als heute, konnten die Berner Eiskernspezialisten schon 2008 aufzeigen. Doch bisher war nicht klar, wie hoch die maximale Geschwindigkeit von natürlichen CO2-Anstiegen sein kann und wie häufig solche Ereignisse überhaupt vorkommen. Die aktuelle Berner Studie zeigt nun, dass schnelle CO2-Anstiege ein weit verbreitetes Merkmal unseres Klimasystems sind – und dass diese sogar während Warmzeiten stattfinden können. „Bisher hatte man angenommen, dass das Klima während natürlichen Warmzeiten sehr stabil ist und es zu keinen schnellen CO2-Änderungen in der Atmosphäre kam“, erklärt Christoph Nehrbass-Ahles, an der Universität Bern promovierter Erstautor der Studie, der seit kurzem an der Universität Cambridge forscht. Die sprunghaften Anstiege, so Nehrbass-Ahles, zeigten sich immer dann, wenn schmelzende Eismassen in Grönland oder der Antarktis die Ozeanzirkulation erheblich störten. Schnellte das CO2 in der Atmosphäre in die Höhe, ließen sich auch gleichzeitige Änderungen in der Zirkulation des Atlantiks feststellen.

CO2-Anstieg verlief zehnmal langsamer als heute

Dass sich schnelle CO2-Sprünge nicht nur während den Eiszeiten, sondern auch während zweier vergangener Warmzeiten nachweisen ließen, überraschte die Forschenden. „Wir haben diese Ereignisse im Eis mehrmals nachgemessen und sind immer zum gleichen Schluss gekommen“, erklärt Nehrbass-Ahles. Warum die CO2-Konzentration in der Atmosphäre in vergangen Warmzeiten sprunghaft hochgeschnellt ist, können die Forschenden nicht schlüssig sagen. „Wir wissen noch nicht, aus welchen Gründen dies geschah“, erklärt der Berner Klimaforscher Thomas Stocker, Mitautor der Studie: „Hier stellen sich neue Forschungsfragen.“

Die CO2-Sprünge der vergangenen Warmzeiten werden von der aktuellen Entwicklung jedoch weit übertroffen: „Diese natürlichen Sprünge der CO2-Konzentration der Atmosphäre geschahen fast zehnmal langsamer als der menschengemachte Anstieg über das letzte Jahrzehnt“, betont Nehrbass-Ahles.

Damaliger Sprung entspricht gegenwärtigem CO2-Ausstoß von sechs Jahren

Interessant ist auch, wie groß die rekonstruierten Erhöhungen im Vergleich mit dem aktuellen, menschengemachten Anstieg der CO2-Konzentration waren. Der größte Anstieg in der Vergangenheit, so Stocker, habe rund 15 ppm betragen. Das entspreche etwa dem Anstieg, den die Menschheit gegenwärtig im Zeitraum von sechs Jahren verursache. „Das mag auf den ersten Blick als nicht sehr bedeutend erscheinen“, sagt Stocker, „mit Blick auf die Mengen von CO2, die wir noch ausstoßen dürfen, um das in Paris beschlossene 1,5 Grad-Klimaziel nicht zu verlieren, sind solche Erhöhungen aber durchaus relevant.“ Denn Tatsache ist: Ein durch die Klimaerwärmung ausgelöster zusätzlicher Anstieg des Treibhausgases CO2, wie er in der Vergangenheit auftrat, könnte die Menschheit beim Klimaschutz noch stärker unter Zugzwang bringen.

Oeschger-Zentrum für Klimaforschung

Das Oeschger-Zentrum für Klimaforschung (OCCR) ist eines der strategischen Zentren der Universität Bern. Es bringt Forscherinnen und Forscher aus 14 Instituten und vier Fakultäten zusammen. Das OCCR forscht interdisziplinär an vorderster Front der Klimawissenschaften. Das Oeschger-Zentrum wurde 2007 gegründet und trägt den Namen von Hans Oeschger (1927-1998), einem Pionier der modernen Klimaforschung, der in Bern tätig war.

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