Oberhalb des Erdgasspeichers unter dem Grunewald
Seit 2017 wird ein riesiger Erdgasspeicher unter dem Berliner Grunewald stillgelegt. Für die Forscher um Arbeitsgruppenleiter Guido Blöcher vom Deutschen GeoForschungsZentrum GFZ in Potsdam und für seine Projektpartner von der Berliner Erdgasspeicher GmbH (BES) – so eine Medienmitteilung auf der GFZ-Seite vom – bietet dieser Rückbau einer Anlage aus dem fossilen Zeitalter eine einmalige Gelegenheit, eine nachhaltige, regionale Energiequelle zu erkunden: Sie wollen wissen, ob sich die 500 Meter über dem Erdgasspeicher liegende Schicht aus Muschelkalk eignen könnte, um Erdwärme zur Versorgung von Gebäuden zu nutzen. Und das nicht nur in der Metropole, sondern vielleicht auch im boomenden und ebenfalls energiehungrigen Umland.
Der Erdgasspeicher hatte in den Poren einer 1015 bis 1045 Meter tief liegenden Sandsteinschicht Erdgas zwischengelagert, um den schwankenden Bedarf der Stadt zu decken. Die Anlage, rund drei mal vier Kilometer groß westlich des Olympiastadions gelegen, war 1992 in Betrieb gegangen. Zehn Jahre zuvor hatte der alliierte Kontrollrat die Einrichtung des Speichers beschlossen, um die Gasversorgung West-Berlins zu sichern. Die Berliner Erdgasspeicher GmbH (BES) hat den Betrieb des Berliner Erdgasspeichers und somit die Vermarktung von Speicherkapazitäten zum 01.04.2017 eingestellt. Berlin verfügt über wenig selbst produzierte erneuerbare Energie. Anders als in Flächenstaaten wie Brandenburg oder Schleswig-Holstein kann in dem dicht bebauten urbanen Raum Berlins kaum Solar- oder Windenergie produziert werden. Hier kann mitteltiefe oder tiefe Geothermie einen Beitrag für den Wärmemarkt leisten. Die BES untersucht zurzeit, wie mit den vorhandenen Bohrungen Wärme aus dem Berliner Untergrund gewonnen und in Nahwärmekonzepten vermarktet werden kann.
Dabei interessieren die Forscher sich vor allem für zwei Schichten im Muschelkalk, die jeweils aus 15 Meter dicken Lagen aus Schaumkalk mit sehr vielen Poren bestehen. Dieses Gestein ähnelt tatsächlich einem sehr harten Schaum, der vor Urzeiten entstand, als sich am Grund eines flachen Meeres um kleine Sandkörner oder um Reste von Muschelschalen langsam eine Kalkhülle bildete. In den Poren dieses Schaumkalks steckt reichlich Wasser fest, das normalerweise nur entlang von Klüften fließen kann, die sich im Gestein bilden. Weil der Muschelkalk und auch das darin eingeschlossene Wasser unter dem Berliner Grunewald in einer Tiefe zwischen 500 und 550 Metern ungefähr 32 Grad warm sein sollte, könnte man die darin steckende Energie als Erdwärme nutzen. Und man könnte in diesem Schaumkalk auch im Sommer überflüssige Wärme für den Winter speichern.
Wie gut sich eine solche Gesteinsschicht in der Tiefe nutzen lässt, hängt ganz entscheidend davon ab, wie viel Wasser im Karbonat-Gestein des Schaumkalks steckt und welche Mengen durch die dort unten natürlich entstandenen Klüfte strömen können. „Um das herauszubekommen, müsste man normalerweise eine Bohrung bis in den Schaumkalk vorantreiben“, erklärt Guido Blöcher. Das ist aber ein teures Unterfangen.
Viel preiswerter ist es dagegen, die ja bereits für die Erdgasspeicher angelegten Bohrungen zu nutzen. Genau das machen jetzt die GFZ-Forscher. Durch diese Bohrungen holen sie zunächst einmal Wasserproben aus dem Muschelkalk der Tiefe an die Oberfläche. Die Hydrochemikerin Simona Regenspurg untersucht mit ihrer Arbeitsgruppe die dort enthaltenen Stoffe, um zu erkunden, woher das Wasser kommt und wie man es nutzen könnte: „Welche Mengen an Salz und anderen Stoffen sind im Wasser gelöst?“, fragt die GFZ-Forscherin sich.
Für die Salze interessiert Simona Regenspurg sich, weil diese ausfallen und so die technischen Prozesse beim Nutzen der Erdwärme behindern könnten. Kennt man die Mengen und die Zusammensetzung dieser Salze, können die Ingenieure später auch besser Korrosion verhindern. Zusätzlich analysiert in einem neuen GFZ-Schwerpunkt zur Erforschung des Lebens in der Tiefe der Geomikrobiologe Jens Kallmeyer, welche Mikroorganismen im Wasser enthalten sind und wie deren Aktivitäten den Untergrund beeinflussen.
Um die Menge des Wassers abzuschätzen, das aus den Klüften im Schaumkalk fließt, planen die Forscher unterschiedliche Analysen. „Lifttest“ nennen sie ein wenig scherzhaft eine dieser Methoden, bei der Stickstoff in die Bohrung gepumpt wird. Dadurch schießt das Wasser nach oben und die Forscher können messen, wie viele Kubikmeter Wasser in einer Stunde aus der Bohrung kommen. Bei einer weiteren Methode drücken sie mit Stickstoff das in der Bohrung stehende Wasser rund hundert Meter nach unten. Über ein Ventil wird dann an der Oberfläche der eingepresste Stickstoff sehr schnell abgelassen und das Wasser steigt in der Bohrung wieder nach oben. „Aus diesem Wiederansteigen können wir berechnen, welche Wassermengen später in einer Stunde gefördert werden können“, erklärt Guido Blöcher. An Hand dieser Mengen kann die BES dann abschätzen, ob sich das Nutzen der Erdwärme dort rentiert.
Bis in die Tiefe von 550 Metern führen die Ingenieure und Techniker um den GFZ-Forscher Jan Henninges ein Messkabel in die Bohrung ein, dessen optische Fasern entlang der gesamten Länge der Bohrung gleichzeitig die Temperatur misst. Pressen sie später die 100 Kubikmeter an der Oberfläche abgekühlten Wassers aus dem Muschelkalk, das sie bei diesem Versuch fördern wollen, in die Bohrung zurück, um so den ursprünglichen Zustand wieder herzustellen, beobachten die Forscher diesen Temperaturverlauf genau. Bleibt das Bohrloch an einer Stelle längere Zeit kalt, ist dort offensichtlich Wasser in die Umgebung eingedrungen.
„Auf diese Weise können wir erkennen, wo sich durchlässige Gesteinsschichten entlang der Bohrung befinden“ erklärt Jan Henninges. Und schon präsentieren die Forscher der BES eine weitere wichtige Information für eine spätere Nutzung der Erdwärme über die alten Bohrungen für den Erdgasspeicher. Ihre im Grunewald erprobten Konzepte und die dort erzielten Ergebnisse wollen die GFZ-Forscher später auch auf das Berliner Umland übertragen, unter dem ebenfalls eine Muschelkalkschicht das Nutzen von Erdwärme ermöglichen könnte.
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