Rosskur bei Continental

Vergebliche Hoffnung auf Designer Fuels und Wasserstoff

„Die deutschen Automobilzulieferer stehen vor dem Abgrund“, titelte die Welt am 28.08.2020. Auslöser für die düstere Prophezeiung war eine Meldung des Autozulieferers und Reifenhersteller Continental aus Hannover. Weltweit sollen rund 30.000 Arbeitsplätze wegfallen – 10.000 mehr als zuvor angekündigt, so der NDR. Allein in Deutschland fielen rund 13.000 Stellen weg. Schuld an den neuen Zahlen seien die fortdauernd geringe Fahrzeugproduktion sowie die Verschärfung der Konjunkturkrise durch die Auswirkungen der Corona-Pandemie an.

Laut Manager-Magazin vom 01.09.2020 werden von 2023 an „laut jüngsten Planungen nun brutto mehr als eine Milliarde Euro an Einsparungen pro Jahr angepeilt“, habe der Dax-Konzern  mitgeteilt. „Die jährliche Zielgröße bis 2023 betrug bisher rund 500 Millionen Euro.“ Conti-Vorstandschef Elmar Degenhart hatte schon im Juni gewarnt, die Viruskrise könne die heikle Lage vieler Zulieferbetriebe weiter verschlimmern, wenn die Nachfrage nicht bald anziehe. Ein Grund für die Erweiterung des Sparprogramms sei die fortdauernd geringe weltweite Fahrzeugproduktion und Verschärfung der Konjunkturkrise. Dabei strebe er „einen Ausgleich mit den Interessen unserer Belegschaft“ an.

Geschichte: VW-Käfer-Motor – Foto © Solarify

Das Manager-Magazin weiter: Conti schreibe schon länger rote Zahlen und habe seinen Sparkurs mehrfach verschärft. „2019 türmte sich der Nettoverlust auf 1,2 Milliarden Euro, weil milliardenschwere Abschreibungen auf Firmenwerte und Restrukturierungen die Bilanz schmälerten. Schon vor Ausbruch der Pandemie hatte der Konzern angekündigt, wegen des Wechsels in die Elektromobilität, die Digitalisierung und automatisiertes Fahren dieses Geschäft zu stärken und die Produktion von Komponenten für Verbrenner binnen eines Jahrzehnts abzubauen. Im zweiten Quartal betrug der Netto-Fehlbetrag 741,1 Millionen Euro. Ein Jahr zuvor hatte es 484,8 Millionen Euro Gewinn gegeben.“

Die bei Conti vertretenen Gewerkschaften IG Metall und IG BCE kritisierten die Abbaupläne scharf als „verantwortungslos“: „Werke wie Zitronen ausquetschen und dann das Licht ausschalten, wenn die Marge nicht mehr stimmt, ist fantasielos“, sagte Christiane Benner, IG Metall-Vize und Conti-Aufsichtsratsmitglied, der Nachrichtenagentur Reuters. Sie kritisierte, dass an einigen Standorten bereits Gespräche über eine Perspektive begonnen hätten und der Vorstand aber trotzdem auf Stellenabbau setze. „Wir brauchen jetzt eine Führung, die Krise kann und keine Sonnenkönige.“ Unter dem Deckmantel der Corona-Krise solle offenbar „alles zusammengekehrt werden, was den Renditeansprüchen nicht mehr gerecht wird“, sagte Francesco Grioli, Mitglied des geschäftsführenden Hauptvorstands der IG BCE und des Conti-Aufsichtsrats.

Welt-Wirtschaftskorrespondent Philipp Vetter sieht es kritischer. „Die brutale Wahrheit lautet: Viele Standorte auch bei anderen Unternehmen quer durch die Republik stehen vor dem Aus. Für Tausende von Familien bedeutet das den Verlust von Einkommen und Sicherheit, wahrscheinlich der gesamten Lebensplanung. Es ist ein Desaster. Die Entwicklung erinnert an die gewaltigen Umbrüche bei Kohle und Stahl. Doch anders als bei diesen klassischen Industrien steckt hinter der Vollbremsung bei den Zulieferern eine fatale Fehleinschätzung. Der deutsche politisch-industrielle Komplex hat sich verzockt. In der Politik hoffte man, dass die EU-Klimaziele nicht so streng ausfallen würden. In der Industrie hoffte man, die Zeit überbrücken zu können, bis neben Elektromotoren vielleicht alternative Antriebe etwa mit Wasserstoff oder anderen Gasen aus Ökostrom benötigt würden. Beide Wetten gehen nicht auf.“

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