Geringere CO2-Bindung und schlechtere Ernten

GFZ: Folgen der Dürre in Europa

Das Netzwerk zur Beobachtung von Treibhausgasen ICOS (Integrated Carbon Observation System) zeigt, wie Natur und Ernte in Europa auf die extrem trockenen Bedingungen in den letzten drei Sommern 2018 bis 2020 reagiert haben. Die Ergebnisse, die jetzt im Fachjournal „Philosophical Transactions B“ veröffentlicht worden sind, zeigen, dass 2018 die Kohlenstoffsenken um 18 Prozent zurückgegangen sind und es die niedrigsten Ernteerträge seit Jahrzehnten gab. Die Fachleute erwarten, dass extrem heiße und trockene Sommer aufgrund des Klimawandels in Zukunft viel häufiger auftreten werden. Dies ist bereits jetzt sichtbar, denn der vergangene Sommer ist der dritte extrem heiße Sommer in Folge. Auch die von Dürreperioden betroffenen Anbauflächen werden wahrscheinlich erheblich zunehmen, wenn die Kohlendioxid-Werte weiter ansteigen.

Dürre in Deutschland, Juli 2018 – Foto © Solarify

Im Sommer 2018 war die bisher größte Fläche in Europa von extremer Trockenheit betroffen. In vielen Regionen Mitteleuropas und im Vereinigten Königreich wurden Temperaturrekorde gebrochen, in nordeuropäischen La?ndern kam es zu Bränden und viele Regionen verzeichneten Ernteausfa?lle. Insgesamt 17 Studienergebnisse, die am  in einer Sonderausgabe von Philosophical Transactions B veröffentlicht werden, zeigen, wie die Vegetation in Europa auf die Trockenheit reagiert, d. h. wie der Kohlenstoffaustausch zwischen Vegetation und Atmosphäre beeinflusst wird. Die Studien decken Gebiete von Spanien bis Schweden und Finnland, von der Tschechischen Republik über Deutschland, Frankreich und Belgien bis zu den Niederlanden und dem Vereinigten Königreich ab. Die Studien zu Trockenheit liefern entscheidendes Wissen, um die negativen Auswirkungen des Klimawandels zu minimieren.

Den vorgestellten Ergebnissen zufolge profitierten die Pflanzen zunächst von warmen und sonnigen Bedingungen im Frühjahr 2018, hatten dann aber nicht genügend Wasser für ihre Wurzeln zur Verfügung, als die sommerliche Hitzewelle einsetzte. Während der Dürre wurde das Grasland braun, was zu einem Mangel an Heu für das Vieh führte, und viele Feldfrüchte brachten die niedrigsten Erträge seit Jahrzehnten, was für eine Reihe von Industriezweigen finanzielle Verluste verursachte. „Mehrere Studien zeigen, dass die Trockenheit des Bodens die Pflanzen noch stärker beeinträchtigte als z.B. die hohe Temperatur und die Luftfeuchtigkeit“, erklärt Ana Bastos, Wissenschaftlerin am Max-Planck-Institut für Biogeochemie in Jena und eine der Hauptautorinnen des Themenhefts.

Viele der Studien ergaben, dass sich die Wälder auf europäischer Ebene durch eine Verringerung der Verdunstung und des Wachstums schützten, was zu einer verminderten Aufnahme von Kohlendioxid führte. Die Kohlenstoffsenken verringerten sich laut einer Studie, die 56 Standorte umfasste, im allgemeinen um 18 Prozent. Die trockenen Bedingungen machten sogar einige Ökosysteme von Senken zu Quellen.

Als bemerkenswerte Ausnahme schienen jedoch wiedervernässte Torfgebiete besser zu überleben. „Die vorübergehende Trockenheit führte zu einem beeindruckenden Zuwachs an neuer Vegetation an unserem wiedervernässten Torfstandort, der trotz erhöhter respiratorischer CO2-Verluste erstmals seit der Wiedervernässung zu einer CO2-Senke wurde“,erklärt Torsten Sachs, Wissenschaftler am Deutschen GeoForschungsZentrum GFZ, der an zwei der Studien in Zusammenarbeit mit Forschenden der Universität Rostock beteiligt war. „Darüber hinaus wurden im Jahr nach der Dürre die Methanemissionen deutlich reduziert, was auf eine dauerhafte Verlagerung hin zu mehr nicht-methanogenen Zersetzungswegen hindeutet.“ Das ist den Forschenden zufolge eine gute Nachricht, denn die Wiedervernässung von Torfgebieten ist eines der Mittel, die häufig zur Milderung der Folgen des Klimawandels eingesetzt werden. „Weitere Vorteile der Wiedervernässung von Torfmooren sind die Wasserrückhaltung in der Landschaft und regionale Kühleffekte durch Evapotranspiration“, fügt Pia Gottschalk, ebenfalls vom GFZ, hinzu. „Während die Evapotranspiration an den Torfstandorten deutlich zunahm, war der Anstieg der Jahresmitteltemperatur etwa zwanzig Prozent geringer als an den von der Dürre betroffenen Wald-, Kultur- und Grünlandstandorten.“

Weiterhin zeigen diese Studien, dass die Reaktion der Vegetation auf einen extrem heißen und trockenen Sommer deutlich von den Witterungsverha?ltnissen im vorangehenden Fru?hjahr und sogar Winter abha?ngt. In einigen Teilen Europas war der Winter 2018 feucht und fu?hrte somit zu einer hohen Bodenfeuchtigkeit, wa?hrend das sonnige Fru?hjahr bereits fru?h begann. Dies hatte zur Folge, dass die Vegetation u?berdurchschnittlich stark im Fru?hjahr gedieh und mehr Kohlenstoff als u?blich aus der Atmospha?re aufnahm. An einigen Orten reichte dieses Fru?hjahrswachstum aus, um die spa?ter im Sommer reduzierte Kohlenstoffaufnahme in der Jahresbilanz auszugleichen. „Es wu?rde helfen, ko?nnte die wissenschaftliche Gemeinschaft derartige Trockenzeiten und deren Auswirkungen einige Monate im Voraus prognostizieren. Wir ko?nnten uns so einfacher an die wechselnden Klimabedingungen anpassen“, sagt Professor Wouter Peters von der Universita?t Wageningen, Niederlande. Peters ist ebenfalls einer der Hauptautoren dieses Themenhefts.

Gemeinsame Forschungsbemu?hungen von u?ber 200 hochrangigen Forschenden

Die 17 Studien sind das Ergebnis der Forschungsarbeiten von u?ber 200 Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern innerhalb der ICOS-Forschungsinfrastruktur, an der viele europa?ische Spitzenuniversita?ten und Forschungsinstitute beteiligt sind. Die Forschenden, die an den Arbeiten beteiligt waren, haben sehr gut zusammengearbeitet und große Datenmengen zusammengetragen, betont Alex Vermeulen, Mitorganisator der Studie und Leiter des ICOS Carbon Portals. „Wir hatten einen offenen Datenaustausch wa?hrend des gesamten Prozesses, wodurch einzigartige Datensa?tze gesammelt werden konnten, die u?ber das ICOS Carbon Portal o?ffentlich zuga?nglich sind“ (Link). Die ersten Datensa?tze waren bereits sechs Monate nach Start der Initiative verfu?gbar.

Ermo?glicht wurde dies durch die existierende Infrastruktur und die ICOS-Daten, vom Netzwerk zur Beobachtung von Treibhausgasen, das in 140 Stationen europaweit die kontinuierliche Messung wichtiger Klimavera?nderungen vornimmt. U?ber die bereitgestellten hochwertigen Langzeitdaten ko?nnen wissenschaftliche Ergebnisse schneller als bei herko?mmlich durchgefu?hrten Studien erzielt werden.

„Die Mo?glichkeit, einzigartige Datensa?tze und Ergebnisse in so kurzer Zeit zu produzieren, zeigt, dass Forschungsinfrastrukturen wie ICOS leistungsstarke Werkzeuge fu?r hochwertige Forschung sind. Um uns an die wechselnden Klimabedingungen anzupassen, ko?nnen wir uns nicht auf jahrzehntealtes Wissen verlassen. Wir brauchen zeitnahe Informationen u?ber den Zustand der Erde“, sagt Philippe Ciais, Forschungsleiter des Laboratoire des Sciences du Climat et de l‘Environnement (LSCE, Labor fu?r Klima- und Umweltwissenschaften in Frankreich) und einer der Organisatoren und Herausgeber dieses Themenhefts.

„Diese Studien zur Trockenheit zeigen, dass die ICOS-Gemeinschaft in der Lage ist, interdisziplina?re Zusammenarbeit zu organisieren, unterschiedliche Datenreihen zusammenzustellen und neues Wissen voranzutreiben, um den Herausforderungen gerecht zu werden, die der Klimawandel uns allen abverlangt“, sagt Werner Kutsch, Generaldirektor von ICOS.

Vorstellung der Ergebnisse der Studien auf der ICOS-Wissenschaftskonferenz zwischen 14. und 17. September

ICOS organisiert vom 14. bis 17. September 2020 eine Online-Wissenschaftskonferenz. Viele der Ergebnisse werden von den Autorinnen und Autoren in der Konferenzsitzung 2 am Dienstag zwischen 14:00 bis 15:30 Uhr vorgestellt. Das ICOS-Konferenzprogramm ist auf der ICOS-Website verfu?gbar. Die Anmeldung erfolgt kostenlos. Sitzungen werden für Teilnehmende aufgezeichnet.

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