Klimaschnelltest – kurzfristige Bewertung der Kimawirkungen des Corona-Konjunkturpakets
Eine Bewertung der Klimawirkungen des Corona-Konjunkturpakets muss sich an den Klimaschutzzielen des Klimaschutzgesetzes orientieren und gleichzeitig die dabei auftreten-den ökonomischen und sozialpolitischen Effekte in die Abwägung einbeziehen. Entsprechend sollte die Bewertung anhand eines umfassenden Satzes an Bewertungsfeldern er-folgen, der ökonomische Anreize zur Emissionsreduktion, Innovationstätigkeit, Auswirkungen auf Wirtschafts- und Infrastruktur ebenso wie soziale Ausgewogenheit, aktive Trägerschaft, politische Teilhabe und gute Gesetzgebung umfasst. Im Folgenden kann nur eine erste (vorläufige) Bewertung des beschlossenen Konjunkturpakets anhand der nachfolgenden Kriterien vorgenommen werden; eine umfassende Bewertung wird in einem späteren Schritt erfolgen. Anhand der vorläufigen Bewertung werden erste tentative Forderungen und Vorschläge für eine Weiterentwicklung des Konjunkturpakets formuliert. Es ist ausdrücklich zu begrüßen, dass es trotz des notwendigen Zeitdrucks zur Verabschiedung des Maßnahmenpaketes gelungen ist, den Klimaschutz augenscheinlich als wichtige Zieldimension zu berücksichtigen. Insbesondere hervorzuheben sind eine Vielzahl an Maß-nahmen im „Zukunftspaket“ (z. B. Förderung wichtiger Infrastrukturen sowie Forschung und Entwicklung). Da die im Paket verankerten Anreize und Fördermaßnahmen langfristig wirken, ist allerdings eine größere Berücksichtigung im „Konjunktur- und Krisenbewältigungspaket“ notwendig, in dem Klima und Nachhaltigkeit nur ein punktuelles Kriterium darstellen. Auch die dringend erforderliche Überwindung einer sektoral verengten Denkweise gelingt nicht, wenn ökonomisch, sozialpolitisch und klimapolitisch ausgerichtete Maßnahmen getrennt angegangen werden. Inwieweit das Konjunkturpaket das Erreichen der Klimaschutzziele unterstützt, hängt auch entscheidend von den Erwartungen ab, die private und staatliche Akteure über zukünftige klimapolitische Rahmenbedingungen und damit in der Zukunft profitable Geschäftsmodelle bilden. Um eine Erwartungsbildung zu befördern, die langfristigen Investitionen in Klimaschutzmaßnahmen zuträglich ist, hätte das Konjunkturpaket auf seine Vereinbarkeit mit den deutschen und europäischen Klimaschutzzielen konsequent geprüft und bewertet werden müssen. Diesem Anspruch wird das vorliegende Konjunkturpaket allerdings nicht gerecht.
2.1 Anreize zur Emissionsreduktion setzen, Fehlanreize abbauen
Damit das Konjunkturpaket eine starke klimapolitische Wirkung entfalten kann, bedarf es Anreizen, die neben klimafreundlichem Handeln auch klimafreundliche Innovationen fördern und die Entwicklung klimafreundlicher Geschäftsmodelle vorantreiben. Nur so können kurzfristige Maßnahmen in langfristige Pfadänderungen münden.
Um klimafreundliches Handeln, Innovationen und Investitionen effizient anzureizen und resilient zu gestalten, müssen wirtschaftliche Akteure sowohl den Nutzen, als auch die Kosten ihres Handelns tragen. Dafür müssen insbesondere die Kosten des CO2-Austoßes, aber auch gesellschaftliche Mehrwerte beispielsweise aus technologischer Entwicklung internalisiert werden. Das Konjunkturpaket wird diesen Anforderungen allerdings nur teil-weise gerecht. Um dies zu erreichen, hätte das Konjunkturpaket – über rein konjunkturpolitische Aspekte hinaus – eine Anpassung der klimapolitischen Rahmenbedingungen fordern und fördern müssen. Dies betrifft insbesondere die Bereiche CO2-Bepreisung, Reform der Energiesteuern, -abgaben und -umlagen sowie klimaschädliche Subventionen.
Im EU Emissionshandelssystem (EU ETS) ist aufgrund des Nachfrageeinbruchs – verursacht durch den coronabedingten „lock-down“ – das Preisniveau zeitweise gefallen. Hinsichtlich der zukünftigen Preisentwicklungen verbleiben weiterhin erhebliche Unsicherheiten. Sie werden auch durch die Marktstabilitätsreserve (MSR) nicht beseitigt, die die Überschüsse auf dem Zertifikatsmarkt zwar vermindern soll, jedoch in ihrer Wirkung auf die Preise für Unternehmen und ihre Investitionsentscheidungen schwer zu durchschauen ist. Diese Unsicherheit hat zur Folge, dass Investitionen vor allem in die erneuerbaren Energien zurückgestellt werden und die billigen fossilen Kraftwerke länger in Betrieb bleiben. Diese Unsicherheiten ließen sich durch die Einführung eines Mindestpreises auf EU-Ebene erheblich vermindern. Die Bundesregierung sollte dieses Projekt während ihrer Ratspräsidentschaft energisch vorantreiben.
Der nationale Brennstoffemissions-Zertifikatehandel sollte als ein Leitinstrument der deutschen Klimapolitik gestärkt werden. Zwar soll – wie der sich derzeit im Gesetzgebungsverfahren befindende Entwurf der Bundesregierung vorschlägt – bis 2025 der CO2-Festpreis auf 55 Euro pro Tonne CO2 wachsen und im Jahr 2026 ein Preiskorridor von 55 und 65 Euro pro Tonne CO2 eingeführt werden. Nach 2026 bleibt für die Investoren die Preisentwicklung jedoch ungewiss. Die Festlegung eines Preiskorridors auch nach 2026, der sich an den Emissionsminderungsvorgaben der EU-Klimaschutzverordnung orientiert, könnte die Unsicherheit für Unternehmen vermindern und so vermehrt Anreize für klimafreundliche Investitionen setzen. Diese Anreize sind wichtig, weil durch das Konjunkturpaket hohe Volumina von Investitionen getätigt werden und rasch in die klimapolitisch gewünschte Richtung gelenkt werden sollten.
Fehlanreize werden aber auch durch das bestehende System der Steuern, Abgaben und Umlagen im Strom-, Wärme- und Verkehrssektor gesetzt. So wird Strom im Verhältnis zu seinen CO2-Emissionen nach wie vor deutlich stärker belastet als andere Energieträger, mit negativen Folgen für die Anreize zur Sektorkopplung. Da eine entsprechende Steuerreform auch konjunkturpolitischen Zielen zuträglich sein kann, wäre sie im Rahmen des Klimapakets möglich und wünschenswert gewesen. Die geplante Senkung der EEG-Umlage greift in diesem Zusammenhang zu kurz. Wünschenswert wäre eine verlässliche und dauerhafte EEG-Entlastung, die so gestaltet werden muss, dass eine Unionsrechtswidrigkeit (Art. 107 AEUV) vermieden wird. Eine solche EEG-Entlastung ist notwendig, um Anreize für langfristige Investitionen in die Sektorkopplung zu setzen. Auch weitere Maßnahmen wie die Reform der Kfz-Steuer anhand des CO2-Ausstoßes sind klimapolitisch grundsätzlich sinnvoll, eine finale Bewertung kann allerdings erst nach der genaueren Ausgestaltung der Reform erfolgen. Im Rahmen einer Reform der Steuern, Abgaben und Umlagen sollten auch klimaschädliche Subventionen(insbesondere durch Steuererleichterungen im Energie-und Verkehrssektor) auf einem klaren Pfad abgeschafft werden. Diese Thematik greift das Konjunkturprogramm nicht systematisch auf. Positiv ist allerdings zu bewerten, dass davon abgesehen wurde, durch Kaufprämien den Kauf von Pkw mit Verbrennungsmotoren zu subventionieren.
->Folgt: 2.2 Staatliche Förderung klimafreundlich ausgestalten, Unternehmensberichterstattung verbessern