2.5 Soziale Ausgewogenheit und aktive Trägerschaft sichern
Die Bewertung des Konjunkturpakets wird nicht nur von Experten vorgenommen, sondern letztlich auch von der breiten Öffentlichkeit. Hier stehen typischerweise andere Bewertungskriterien im Vordergrund. Deren Beachtung ist jedoch für die langfristige Wirksamkeit, gerade im Hinblick auf die oben genannte Erwartungssicherheit, ebenfalls wichtig. Besonders ist das Konjunkturprogramm daher auf die Fairness der Verteilungswirkung sowie die Repräsentanz und Partizipationsmöglichkeiten von Betroffenen-Gruppen (im Sinne einer Teilhabe an kollektiven Beschlüssen im Rahmen der Prozess-Legitimation) zu prüfen.
Eine faire Verteilungswirkung lässt sich auf unterschiedliche Weise als Kriterium übersetzen, wie etwa als gleich hohe Pro-Kopf-Belastung oder -Entlastung oder relativ im Verhältnis zu verschiedenen Inputmaßen (z. B. Steueraufkommen), als Anreiz für besondere Leistungen im Energiebereich oder im Verhältnis zur Bedürftigkeit. Weil hier jeweils sehr unterschiedliche Gruppen be- oder entlastet würden, kommt die Partizipationsmöglichkeit von im parlamentarischen Prozess unterrepräsentierten Gruppen in den Blick, besonders wenn diese unterrepräsentierten Gruppen eine spezifische Bedürftigkeit geltend machen können.
Durch die gezielte Förderung einer aktiven Trägerschaft klimafreundlicher Konjunkturmaßnahmen werden mehr gesellschaftliche Gruppen direkt in den Prozess einbezogen und können im psychologischen Sinne „Ownership“ über die Maßnahmen entwickeln. Dadurch wird die Resilienz der Gesellschaft gestärkt, sowohl im Hinblick auf wirtschaftliche Folgen der Pandemie und andere, zukünftig zu erwartende Belastungsproben, als auch im Hinblick auf die Folgen des Klimawandels. Insbesondere geht es hier um die Ermöglichung von Initiativen, die die jeweils lokale Wirtschaft stärken, Unternehmertum im Hinblick auf klimafreundliche Innovationen und Geschäftsmodelle befördern und finanzielle Beteiligungsmöglichkeiten für Kommunen und lokale Initiativen vorsehen.
Durch die Berücksichtigung dieser Bewertungskriterien wird im Ergebnis eine höhere politische Akzeptanz des klimafreundlichen Konjunkturprogramms in der Öffentlichkeit erreicht.
Das Konjunkturprogramm bietet an einigen Stellen bereits Anknüpfungspunkte, um Kommunen zu stärken, klimafreundliche Innovationen auch für lokales Unternehmertum zu fördern und auf Fairness der Verteilungswirkung zu achten. Gerade die Förderung einer aktiven Trägerschaft und die Stärkung von Partizipation und Repräsentanz müssten jedoch noch stärker verankert und durch entsprechende Konsultations- und Beteiligungsprozesse konkretisiert werden. Dies bedeutet auch, mit den Vertreterinnen und Vertretern der Zivilgesellschaft über die Klimawirkungen des Konjunkturpakets zu kommunizieren und sie an einer langfristigen Evaluierung und Monitoring (s. u.) zu beteiligen. Das Aktionsbündnis Klimaschutz könnte hier z. B. stärker einbezogen werden. Für eine darüber hinausgehende, genauere Bewertung des Programms und die Erarbeitung von Vorschlägen, wie aktive Trägerschaft in den einzelnen Eckpunkten verankert werden könnte, bedürfte es allerdings einer ausführlicheren Befassung.
2.6 Gute Gesetzgebung: Legalität und rechtliche Kohärenz sicherstellen
Das Konjunkturpaket sollte die Anforderungen an Gute Gesetzgebung erfüllen. Gute Gesetzgebung zielt u. a. auf rechtliche Kohärenz, Rechtssicherheit und Vertrauensbildung. Dies setzt voraus, dass die gesetzlichen Konjunkturmaßnahmen verfassungs- und unions-rechtskonform sind. Bei dieser Legalitätsprüfung sind vier Determinanten zu differenzieren: Der rechtsetzende Akteur und sein Kompetenzbereich, die Handlungsform, das erforderliche Verfahren der Rechtsetzung und die Anforderungen und Grenzen des materiellen Rechts. Eine Prüfung des Konjunkturpakets anhand dieser Maßstäbe kann ergeben, dass eine einzelne Maßnahme entweder keine Rechtsänderung erfordert oder eine solche, die nicht ohne Änderung von Unions- und/oder Verfassungsrecht erfolgen kann (sehr hohe Hürde). Daneben kann die Prüfung ergeben, dass eine Maßnahme zwar vereinbar mit Verfassungs- und Unionsrecht ist, aber ihre Beachtung und Kontrolle mit tatsächlichen Hürden konfrontiert wird. Am Beispiel der gegenwärtig in der rechtswissenschaftlichen Diskussion geäußerten Zweifel an der Verfassungskonformität des Brennstoffemissionshandels-Gesetzes(BEHG) wird unter anderem deutlich, dass es für einen Legalitätscheck gegebenenfalls auch Zeit braucht. Eine pauschale Aussage über die Rechtskonformität des Konjunkturpakets lässt sich derzeit noch nicht treffen.
In klimapolitischer Hinsicht muss ferner beachtet werden, dass neue konjunkturpolitische Maßnahmen anschlussfähig an zukünftiges EU-Recht, wie die zukünftigen Maßnahmen innerhalb des European Green Deal und des vorgeschlagenen EU-Klimagesetzes sein sollten. Es ist es von herausragender Wichtigkeit, die Anschlussfähigkeit an zukünftiges EU-Recht stets mit zu berücksichtigen. Ferner sollte das Konjunkturpaket das deutsche Klimaschutzprogramm 2030 nicht konterkarieren, sondern eine rechtliche Kohärenz anstreben.
->Folgt: Langfristperspektive: Monitoring und Evaluierung institutionalisieren