Fridays4Future will sich nicht Corona beugen
Die „Corona-Zwangspause“ ist vorbei: 2019 war das „Jahr der Fridays4future-Bewegung“ – dann kam die Pandemie. Demos im Freien wurden abgesagt, nur Weniges fand noch im Internet statt. Nun sollte es wieder beginnen. Und in der Tat: Zehntausende gingen trotz schlechten Wetters in Deutschland und anderswo auf die Straße – in der Arktis aufs wegschmelzende Meereis. Zahlreiche Medien berichteten.
In ganz Deutschland haben sich am 25.09.2020 Tausende zum „sechsten globalen Klimastreik“ gegen die Erderwärmung versammelt. Unterstützung kommt von vielen Seiten – auch von Politikern, die ihrerseits von Fridays4Future kritisiert werden. Vor der Pandemie hatten die Klimastreiks meist hunderttausende Teilnehmerzahlen in Deutschland erreicht. Zu den Aktionen anlässlich des Klimagipfels der Vereinten Nationen im September 2019 waren in Deutschland laut Fridays4Future 1,4 Millionen Menschen auf die Straßen gegangen. In den ersten Monaten der Corona-Pandemie hatten die Aktivisten den Protest dann weitgehend ins Internet verlagert.
UBA-Präsident Dirk Messner fragte sich am 30.06.2020 im Solarify-Selbst-Gespräch, „ob die Covid-19-Pandemie neben allen negativen Wirkungen nicht auch etwas Positives bewirken könne“ und kam zu dem Schluss, nicht nur die aktuellen guten Wirkungen auf Luftreinhaltung und Benzinverbrauch seien zu begrüßen, auch die Tatsache, dass wir bewiesen hätten, schnelles Umsteuern sei möglich. Und immer mehr Menschen sähen ein, dass “die Zerstörung von Umwelt und Biodiversität Pandemien begünstigt”. Zudem hätten wir gelernt, dass wir trotz allen wirtschaftlich-wissenschaftlichen Spitzenstandards “verletzlich” seien. Schließlich plädierte er dafür, dass “Preise die ökologische Wahrheit sagen” müssten.
In Deutschland waren an 400 Orten Aktionen geplant, weltweit in 3.000 Städten. In Berlin fand ein Sitzstreik vor dem Brandenburger Tor mit mehr als 10.000 Demonstranten statt. Die Kundgebung in München wurde wegen der dortigen hohen Infektionszahlen abgesagt. In Hamburg erlaubte das Verwaltungsgericht per Eilbeschluss, entgegen dem Votum der Stadt, dass aufgrund des Infektionsschutzes nur maximal 1.000 Teilnehmer pro Aufzug vertretbar seien, jeweils 3.500 Menschen, an drei geplanten Demonstrationen teilzunehmen. Die Stadt hatte die Auffassung vertreten, sind.
Die 18-jährige Umweltaktivistin Mya-Rose Craig auf einer Eisscholle in der Arktis (82,2° Nord) beim nördlichsten Klimastreik aller Zeiten. Sie ist Mitglied eines Greenpeace-Teams in der Arktis, das die Auswirkungen der Klimakrise dokumentieren und das marine Leben in der Region untersuchen soll. An die Regierenden der Welt richtet Greenpeace den Aufruf zum Unterzeichnen einer Petition: „AUFWACHEN! Der Zusammenbruch des Klimas verändert unsere Ozeane. Die Emissionen fossiler Brennstoffe führen dazu, dass das polare Meereis schmilzt, der Meeresspiegel in gefährdeten Küstengemeinden ansteigt und sich die grundlegende Natur des größten Ökosystems der Erde verändert.“
Grünen-Chef Robert Habeck begrüßte laut Deutschlandfunk das Engagement der Aktivisten. Es sei „super“, dass Fridays4Future mobilisiere. „Der Tag heute ist nochmal ein Signal, dass die tiefe Erkenntnis in der Gesellschaft da ist, dass sich Politik ändern muss“, sagte er vor Journalisten in Berlin. Er nannte den Begriff Klimaschutz „fast ein bisschen verniedlichend“. „Wir reden hier von Menschheitsschutz und uns läuft die Zeit davon.“ Dem Redaktionsnetzwerk Deutschland sagte Habeck sagte dem , seine Partei sei offen für Aktive aus den gesellschaftlichen Bewegungen, das gelte auch für Fridays for Future. “Wir sind bereit, Leute auf die Listen zu bringen”, betonte er. Die Aktivisten wüssten, dass Druck auf der Straße wichtig sei, um die Politik immer weiter zu treiben, aber auch, dass man in Regierungsverantwortung sagen müsse, wie es gehe.
Umweltministerin Svenja Schulze zeigte sich „dankbar“ gegenüber der Fridays4Future-Bewegung. Beim Amtsantritt 2018 sei ihr noch prophezeit worden, „dass ich mich niemals mit einem CO2-Preis oder einem Klimaschutzgesetz durchsetzen werde. Jetzt ist beides beschlossene Sache.“ Laut der Ministerin sei der Klimaschutz trotz Corona-Krise auf der Tagesordnung geblieben und sogar gestärkt worden sei. Klimaschutz spiele „eine zentrale Rolle im Corona-Konjunkturpaket der Bundesregierung, etwa mit einer noch stärkeren Förderung für den Umstieg vom Verbrenner auf Elektroantriebe“.
Fridays4Future warf der Bundesregierung dagegen Tatenlosigkeit vor. Die Novelle des Erneuerbare-Energien-Gesetzes sei „keinesfalls“ kompatibel mit den Zielen des Pariser Klimaabkommens, sagte „Fridays-for-Future“-Sprecherin Luisa Neubauer. Sie warf Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier vor, „dass die Energiewende an die Wand gefahren wurde“.
Der sagte im Deutschlandfunk, er halte die Demonstrationen der Klimaschutzbewegung für angemessen und richtig. „Wir haben in Deutschland langfristig eine enorme Transformation vor uns. Und wenn es nicht gelingt, diese ganzen Industrien klimaneutral zu machen, dann werden sie auf Dauer nicht mehr erfolgreich arbeiten können. Es ist richtig, dass die jungen Menschen ihre Überzeugungen zum Ausdruck bringen“. Es passiere beim Thema Klimaschutz vieles zu langsam und zu wenig. Die Regierung habe die Aufgabe, Weichen zu stellen – „das haben wir in den letzten Jahren getan“, so der Bundeswirtschaftsminister. In Deutschland gingen die CO2-Emissionen zurück, der Emissionshandel funktioniere, so Altmaier. Dies wolle man auch weiter fördern: „Ich möchte, dass ein Teil des Bruttoinlandsprodukt dafür reserviert wird, Klimamaßnahmen zu fördern, damit CO2-intensive Industrien CO2 neutral werden“. Deutschland müsse außerdem weiter auf grüne Energien setzen. Mit dem Kohleausstiegsgesetz habe man einen guten Kompromiss gefunden. Man müsse jetzt Verlässlichkeit gewährleisten und könnte die Abmachung nicht „alle vier Wochen“ aufbrechen. Man müsse aber auch gegenüber der Wirtschaft Verlässlichkeit zeigen. Mit Blick auf die Corona-Pandemie sagte er, er plädiere dafür, die Sorgen der Arbeitnehmer und Beschäftigten ernst zu nehmen, aber dennoch ehrgeizige Reduktionsziele zu verfolgen.
Altmaier auf die Frage, ob er denn (wenn er nicht gerade in Quarantäne wäre) mit demonstrieren würde: „Nein, ich würde ihnen die Daumen drücken, und das tue ich auch von meiner vorsorglichen Quarantäne aus, dass es ihnen gelingt, deutlich zu machen, die Erderwärmung macht keine Pause.“ Er rechtfertigte sich mit dem Hinweis, dass die Regierung „Gesetze erlassen“ habe. „Der Kohleausstieg ist beschlossen. Aber es ist den jungen Menschen zu langsam, es ist den jungen Menschen zu wenig, und deshalb habe ich ja einen Vorschlag gemacht und der sieht im Kern so aus, dass wir in vielen Bereichen eigentlich auch besser und schneller werden können, wenn wir dafür sorgen, dass die Arbeitsplätze erhalten werden und dass Deutschland ein wirtschaftlich leistungsfähiges, starkes Land bleibt, denn sonst wird sich niemand für unsere Erfolge beim Klimaschutz interessieren.“
Ein “Gesundheitsblock” von Health for Future (KLUG) war in vielen Städten Deutschlands Teil des globalen Klimastreiktags, um auf die Dringlichkeit der Situation und den notwendigen Ausstieg aus den fossilen Brennstoffen aufmerksam zu machen. Dazu erklärte Prof. Stefan Reuter, Internist und Infektionsmediziner: „Die Klimakrise gefährdet unsere Gesundheit. Und zwar nicht übermorgen, sondern heute. Wenn das West-Nil-Virus nach Deutschland kommt oder Luftverschmutzung und Hitzewellen Tausende vorzeitige Todesfälle verursachen, sind wir gefragt. In Praxis oder Klinik, aber auch, indem wir beim Klimastreik deutlich machen: Klimaschutz ist Gesundheitsschutz!”
Neubauer schrieb via Twitter an Altmaier: „Weil warme Worte Emissionen auch heute nicht senken, gehen wir heute auf die Straße. Gegen eine Politik, die Kohle statt Zukunft beschützt, für Klimagerechtigkeit und 1,5 Grad.“ Unterstützung für die Demonstrationen kam auch von der Linken: „Wer eine Zukunft mit Klimagerechtigkeit will, der kann sich ganz offensichtlich nicht auf die Regierung in Berlin verlassen“, sagte der klimapolitische Sprecher der Fraktion, Lorenz Gösta Beutin. Es brauche weiter den Druck der Klimabewegung.
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