Weltweite Untersuchung: Kernkraft kein Mittel gegen Klimawandel
Eine alte Streitfrage scheint gelöst: Kernenergie trägt nicht zur Senkung von Kohlendioxid-Emissionen bei – Erneuerbare Energien dagegen sehr wohl. Zu diesem Ergebnis kommen Wissenschaftler aus Sussex und München in einer am 05.10.2020 in Nature Energy veröffentlichten Untersuchung, über die der Bayerische Rundfunk (BR24) berichtete.
Die Hauptfrage angesichts des menschengemachten Klimawandels lautet bekanntlich: Wie können wir Energie gewinnen, ohne dabei fossile Brennstoffe wie Kohle, Gas oder Öl zu verbrennen? Denn diese erhöhen den CO2-Anteil in der Erdatmosphäre und heizen den Treibhauseffekt an. Bislang schien es zwei Antworten auf diese Frage zu geben:
- Die eine: Erneuerbare Energien – On- und Offshore-Windparks, Photovoltaik, Geothermie, Wasserkraft und Bioenergie haben die „erfreuliche Eigenschaft“, bei der Energieerzeugung kein CO2 freizusetzen.
- Die andere: Atomkraft – Ein Atomkraftwerk erzeugt Energie aus dem Zerfall energiereicher in weniger energiereiche Atomkerne, ohne CO2-Emissionen. Offen bleibt dabei der jeweilige Fußabdruck von Produktion und Entsorgung der notwendigen Anlagen und des strahlenden Abfalls (was natürlich auch für die Erneuerbaren gilt).
Also fragten Atomkraft-Befürworter stets: Könnten AKW nicht weltweit zur Senkung der CO2-Emissionen beitragen? Diese sogenannte „Nukleare Klimaverbesserungshypothese“ haben nun drei britische Forscher von der University of Sussex (US) und zwei der Münchner International School of Management (ISM) – Benjamin K. Sovacool, Patrick Schmid, Andy Stirling, Götz Walter und Gordon MacKerron – überprüft und in Nature Energy publiziert.
Das eindeutige Ergebnis fassen Medienmitteilungen der US (05.10.2020) und ISM vom 06.10.2020 zusammen: „Auf dem Weg zur CO2-Reduktion sollten Länder auf Erneuerbare Energien statt auf Atomkraft setzen“, so das knappe Fazit der Analyse von Daten aus 123 Ländern über einen Zeitraum von 25 Jahren hinweg, die zeigt, welche Strategie im Kampf gegen den Klimawandel wirksamer ist. Nuklearenergie führe auf nationaler Ebene nicht zu weniger CO2-Emissionen und sollte deshalb nicht als effektive kohlenstoffarme Energiequelle betrachtet werden.
Die Forscher fanden in ihrer globalen Betrachtung heraus, dass Erneuerbare Energien mit deutlich niedrigeren CO2-Emissionen einhergehen, während dies bei Nuklearenergie nicht der Fall ist. In ärmeren Ländern ist Atomkraft sogar mit höheren CO2-Emissionen verbunden. Die Studie zeigt außerdem, dass Erneuerbare Energien selten erfolgreich mit Nuklearenergie zusammen existieren können. Vielmehr verdrängen die beiden Energieträger einander und beschränken damit ihre Effektivität.
Benjamin Sovacool, Professor für Energie-Politik an der US-Business School: „Die Daten deuten klar darauf hin, dass Nuklearenergie zur CO2-Eindämmung die weniger effektive Variante darstellt. Nachdem Atomkraft zusätzlich kaum erfolgreich mit Erneuerbaren Energien koexistieren kann, sollten Investitionen in Nuklearenergie anstelle von Erneuerbaren Energien in Frage gestellt werden. Länder, die Investitionen in Nuklearenergie im großen Maßstab planen, riskieren, nicht ihr volles Potenzial im Kampf gegen den Klimawandel auszuschöpfen.”
Die Analyse der Forscher basiert auf Daten der Weltbank und der Internationalen Energieagentur von 1990 und 2014. Als möglicher Grund für die Inkompatibilität von Nuklearenergie und Erneuerbaren Energien wird zum Beispiel die Ausgestaltung der Elektrizitätsübertragung und -verteilung angeführt. Die Einführung kleinteiliger Anlagen im Bereich Erneuerbare Energien ist sehr zeitaufwändig und kostspielig, wenn die Netzstruktur für eine zentralisierte Produktion von Elektrizität (wie bei Nuklearenergie) optimiert ist.
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