„Do everything“ als „irrational entlarvt“
: „Dieser Artikel entlarvt, wie irrational es ist, sich auf ein „do everything“-Argument zu stützen, wenn es um Investitionen in Nuklearenergie geht. Unsere Ergebnisse zeigen nicht nur, dass diese Investitionen weniger wirksam hinsichtlich der Reduktion von CO2-Emissionen sind als Investitionen in Erneuerbare Energien, sondern auch, dass Spannungen zwischen diesen beiden Investitionsstrategien einen wirksamen Kampf gegen den Klimawandel gefährden.“
Die Studie zeigt, dass Nuklearenergie nur in „reichen“ Ländern mit etwas geringeren CO2-Emissionen einhergeht. Dieser Zusammenhang ist jedoch deutlich schwächer als der Zusammenhang zwischen Erneuerbaren Energien und CO2-Emissionen. Patrick Schmid, Professor für Quantitative Methoden an der ISM in München: „Das Erstaunliche an der Datenlage ist, wie widerspruchsfrei sich die Ergebnisse lesen. Die Resultate sind über verschiedene Länder und Zeiträume hinweg sehr klar und konsistent. Zudem ist der Zusammenhang zwischen Erneuerbaren Energien und geringeren CO2-Emissionen ungefähr siebenmal stärker als der Zusammenhang zwischen Nuklearenergie und CO2-Emissionen.“ Götz Walter, Professor für Wirtschaftspsychologie an der ISM, ergänzt: „Auch wenn die Datenlage keine Kausalschlüsse zulässt, ist die Eindeutigkeit der Analyseergebnisse überraschend. Für eine Verringerung der CO2-Emissionen sind Erneuerbare Energien und nicht Nuklearenergie die richtige Strategie.“
Auswirkungen auf die weltweite Energiepolitik
„Es gab dazu schon viele Studien“, erklärt Sovacool. „Denn die Antwort hat weltweit Auswirkungen auf die Energiepolitik der verschiedenen Länder.“ Allerdings befassten sich die meisten dieser Arbeiten bislang nur auf einzelne Länder, beispielsweise Frankreich oder Deutschland. Darüber hinaus werden derartige Studien oft von Organisationen wie Greenpeace auf der einen Seite oder der Internationalen Atomenergiebehörde IAEA auf der anderen Seite durchgeführt. „Aber wir als Wissenschaftler sind unabhängig“, so Sovacool.
Atomkraft vs. Erneuerbare Energien in der Analyse
Sovacool und seine Kollegen verwendeten für ihre Analyse nur öffentlich verfügbare Datensätze der Jahre von 1990 bis 2014. Sie untersuchten nicht einzelne Länder, sondern gruppierten sie in zwei Kategorien: diejenigen, die Atomkraftwerke – in der Studie waren das dreißig – betreiben, und diejenigen, die Erneuerbare Energien verwenden, das waren in der Studie 123 Länder. Manche Länder waren auch in beiden Kategorien vertreten. Mittels einer sogenannten Regressionsanalyse arbeiteten die Forscher heraus, ob die Art der Energieerzeugung mit höherem oder niedrigerem CO2-Ausstoß einhergeht.
Kernkraft trägt nicht zur Senkung der Kohlenstoffdioxid-Emissionen bei – AKW und EE „vertragen“ sich nicht
So fanden die fünf Wissenschaftler heraus, dass ihre Daten die „Nukleare Klimaverbesserungshypothese“ nicht bestätigten: Kernkraft senkt die Kohlenstoffdioxid-Emissionen eines Landes nicht. Bei den Erneuerbaren hingegen sah das schon ganz anders aus. „Und das ist kein kleiner Effekt“, betont Walter. „Wir sprechen hier von einer mittleren Effektstärke.“
Der Effekt der Erneuerbaren Energien
Zum Vergleich: Die Forscher betrachteten zusätzlich noch, inwieweit die Kohlenstoffdioxid-Emission eines Landes von seinem Bruttosozialprodukt abhängt – und fanden einen positiven Zusammenhang, was heißt: je größer das Bruttosozialprodukt, desto mehr CO2 wird emittiert. Dieser Zusammenhang ist wohlbekannt, in der Analyse war das ein sogenannter starker Effekt, der über ein Viertel der Kohlenstoffdioxidemissionen erklären kann.
Ein überraschendes Ergebnis für die Energiepolitik
PV auf Dach des Berliner Futuriums vor Reichstagskuppel – Foto © Gerhard Hofmann für Solarify
Die Erneuerbaren Energien kamen mit rund zehn Prozent Reduktionseffekt auf eine mittlere Effektstärke und die Kernkraft auf gar keine. „Dass wir wirklich keinerlei Effekt der Kernkraft auf eine Reduktion der Kohlenstoffdioxid-Emissionen gefunden haben, ist ziemlich überraschend“, sagt Sovacool. „Wir haben darüber hinaus herausgefunden, dass sich Erneuerbare Energien und Kernkraft nicht gut ‚vertragen‘, eines scheint auf die Kosten des anderen zu gehen. Ein Land kann nicht Beides gleichzeitig gut machen.“
Dafür sprechen zumindest die Daten aus der Vergangenheit. Für die Zukunft würde das bedeuten: Ein Land müsste sich entscheiden, welche Art von Energieerzeugung es nutzen will – und sich dann entweder für Erneuerbare Energien oder Kernkraft entscheiden. Und wenn dieses Land an der Senkung von Kohlenstoffdioxid-Emissionen interessiert ist, wie sie beispielsweise der Pariser Klimavertrag vorschreibt, dann deuten die jetzigen Ergebnisse darauf hin, dass Atomkraft keine geeignete Methode dafür ist.
->Folgt: Ausschnitte aus Nature Energy