Warmmiete macht CO2-Preis auf Öl und Gas mieterfreundlich

Agora-Energiewende fordert Umstellung des Mietmarkts

Pauschalmieten für Wohnen und Wärme geben Mietern Anreize zum klimafreundlichen Heizen und Gebäudeeigentümern für energetische Sanierungen. Schwedische Gebäude wurden dadurch schon nahezu CO2-frei – sagte Agora-Energiewende in einer Medienmitteilung am 12.10.2020.

Heizungssparschwein der BMWi-Effizienz-Kampagne – Foto © Gerhard Hofmann für Solarify

Die Umstellung des deutschen Mietmarkts von Kalt- auf Warmmieten kann den klimafreundlichen Umbau von Mietshäusern fördern und gleichzeitig Mieter vor teuren, ineffizienten Modernisierungen schützen. Vorbild ist Schweden, wo seit 2000 eine Kombination aus steigenden CO2-Preisen bei gleichzeitiger Einführung des Warmmieten-Prinzips gilt. Die Emissionen der dortigen Haushalte sind seither um 95 Prozent gesunken. Agora Energiewende hat nun gemeinsam mit der Universität Kassel einen Vorschlag vorgelegt, wie Klimaschutz mithilfe des Warmmieten-Prinzips auch in deutschen Mietshäusern attraktiv wird. Ein juristisches Gutachten zeigt außerdem, wie es sich in deutsches Recht umsetzen lässt.

„Der von Januar 2021 an geltende CO2-Preis auf Erdgas und Heizöl muss durch ein Warmmieten-Konzept ergänzt werden. Nur so können wir Vermietern den Anreiz geben, energetische Sanierungsmaßnahmen vorzunehmen“, sagt Patrick Graichen, Direktor von Agora Energiewende. „Das jetzige System, das die Heizkosten an die Mieter weiterreicht und gleichzeitig pauschale Mieterhöhungen nach Sanierungen erlaubt, ist überholt und gehört abgeschafft.“

Beidseitige Anreize zum Energiesparen durch Warmmieten mit Temperaturfeedback

Im Warmmieten-Modell profitieren Vermieterinnen und Vermieter davon, wenn die Heizkosten dank guter Dämmung oder neuer Fenster sinken. Um es rechtssicher einführen zu können und gleichzeitig Mieter zum sparsamen Heizen zu animieren, schlägt Agora Energiewende eine Variante mit einem sogenannten Temperaturfeedback vor: Vermieter und Mieter vereinbaren dabei eine Raumtemperatur, die der Vermieter während der Wintermonate garantiert. Über eine kalibrierte Messung der Raumtemperatur bei normalem Heizverhalten wird daraufhin ein Referenzverbrauch ermittelt. Übersteigt der Mieter in einer Heizperiode diesen Verbrauch, zahlt er nach. Spart er beim Heizen, erhält er eine Rückzahlung. Wird die Wohnung nun energetisch saniert, wird der Referenzverbrauch gesenkt, da weniger Energie notwendig ist, um dieselbe Temperatur zu erreichen. Der Preis für die vereinbarte Raumtemperatur bleibt hingegen gleich. Somit profitiert der Vermieter von den gesparten Heizkosten. Durch den Referenzverbrauch mit Rück- und Nachzahlung ist das Energiesparen jedoch auch im Interesse der Mieter. Die Vermieter werden deshalb vor verschwenderischem Heizverhalten mit offenem Fenster geschützt.

„Mieter können einerseits nicht darüber entscheiden, ob ihr Haus gedämmt ist oder mit klimafreundlicher Heizung warm wird. Sie tragen aber andererseits die Kosten, wenn das Heizen mit Öl oder Gas künftig teurer wird. Für Vermieter hingegen rechnet sich ein klimafreundlicher Umbau oft schlichtweg nicht. Das Warmmieten-Modell mit Temperaturfeedback löst dieses Dilemma auf“, so Graichen.

Vier Voraussetzungen für eine erfolgreiche Wärmewende auf dem deutschen Mietmarkt

Warmmieten und stetig steigende CO2-Abgaben für Brennstoffe sind der Studie zufolge zwei von vier erfolgreichen Voraussetzungen für eine erfolgreiche Wärmewende. Daneben nennt Agora Energiewende in dem Vorschlag zwei weitere Voraussetzungen, um die CO2-Bilanz von deutschen Mietshäusern zu verbessern: staatliche Förderung sowie verpflichtende Sanierungsfahrpläne.

Hintergrund ist, dass der Bundestag am 08.10.2020 die Einführung von CO2-Abgaben für Heizöl und Erdgas vom kommenden Jahr an beschlossen hat. Sie starten bei 25 Euro pro Tonne CO2 und sollen jährlich steigen. Klimaschonende Technologien werden dadurch immer wirtschaftlicher. Kombiniert mit Warmmieten motivieren höhere Öl- und Gaspreise den Vermieter, in klimaschonende Gebäudetechnik zu investieren, etwa in Dämmungen und Wärmepumpen.

Für Investitionen, die sich heute noch nicht rechnen, schlägt Agora Energiewende zusätzlich eine gezielte Förderung vor. Dadurch erhalten Wohnungseigentümerinnen und -eigentümer Unterstützung für den Wechsel zu klimaschonenden Technologien. Graichen: „Wer heute eine neue Heizungsanlage einbaut oder die Fassade dämmt, legt fest, wie klimafreundlich ein Gebäude in den kommenden Jahrzehnten sein wird. Deshalb müssen wir bei solchen Investitionen bereits jetzt das Ziel Klimaneutralität im Jahr 2050 im Blick haben“.

Ein viertes Element in dem Vorschlag sind verpflichtende Sanierungsfahrpläne für alle Gebäude. Damit werden Sanierungsmaßnahmen für Gebäude über mehrere Jahre hinweg geplant, die Sanierungskosten verteilen sich somit über einen längeren Zeitraum. Gleichzeitig stellt der Fahrplan sicher, dass die CO2-Emissionen eines Gebäudes stückweise auf null sinken. Damit kann der gesamte Gebäudebestand in Deutschland bis 2050 klimaneutral werden.

Die Analyse „Wie passen Mieterschutz und Klimaschutz unter einen Hut?“ hat Agora Energiewende zusammen mit der Universität Kassel erstellt. Sie hat einen Umfang von 19 Seiten und steht unten zum kostenlosen Download zur Verfügung. Ein juristisches Gutachten der Kanzlei Becker Büttner Held ergänzt die Analyse und bewertet die rechtliche Implementierung des Warmmieten-Konzepts im deutschen Mietmarkt.

Die Auflösung des Mieter-Vermieterinnen-Dilemmas auf dem deutschen Mietmarkt

Dieses Projekt mit einer Laufzeit von September 2019 bis Oktober 2020 skizziert, wie Klimaschutz und Mietschutz in Einklang gebracht werden können.Aktuell können Vermieterinnen und Vermieter, die eine energetische Sanierung an einer Mietwohnung in Deutschland vornehmen, diese über einen Aufschlag auf die Miete refinanzieren. Dieser Mechanismus wurde in der jüngeren Vergangenheit intensiv diskutiert, denn einige Vermieterinnen und Vermieter sehen sich dem Vorwurf ausgesetzt, die Modernisierungsumlage zu missbrauchen, um Mieterinnen und Mieter durch hohe Mietaufschläge aus ihrer Wohnung zu befördern. Im Hinblick auf den Klimaschutz ist die Modernisierungsumlage in ihrer gegenwärtigen Ausgestaltungsform als Instrument ungeeignet, denn sie orientiert sich nicht an eingesparter Energie oder eingesparten CO2-Emissionen, sondern rein an den Investitionskosten, die die Vermieterin für die Modernisierung aufgebracht hat.
Dieses Projekt fokussiert sich deshalb darauf, wie die Anreize auf dem Mietmarkt so gesetzt werden können, dass Vermieter und Mieterinnen für klimafreundliches Handeln belohnt werden: Die Anreize müssen so gesetzt werden, dass eine Vermieterin davon profitiert, wenn sie eine sinnvolle Klimaschutzmaßnahme vornehmen lässt. Gleichzeitig sollte der Anreiz für den Mieter, sparsam zu heizen, bestehen bleiben und er sollte vor unverhältnismäßigen Mietaufschlägen geschützt werden.

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