DUH: „Alarmierender Trend zu klimaschädlichen CO2-Schleudern“
Der 14. Dienstwagen-Check der Deutschen Umwelthilfe (DUH) von Spitzenpolitikerinnen und -politikern belegt einen alarmierenden Trend zu klimaschädlichen CO2-Schleudern. Dieses Ergebnis spiegelt laut einer DUH- Medienmitteilung vom 11.11.2020 „die aktuelle verfehlte Klimapolitik der Bundesregierung im Verkehrsbereich“: Gemessen am realen CO2-Ausstoß auf der Straße verpassen alle Dienstwagen bis auf sieben den EU-Flottengrenzwert von 95 g CO2/km.
Mit einem durchschnittlichen realen CO2-Ausstoß von 227 g/km lägen die Dienstwagen sogar noch über dem Durchschnitt des vergangenen Jahres (225 g CO2/km). Ein Grund für den Anstieg sei der gewachsene Anteil besonders klimaschädlicher Plug-In-Hybride von 31 Prozent im vergangenen Jahr auf 43 Prozent. Der Kauf zunehmend verbreiteter, klimaschädlicher Plug-In-Hybride wird aktuell mit Steuergeld gefördert. Diese Subventionen müsse die Bundesregierung sofort beenden.
Zudem fordert die DUH, dass „grundsätzlich keine Zuschüsse für Kauf oder Leasing oder Steuervergünstigungen für dienstlich genutzte Fahrzeuge gewährt werden dürfen, die die seit 2020 europaweit geltende Grenzwerte überschreiten“. Die Bundesregierung muss nach Ansicht der DUH „jegliche Förderung oder Begünstigung für Fahrzeuge streichen, die im realen Fahrbetrieb mehr als 95 g CO2/km ausstoßen oder einen Stromverbrauch von 18 kWh/100 km gemäß dem Prüfzyklus WLTP übersteigen“.
Die stellvertretende Bundesgeschäftsführerin Barbara Metz entnimmt dem Dienstwagen-Check, dass die Regierungspolitikerinnen und -politiker die verbindliche Verpflichtung, CO2 zu reduzieren, selbst nicht umsetzen. Dass es möglich ist, über die Wahl des Dienstwagens ein Zeichen zu setzen, sehen wir an den sieben rein elektrischen Dienstwagen, die den Grenzwert von 95 g CO2/km im realen Verbrauch einhalten. Glaubwürdige Klimapolitik bedeutet den sofortigen Stopp der Förderung der besonders klimaschädlichen Plug-In-Hybride. Ich fordere die Regierungspolitikerinnen und -politiker dazu auf, noch vor der Bundestagswahl auf ein Fahrzeug zu wechseln, das den EU Flottengrenzwert von 95 g CO2/km im realen Betrieb einhält“.
240 Spitzenpolitiker mit insgesamt 235 Dienstwagen abgefragt
Insgesamt wurden 240 Spitzenpolitikerinnen und -politiker auf Bundes- und Landesebene mit insgesamt 235 Dienstwagen abgefragt. Von diesen sind 47 Prozent (111 Fahrzeuge) mit Dieselantrieb, 43 Prozent (101 Fahrzeuge) mit Plug-In-Hybridantrieb und 3 Prozent (8 Fahrzeuge) mit Benzin-Motor. Auch im Jahr 2020 liegt der Anteil batterieelektrischer Dienstwagen bei nur 6 Prozent. Allerdings erhält nur die Hälfte dieser Elektro-Fahrzeuge (7 von 15) eine Grüne Karte für das Einhalten der 95 g CO2-Grenze beim deutschen Strommix. Dazu zählen die Berliner Umweltsenatorin Regine Günther mit einem Tesla Modell 3 sowie der Baden-Württembergische Umweltminister Franz Untersteller mit einem Audi e-tron.
Acht Politikerinnen und Politiker erhalten eine Gelbe Karte für Fahrzeuge, die bis zu 20 Prozent oberhalb des EU-Flottengrenzwerts liegen. Für alle anderen Dienstwagen vergibt die DUH insgesamt 220 Rote Karten für Fahrzeuge mit Verbrennungsmotor, die den EU-Zielwert von 95 g CO2/km im realen Fahrbetrieb nicht einhalten. Rote Karten erhalten damit auch alle Dienstwagen mit besonders klimaschädlichem Plug-In-Hybridantrieb.
Schaufahren gegen den Klimaschutz mit Plug-In-Hybriden: 82% im Verbrennermodus
Plug-In-Hybride seien echte Spritschlucker, die nur auf dem Papier klimafreundlich aussähen, weil der meist kleine Elektromotor mit dem Verbrennungsmotor gleichgewichtet werde. Messungen des Emissions-Kontroll-Instituts der DUH wie auch anderer Prüfeinrichtungen zeigten, dass diese Fahrzeugklasse im realen Fahrbetrieb auf der Straße besonders hohe CO2-Emissionen verursache. Nach aktuellen Studien würden sie als Dienstwagen im Durchschnitt zu 82 Prozent der Fahrtstrecke im ineffizienten Verbrennungsmodus gefahren.
Erschreckend sei, dass alle Bundesministerinnen und -minister den EU-Flottengrenzwert nicht annähernd einhalten könnten. Dadurch verschärfe sich „das Schaufahren gegen den Klimaschutz nochmals selbst fünf Jahre nach dem Pariser Klimaschutzabkommen“.
Giffeys finsterer Kabinettsrekord, Michael Müller mit Länder-Spitzenwert
Unglaubliche 286 g CO2/km im realen Betrieb und damit eine dreifache Überschreitung des EU-Flottengrenzwerts für CO2 emittiert als Schlusslicht im Bundeskabinett der Audi A8 von Bundesministerin für Familien, Senioren, Frauen und Jugend Franziska Giffey. Aber auch Bundesumweltministerin Svenja Schulze wird ihrer Vorbildfunktion im Kabinett nicht gerecht und heizt die Klimakrise mit ihrem BMW 745e an, der einen realen CO2-Ausstoß von 242 g/km auf die Straße bringt. Verkehrsminister Andreas Scheuer übersteigt mit einem realen Ausstoß von 258 g CO2/km den gültigen EU-Flottengrenzwert um mehr als das 2,7-fache.
Sowohl der am wenigsten das Klima belastende als auch der schlimmste Dienstwagen aller untersuchten Bundes- und Landespolitiker findet sich im Fuhrpark des Berliner Senats. Umweltsenatorin Regine Günther belegt den Spitzenplatz im Gesamtranking mit einem Tesla Modell 3, während der Regierende Bürgermeister Michael Müller wie im Vorjahr mit 408 g/km realen CO2-Ausstoß negativer Spitzenreiter der Abfrage ist. Den geringsten Klimagasausstoß im Vergleich der Bundesländer hat die Dienstwagenflotte der Bremer Landesregierung. Schlusslicht unter den Bundesländern bildet weiterhin das schwarz-grün regierte Hessen. Es verschlechtert sich in diesem Jahr von durchschnittlich 255 g CO2/km auf 257 g CO2/km realen CO2-Ausstoß. Auch bei den Landesregierungen steigen die Gesamt-Emissionen der Fahrzeugflotten im Vergleich zum Vorjahr sogar an, anstatt zu fallen. Auch die grün-schwarze Landesregierung von Baden-Württemberg fällt bis auf die Verkehrs- und Umweltminister mit ihren Dienstwagen durch und landet im Ländervergleich nur auf Platz 12.
„Dass die Fahrzeuge der Bundesministerinnen und -minister sowie der Landesregierungen im Vergleich zum Vorjahr durchschnittlich sogar mehr CO2 ausstoßen, ist ein Armutszeugnis für deren Glaubwürdigkeit. Der Trend zum Plug-In-Hybrid fördert ineffiziente und klimaschädliche Fahrzeuge mit Verbrennungsmotor und keine Elektroautos. Längst ist bekannt, dass sich die Automobilwirtschaft einem grundlegenden Wandel unterziehen und sich vom Verbrenner verabschieden muss. Dem müssen auch Spitzenpolitiker Rechnung tragen und die notwendige Transformation unterstützen, anstatt diese noch länger hinauszuzögern“, so Dorothee Saar, Leiterin Verkehr und Luftreinhaltung der DUH.
Die verfehlte Verkehrspolitik der Bundesregierung lässt sich auch an der Modellpolitik der deutschen Autohersteller ablesen. Anstatt sich auf bezahlbare Elektroautos zu fokussieren, kündigen Hersteller wie VW die Ausweitung Plug-In-Hybridmodelle an: Bis zum Jahr 2025 will der Konzern mehr als 30 weitere Modelle auf den Markt bringen und damit die bereits steigenden Verkaufszahlen noch weiter erhöhen. Zuletzt schrumpfte VW sogar zwei vollelektrische Modelle zu einem.
Methodik:
Die Bewertung basiert auf dem Neuen Europäischen Fahrzyklus (NEFZ) im Rahmen der Typzulassung. Dieser Wert ist maßgeblich für die Einhaltung des EU-weit bindenden Flottengrenzwertes für Neuzulassungen bei Pkw. Auch in diesem Jahr liegt dem Ranking der CO2-Ausstoß im realen Fahrbetrieb zugrunde. Zur Ermittlung der realen CO2-Emissionen wurden die herstellerspezifischen Abweichungen auf Basis von Angaben des International Council on Transportation ICCT berücksichtigt. Bei Fahrzeugen mit teilelektrischem oder vollelektrischem Antrieb wurde der CO2-Gehalt des deutschen Strommixes nach Angaben des Umweltbundesamtes des Jahres 2019 herangezogen. Bei Plug-In-Modellen basiert die Ermittlung des realen CO2-Ausstoßes auf den offiziellen Kraftstoffverbrauchsangaben im WLTP-Modus bei nicht geladener Batterie, da sie überwiegend im Verbrennermodus gefahren werden.
Insgesamt 240 Politiker wurden von März bis Oktober 2020 nach ihren Dienstwagen befragt. Die besonders geschützten Fahrzeuge der Bundeskanzlerin, der Verteidigungsministerin, des Finanz-, Gesundheits-, Innen- und Außenministers werden in der Auflistung nicht gewertet. Unterschiedliche CO2-Angaben für das gleiche Fahrzeugmodell ergeben sich z.B. durch verschiedene Erstzulassungszeitpunkte und Ausstattungsvarianten.
Die DUH setzt sich seit vielen Jahren für ehrliche Spritangaben ein. Die Dienstwagenabfrage ist Teil der Kampagne „Get Real: Für ehrliche Spritangaben!“ (LIFE15 GIC/DE/029) und wird im Rahmen des LIFE-Programms der EU-Kommission gefördert.
->Quellen: