Eine Umfrage unter US-Forschern von Scientific American
Förderung von E-Autos und Stärkung der Umweltgerechtigkeit stehen im Mittelpunkt eines Artikels in der US-Wissenschafts-Zeitschrift Scientific American. Andrea Thompson beschäftigt sich darin am 12.11.2020 mit den Erwartungen und Hoffnungen, die amerikanische Wissenschaftlern in den neuen Präsidenten Joe Biden bezüglich des Klimawandels setzen.
In den vergangenen vier Jahren haben Klimaexperten mit Bestürzung beobachtet, wie Donald Trump Klimawissenschaftler der Regierung systematisch an den Rand gedrängt und ausmanövriert hat, wie er die Klimavorschriften abgeschwächt und die Nutzung fossiler klimaschädlicher Brennstoffe gefördert hat. Gleichzeitig hat er Ölbohrungen in der Arktis erlaubt und immer wieder Arbeitsplätze und Naturschutz zum Schaden des letzteren gegeneinander ausgespielt. Mehr als 100 Umweltschutzmaßnahmen Obamas hat die Trump-Truppe gestrichen: Darunter die Grenzwerte für Methan, die Auflagen für Kohlekraftwerke, das Gesetz zum Schutz bedrohter Arten und Obamas eingeführte „Clean-Water-Rule“ zur Sicherung von sauberem Trinkwasser. Die Wissenschaft wurde hohnlachend missachtet. Diese „Maßnahmen“ haben nicht nur das Ansehen der USA weltweit bis zur Lächerlichkeit ramponiert, sondern auch die Wissenschaft selbst beschädigt.
Joe Bidens Wahl hat Hoffnungen auf eine Revision der „Maßnahmen“ geweckt. Der ehemalige Vizepräsident kandidierte auf einer Grundlage, die spezifische, ehrgeizige Maßnahmen zur Bekämpfung des Klimawandels einschloss, darunter die Rückkehr ins Pariser Klimaabkommens und ein Ziel von Netto-Null-Kohlenstoffemissionen bis 2050. Klimawissenschaftler und Umweltschützer haben das zwar begrüßt, weisen aber darauf hin, dass es großer Mühen bedürfe, die Ziele auch zu erreichen. Unter anderem muss die Biden-Regierung gleichzeitig bei der Energiewende helfen, sie ohne soziale Verwerfungen über die Bühne bringen, gegen künftige klimabedingte Katastrophen vorsorgen und sicherstellen, dass die „neue“ Politik Gleichheit und Gerechtigkeit berücksichtigt.
Um zu hören, welche konkreten Maßnahmen Klimawissenschaftler ergreifen würden, bat Scientific American Forscher, eine Frage zu beantworten: Welche Maßnahme soll die Biden-Regierung Ihrer Meinung zuallererst nach ergreifen, um den Klimawandel anzugehen? Manche lieferten daraufhin einen ganzen Katalog notwendiger Maßnehmen ab. Solarify dokumentiert nachfolgend Ausschnitte aus den Antworten. Ausschnitte:
Aradhna Tripati, Klimawissenschaftlerin und Gründerin des Center for Diverse Leadership in Science, Universität von Kalifornien, Los Angeles:
„Die wichtigste Maßnahme ist die Umsetzung eines systemischen Reformpakets zur Unterstützung der Klimagerechtigkeit. Wir haben keine Zeit zu warten. Gemeinden in den ganzen USA haben Klimastörungen erlebt, die durch politische Untätigkeit noch verschlimmert wurden. Klimagerechtigkeit hat die Subventionierung des Übergangs zu sauberer Energie und grüner Infrastruktur für einkommensschwache Gemeinden zum Inhalt, gleichzeitig Investitionen in die Ausbildung für grüne Arbeitsplätze in diesen Gemeinden. Der Grüne New Deal muss umgesetzt werden, während gleichzeitig sichergestellt wird, dass farbige und einkommensschwache Gemeinden von den sozialen und wirtschaftlichen Möglichkeiten der Bekämpfung des Klimawandels profitieren.“
Constantine Samaras, außerordentlicher Professor für Bau- und Umweltingenieurwesen, Carnegie Mellon University
„Die wichtigste Maßnahme, die eine Regierung Biden ergreifen kann, um dem Klimawandel zu begegnen, ist der Beginn einer neuen Ära der gerechten Verkehrsmobilität ohne Öl. Hier geht es nicht nur
- um den Ausbau des öffentlichen Nahverkehrs, den wir elektrifizieren und um das Fünffache oder mehr vergrößern müssen
- darum, den raschen Bau von zugänglichen Gemeinden, sicheren Straßen für Radfahrer und Fußgänger und den flächendeckenden Ausbau der grünen Infrastruktur zu fördern, die alle in großem Maßstab benötigt werden
- darum, eine alte Flotte von Benzinfahrzeugen durch Elektrofahrzeuge (EVs) zu ersetzen, obwohl es in den USA etwa 250 Millionen Autos und Lastwagen gibt, die 15 bis 20 Jahre oder länger auf der Straße bleiben können.“
Kim Cobb, Paläoklimatologe und Direktor des Global Change Program, Georgia Institute of Technology
„Ich bin ich sehr gespannt darauf, wie die Wissenschaft wieder zur Richtschnur für die Politik wird, da Klima- und Energiepolitik so viele Aspekte unseres Lebens und unserer Wirtschaft berühren. Insbesondere bin ich gespannt auf die rasche Entlassung zahlreicher Führungspersönlichkeiten in Schlüsselpositionen, die der Klimawissenschaft offen feindlich gegenüberstehen. Schließlich hoffe ich, dass die neue Regierung mit einem ehrgeizigen Programm die Gemeinden unterstützt, die bereits heute unter den Klimaschäden leiden.“
Daniel Swain, Klimawissenschaftler, Universität von Kalifornien, Los Angeles
„Der von Biden bekannt gegebene Plan zur Bekämpfung des Klimawandels ist bei weitem der ehrgeizigste, den ein zukünftiger Präsident je vorgeschlagen hat. Aber es ist unklar, wie viel von diesem ehrgeizigen Klimaplan im gegenwärtigen politischen Umfeld tatsächlich umgesetzt werden kann. Es scheint wahrscheinlich, dass die Biden-Harris-Regierung fast sofort eine Reihe von Exekutivmaßnahmen ergreifen wird, um vieles aus der Trump-Ära umzukehren, was den Fortschritt beim Klimaschutz zum Stillstand gebracht oder rückgängig gemacht hat. Doch groß angelegten – notwendigen – gesetzgeberischen Eingriffen wird der Kongresses zustimmen müssen.“
„Die Regierung Biden muss alle ihre Politiken und Aktionen durch eine Linse für Klimagerechtigkeit durchführen, um die Zusammenhänge zwischen Sektoren und Politiken zu erkennen – darunter die internationale Zusammenarbeit, Handels-, Landwirtschafts-, Verkehrs-, Energie-, Wohnungs- und Industriepolitik. Beginnend mit dem Wiedereintritt in das Pariser Abkommen und der Einhaltung internationaler Verpflichtungen erfordert es auch die Auseinandersetzung mit dem Ausstieg aus fossilen Brennstoffen, den sozial-ethischen Übergang zu erneuerbaren Energiequellen, um die Treibhausgasemissionen der USA zu reduzieren, und die Auseinandersetzung mit Klimamigration und Vertreibung. Schließlich erfordert Klimagerechtigkeit die Anerkennung der indigenen und Rassengerechtigkeit.“
Marshall Shepherd, Direktor des Programms für atmosphärische Wissenschaften, Universität von Georgia
„Die offensichtlich tief hängende Frucht ist der Wiedereintritt in das Pariser Klimaabkommen. Weitere entscheidende Maßnahmen werden die Wiederherstellung der wissenschaftlichen Integrität in den wichtigsten klimaorientierten Organisationen sein. Die Klimapolitik wird aus der Perspektive von Wissenschaft, Technologie, Energie, Gerechtigkeit und Gerechtigkeit angegangen werden müssen. Starke Botschaften können auch dadurch vermittelt werden, dass tatsächliche Wissenschaftler an die Spitze wissenschaftsbezogener Agenturen berufen werden.“
->Quelle: scientificamerican.com/heres-how-scientists-want-biden-to-take-on-climate-change