Fundamentale Rolle der Chemie bei elektrokatalytischer Wasserspaltung
Der Übergang zu einer nachhaltigen Energiewirtschaft erfordert elektrokatalytische Methoden zur Umwandlung und Speicherung elektrischer Energie in und zu chemischer Energie und Rohstoffen. Ein internationales Forschungsteam unter der Leitung des Fritz-Haber-Instituts (FHI) der Max-Planck-Gesellschaft in Berlin hat nun (u.a. mit dem Max-Planck-Institut für Chemische Energiekonversion in Mülheim an der Ruhr – MPI CEC) fundamental neue Aspekte des Reaktionsmechanismus eines der wichtigsten elektrokatalytischen Prozesse aufgedeckt, der Sauerstoff-Entwicklungs-Reaktion. Die Ergebnisse sind in Nature veröffentlicht worden.
Die elektrokatalytische Sauerstoffentwicklung, also die reaktive Umwandlung von Wassermolekülen in Sauerstoff, Protonen und Elektronen, ist ein elektrochemischer Schlüsselprozess beim Übergang zu einer auf erneuerbarer Elektrizität basierenden Energiewirtschaft. Denn mit zunehmendem Anteil volatiler erneuerbarer Energiequellen (wie Wind- und Sonnenenergie) werden Energiespeicherlösungen benötigt, um intermittierende Leistungsschwankungen aufzufangen und eine zuverlässige Energieversorgung zu gewährleisten. Einer der flexibelsten Lösungen dieses Problems ist die Umwandlung und Speicherung von elektrischer Energie in chemische Brennstoffe mittels Protonen und Elektronen, da chemische Brennstoffe viel Energie speichern und dort eingesetzt werden können, wo und wann sie benötigt werden.
Sauerstoff-Entwicklungs-Reaktion als große Hürde
Bei diesem Ansatz gab es bisher jedoch eine große Hürde, und zwar die Identifizierung von Elektrokatalysatoren für die Umwandlung von Wasser in molekularen Sauerstoff – die Sauerstoff-Entwicklungs-Reaktion –, die die Protonen und Elektronen für die Herstellung dieser Brennstoffe liefert. Bei den Bemühungen um die Entwicklung verbesserter Elektrokatalysatoren gehen Experten seit langem davon aus, dass die elektrokatalytische Sauerstoff-Entwicklungs-Reaktion anhand einer in Lehrbüchern fest etablierten, über viele Jahrzehnte entwickelten Standardtheorie nicht-katalytischer Elektronentransferreaktionen verstanden werden kann.
Forschende von Mitgliedern der Abteilungen Anorganische Chemie und Grenzflächenwissenschaft des Fritz-Haber-Instituts TU Berlin, der ETH Zürich, des Nationalen Forschungsrats Italiens und des Max-Planck-Instituts für Chemische Energiekonversion in Mülheim an der Ruhr beschlossen, diese Annahme zu überprüfen. Überraschenderweise stellten die Wissenschaftler fest, dass die elektrochemische Katalyse der Sauerstoff-Entwicklungs-Reaktion tatsächlich einer traditionellen thermochemischen Katalyse viel ähnlicher ist als bisher angenommen. Diese Erkenntnis ermöglicht es, dass Werkzeuge und Konzepte aus der thermochemischen Katalyse zum ersten Mal auf ihre elektrochemischen Gegenstücke angewendet werden können.
„Es ist wichtig zu verstehen, wie Elektrokatalysatoren auf der fundamentalsten Ebene funktionieren, denn nur so lassen sie sich in der Zukunft verbessern. Uns wurde immer klarer, dass das traditionelle Bild dessen, was elektrokatalytische Reaktionen antreibt, unvollständig ist“, erklärt Peter Strasser, einer der Ko-Autoren von der Technischen Universität Berlin. Er fügt hinzu: „Forscher gehen typischerweise davon aus, dass die Reaktion der Sauerstoffentwicklung durch die direkte Wirkung des elektrischen Potenzials auf die Reaktionskoordinate gesteuert wird. Das ist eine ganz andere Vorstellung als bei der thermochemischen Katalyse, bei der die chemische Bindungsherstellung und -auflösung durch die Oberflächenchemie gesteuert wird“.
In der in Nature veröffentlichten Studie berichtet das Team, wie eine der erfolgreichsten Klassen von Katalysatoren für die Sauerstoffentwicklung, die Iridiumoxide, funktioniert. Sie führten bei BESSY II in Berlin und Petra III in Hamburg synchrotronbasierte operando-Röntgenspektroskopie durch, um zu untersuchen, wie sich Iridiumoxide während der elektrokatalytischen Sauerstoffentwicklung verhalten. Mit diesen Experimenten konnten sie gleichzeitig das elektrische Potenzial und die Oberflächenchemie beobachten.
Mit dem aus diesen Experimenten gewonnenen Wissen haben sie Modelle der Katalysatoroberflächen im atomaren Maßstab gebaut, die in quantenmechanischen Simulationen der Reaktion im Höchstleistungsrechenzentrum in Stuttgart verwendet wurden. „Die Simulationen zeigten in Übereinstimmung mit den Messungen, dass die Reaktionsgeschwindigkeit exponentiell von der Oberflächenbedeckung der oxidativen Ladung abhängt“, sagt Travis Jones vom Fritz-Haber-Institut. „Die Simulationen erfassten auch die Änderung der Tafelneigung, ein Schlüsselmerkmal von Iridiumoxid, und führten sie auf eine Änderung darauf zurück, wie die oxidative Ladung auf das elektrische Potential reagiert; und eben nicht, wie bisher angenommen, auf eine Änderung des molekularen Reaktionsmechanismus“, erklärt Simone Piccinin, einer der Ko-Autoren des Nationalen Forschungsrats von Triest, Italien.
Diese Untersuchungen bewegten die Forscher zu der Vermutung, dass die Reaktion durch die Oberflächenchemie und nicht durch das direkt auf die Reaktionskoordination einwirkeDetre Teschner nde Potenzial gesteuert wird. Durch die Entwicklung einer laborgestützten Methode zur Quantifizierung der Ladungsakkumulation war das Team in der Lage, eine Reihe von Materialien zu untersuchen, und stellte fest, dass sie alle dasselbe Verhalten zeigten. Detre Teschner vom Fritz-Haber-Institut erklärt dies: „Es zeigte sich, dass die Rolle des Potenzials darin bestand, die Oberfläche zu oxidieren, und dass die durch diese Oxidation akkumulierte Ladung die Reaktionsgeschwindigkeit steuerte, ähnlich wie bei der thermischen Katalyse.“
Nachdem sie gesehen hatten, dass die Ladung die elektrokatalytische Rate zu vermitteln schien, begaben sich die Forscher auf die Suche nach einer Möglichkeit, die Katalysatorladung unabhängig vom Potenzial zu kontrollieren, um ihre Ergebnisse zu testen. „Wir brauchten einen chemischen Weg, um zu verändern, wie viel Ladung die Katalysatoren speichern können. Uns wurde schnell klar, dass wir das tun konnten, indem wir einen Teil des Sauerstoffs auf der Oberfläche durch Chlor ersetzen, da Chlor nicht oxidiert werden kann, um zusätzliche Ladung zu speichern“, sagt Javier Pérez-Ramírez von der ETH Zürich.
Das Zürcher Team nutzte sein Fachwissen in der Halogenchemie, um eine Reihe von Katalysatoren mit unterschiedlichen Chlormengen herzustellen. Wie erwartet, variierte die Ladung, die die Katalysatoren speichern konnten, mit der Menge des darauf befindlichen Chlors. Elektrokatalytische Tests dieser neuen Materialien verifizierten ihr Verhalten in der Sauerstoff-Entwicklungs-Reaktion und stimmten mit den Vorhersagen des Teams überein. „Zu sehen, wie die Veränderung der Fähigkeit eines Katalysators, Ladung zu speichern, seine katalytische Aktivität vorhersagbar veränderte, gab uns Vertrauen in die Ergebnisse. Wir gehen davon aus, dass dieses Ergebnis auf eine riesige Klasse von Elektrokatalysatoren zutreffen wird, und wir planen, dieses neue Wissen zu nutzen, um neue Materialien zu entwerfen und zu testen“, sagt Travis Jones vom Fritz-Haber-Institut.
Aus dem Abstract in Nature: Elektrokatalysatoren beschleunigen die Sauerstoffentwicklungsreaktion, indem sie den erforderlichen Elektronentransfer, die Bildung und das Aufbrechen chemischer Bindungen erleichtern. Diese Beteiligung an grundlegend verschiedenen Prozessen führt zu einer komplexen elektrochemischen Kinetik, die schwer zu verstehen und zu kontrollieren sein kann, und die typischerweise exponentiell von Überpotenzialen abhängt. Ein solches Verhalten tritt auf, wenn die angelegte Vorspannung die Reaktion in Übereinstimmung mit der phänomenologischen Butler-Volmer-Theorie treibt, die sich auf den Elektronentransfer konzentriert, wodurch die Verwendung der Tafelanalyse ermöglicht wird, um mechanistische Erkenntnisse unter Quasi-Gleichgewichts oder stationären Annahmen zu gewinnen. Die Aufladung von Katalysatoroberflächen unter Vorspannung wirkt sich jedoch auch auf die Bindungsbildung und den Bindungsbruch aus, deren Einfluss auf die elektrokatalytische Rate von der phänomenologischen Tafelanalyse nicht berücksichtigt wird und oft unbekannt ist. Die Autoren berichten über Pulsvoltammetrie- und operando-Röntgenabsorptionsspektroskopie-Messungen an Iridiumoxid, um zu zeigen, dass die angelegte Vorspannung nicht direkt auf die Reaktionskoordinate wirkt, sondern den elektrokatalytisch erzeugten Strom durch Ladungsakkumulation im Katalysator beeinflusst. Wir stellen fest, dass die aktivierungsfreie Energie linear mit der Menge der gespeicherten oxidativen Ladung abnimmt, und zeigen, dass diese Beziehung der elektrokatalytischen Leistung zugrunde liegt und durch Messung und Berechnung ausgewertet werden kann. Wir erwarten, dass diese Erkenntnisse dazu beitragen, andere elektrokatalytische Materialien und Designsysteme mit verbesserter Leistung besser zu verstehen.
->Quellen:
- fhi.mpg.de/news-science/fundamentale-rolle-chemie-elektrokatalytische-wasserspaltung
- ethz.ch/decoding-the%20way-catalysts-work
- Hong Nhan Nong, Lorenz J. Falling, Arno Bergmann, Malte Klingenhof, Hoang Phi Tran, Camillo Spöri, Rik Mom, Janis Timoshenko, Guido Zichittella, Axel Knop-Gericke, Simone Piccinin, Javier Pérez-Ramírez, Beatriz Roldan Cuenya, Robert Schlögl, Peter Strasser, Detre Teschner & Travis E. Jones: Key role of chemistry versus bias in electrocatalytic oxygen evolution, in: Nature, 18. Oktober 2020, Bd. 587, S. 408–413(2020) – doi: https://doi.org/10.1038/s41586-?020-2908-2
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