Im Wortlaut: Die Entschließung des Bundesrates zur Schaffung eines Rechtsrahmens für eine Wasserstoffwirtschaft
- Der Bundesrat unterstützt die Bestandsaufnahme zur Regulierung von Wasserstoffnetzen durch die Bundesnetzagentur für Elektrizität, Gas, Telekommunikation, Post und Eisenbahnen (BNetzA). Die Bestandsaufnahme einschließlich des durchgeführten Konsultationsverfahrens bietet eine fachliche Grundlage für die Erarbeitung eines regulatorischen Rahmens für Wasserstoffnetze. Der Bundesrat regt an, erste maßgebliche Schritte zur Anpassung des Rechtsrahmens kurzfristig und noch in dieser Legislaturperiode anzustoßen.
- Der Bundesrat ist dabei der Auffassung, dass im Hinblick auf das Klimaziel für 2050 die Wasserstoffnutzung letztlich gleichbedeutend mit der Verwendung Grünen Wasserstoffs ist. Er ist gleichermaßen der Auffassung, dass auf dem Weg dahin ein Technologiehochlauf und ein Heimatmarkt insbesondere für Demonstrationsanlagen erforderlich ist, der bereits jetzt entwickelt werden muss, ohne dass derzeit die entsprechenden Mengen Grünen Wasserstoffs zur Verfügung stehen. Ziel muss ein schnellstmöglicher Transformationsprozess hin zur Dekarbonisierung sein. Wenn übergangsweise weiterhin auch Wasserstoff aus anderen Herstellungsprozessen eine Rolle spielt, so muss der größtmögliche Beitrag zur Dekarbonisierung stets im Blick behalten werden. Im Rahmen dieses Technologiehochlaufs muss zudem darauf geachtet werden, dass Lock-In-Effekte bei den notwendigen Investitionen vermieden werden.
- Der Bundesrat nimmt zur Kenntnis, dass aktuell aufgrund noch nicht ausreichender Wasserstofftransportinfrastruktur Elektrolyseuranlagen vielfach bedarfsnah errichtet werden und ist zugleich der Auffassung, dass langfristig für die Bereitstellung Grünen Wasserstoffs der Frage der Verfügbarkeit zusätzlichen Stroms aus Erneuerbaren Energien zukünftig besonderes Gewicht zukommt. Gleichzeitig sind auch systemverträgliche Schnittstellen zwischen Energieinfrastrukturen und Wasserverfügbarkeit bedeutsam. Der Bundesrat betont, dass er mit dem Aufbau einer Wasserstoffwirtschaft weder den bereits beschlossenen, noch den zukünftig notwendigen weiteren Stromnetzausbau in Frage stellt. Dabei ist anzustreben, dass der Betrieb von Elektrolyseuren systemdienlich erfolgt, um energetische Verluste und unnötigen Folge-Transportaufwand zu vermeiden.
- Der Bundesrat erachtet die Umsetzung eines ambitionierten Rechtsrahmens für eine nachhaltige Wasserstoffwirtschaft für erforderlich. Die europäische Richtlinie zur Förderung der Nutzung von Energie aus erneuerbaren Quellen (RED II) bietet auf europäischer Ebene eine wichtige Grundlage. Der Bundesrat hält es weitergehend für erforderlich, dass das Umlagen-, Steuer- und Abgabensystem im Energiesektor einer grundsätzlichen Reform unterzogen und hierbei systematisch, sektorenkopplungsfreundlich, dekarbonisierungsorientiert und technologieoffen fortentwickelt wird. Dazu gehört auch eine schrittweise Reduzierung der EEG-Umlage für Sektorenkopplungs-Technologien, wie beispielsweise Wasserstoff-Elektrolyseanlagen. In eine solche grundsätzliche Reform sind auch die im Klimaschutzprogramm 2030 angekündigten, am 10. Juni 2020 vom Bundeskabinett mit der nationalen Wasserstoffstrategie beschlossenen und im aktuellen Referentenentwurf zur EEG-Novelle 2021 bekräftigten Bestrebungen der Bundesregierung einzuordnen, die Produktion von Grünem Wasserstoff von der EEG-Umlage zu befreien.
Der Bundesrat hält eine unverzügliche gesetzliche Umsetzung der Umlagebefreiung für erforderlich.
Hierdurch kann – neben anderen erforderlichen und in der nationalen Wasserstoffstrategie bereits angelegten Maßnahmen und Instrumenten – ein wirtschaftlicher Anreiz für die Erzeugung und Nutzung von Grünem Wasserstoff rechtzeitig geschaffen werden. Die angestrebte Absenkung der EEG-Umlage für alle Stromverbraucher darf durch diese Maßnahme für den nicht privilegierten Ver-brauch nicht gefährdet werden und andere Sektorenkopplungs-Technologien im Wettbewerb dürfen hierdurch nicht benachteiligt werden (Level-Playing-Field). - Der Bundesrat fordert die Bundesregierung auf, rechtzeitig die Voraussetzungen für die Realisierung von Vorhaben zur Erzeugung, zur Nutzung, zur Speicherung und zum Transport wie zum Import von Wasserstoff zu schaffen. Dies umfasst insbesondere eine Anpassung des Planungs- und Genehmigungsrechts sowie die weitergehende Einbeziehung von Wasserstoffinfrastruktur in die Bedarfsplanung. Auf diese Weise kann die Grüngasvariante des Netzentwicklungsplanes Gas 2020 bis 2030 grundsätzlich nach Maßgabe einer fachlichen Bedarfsprüfung durch die BNetzA bestätigungsfähig werden. Nur so werden die mit der nationalen Wasserstoffstrategie verankerten Ausbauziele für Wasserstoffinfrastruktur erreichbar. Auf diese Weise kann auch die werterhaltende Nutzung bestehender Gasinfrastruktur – beispielsweise im Rahmen freiwerdender Leitungen durch die L-H-Gasumstellung – zum Transport von Wasserstoff ermöglicht werden. Zu diesem Zweck könnte Wasserstoff technologieneutral in den Anwendungsbereich des Energiewirtschaftsgesetzes (EnWG) aufgenommen werden. Zugleich bedarf es einer wirksamen und wegen des marktlich organisierten internationalen Austauschs leitungsgebundener Energieträger europäisch abgestimmten Regelung und Zertifizierung zur Berücksichtigung der einhergehenden CO2-Minderung des jeweiligen Erzeugungspfades.
- Der Bundesrat stellt fest, dass zur Gewährleistung einer künftigen Versorgung mit Wasserstoff in Deutschland insbesondere auch den vorhandenen und in Richtung Wasserstoffaufnahme weiterzuentwickelnden Gasspeichern eine besondere Bedeutung zukommt. Die Bundesregierung wird daher dazu aufgefordert, dies bei der Umsetzung der nationalen Wasserstoffstrategie adäquat zu berücksichtigen.
- Der Bundesrat setzt sich dafür ein, dass für bestehende Wasserstoffleitungen insbesondere im industriellen Bereich – beispielsweise als industrielle Verteilnetze – eine allen Interessen angemessene Regelung geschaffen wird.
- Der Bundesrat legt Wert auf die Feststellung, dass er sich der Herausforderung bewusst ist, den regulatorischen Rahmen parallel auf nationaler und europäischer Ebene synchron und zügig zu entwickeln. Supranationaler Handel mit und der Transport von zukünftigen (erneuerbaren) Gasqualitäten erfordert harmonisierte Standards für die Produktqualitäten, die Zertifizierung beziehungsweise Herkunftsnachweise sowie technische Normungsanforderungen. Nur so wird es möglich sein, letztlich die erforderlichen Mengen an Grünem Wasserstoff zur Verfügung zu stellen. Erste nationale Schritte zum Aufbau einer Wasserstoffinfrastruktur und nachhaltigen Wasserstoffwirtschaft sind daher nicht nur für die nationale Zielerreichung wichtig, sondern auch erforderlich, um mit diesen ersten praktischen Erfahrungen Einfluss auf die zu schaffenden europäischen Standards zu nehmen.
- Zur Schaffung eines europäischen Marktes für Grünen Wasserstoff und daraus hergestellter Folgeprodukte ist eine eindeutige Klassifizierung beziehungsweise Zertifizierung von Grünem Wasserstoff sowie eine wirkungsvolle Anrechnung von CO2-Vermeidungsfaktoren für das Inverkehrbringen von grünen Folgeprodukten, beispielsweise grünem Methanol, auf europäischer Ebene erforderlich. Der Bundesrat fordert daher entsprechende Anpassungen des europäischen Rechtsrahmens.
- Grüner Wasserstoff ist für die Produktion strombasierter Kraftstoffe für den Verkehrssektor unerlässlich, insbesondere für die Luftfahrt und die Schifffahrt. „Grünes“ Kerosin, unter anderem mittels Wasserstoff hergestellt, der aus regenerativen Energien gewonnen wurde, ist wesentlicher Antriebsstoff für die Luftfahrt der Zukunft. Zur Vermeidung von erheblichen Wettbewerbsnachteilen für die deutsche Luftverkehrswirtschaft ist bei Überlegungen zur Festlegung einer Beimischungsquote für alternative Kraftstoffe jedoch primär eine europäische oder internationale Lösung anzustreben. Für den Fall einer nationalen Lösung einer Beimischungsquote sind Schutzmechanismen erforderlich, die eine Schlechterstellung deutscher Unternehmen vermeiden. Es ist zu prüfen, ob neben einer Beimischungsquote auch andere Markt- und Einführungsmodelle zielführend eingeführt werden können.
Entscheidung liegt bei Bundesregierung
Die Entschließung wurde der Bundesregierung zugeleitet. Diese entscheidet, ob und wann sie die Forderungen des Bundesrates umsetzt. Feste Fristvorgaben gibt es hierfür nicht.
->Quellen: