Soziologe Neckel im Dlf: „Die Atomenergie war eigentlich nie richtig weg“
Die Atomenergie erlebt – zumindest in der Diskussion – eine Renaissance, obwohl Wissenschaftler aus Sussex und München in einer am 05.10.2020 in Nature Energy veröffentlichten Untersuchung sagen, Kernenergie trage nicht zur Senkung von CO2-Emissionen bei – Erneuerbare Energien dagegen sehr wohl. Der Chef der Internationalen Atomenergie-Agentur IAEA, Rafael Grossi, forderte am 26.10.2020 einen Aufschub des Atomausstiegs: Ohne Atomkraft, behauptete er, seien die Ziele des Pariser Klimaschutzabkommens COP21 nicht zu erreichen. Und die EU-Kommission werde aus Atomkraft erzeugten (violetten) Wasserstoff als „CO2-arm“ betrachten, erklärte die EU-Beamtin Paula Abreu Marques am 16.11.2020 vor dem EU-Parlament. Der Soziologe Sighard Neckel sagte am 29.11.2020 im Dlf, mit der Atomenergie verschiebe man die unlösbaren Probleme der Gegenwart lediglich in die Zukunft.
Die Befürworter des Atomstroms argumentieren mit dem Klimaschutz. In den Niederlanden zieht man den Neubau von mehreren Kernkraftwerken in Betracht, um die Klimaziele des Landes zu erreichen. Und auch der neue US-Präsident Joe Biden setzt im Kampf gegen den Klimawandel auf eine neue Generation von mobilen und vor allem sicheren Mini-Kraftwerken.
„Die Atomenergie war eigentlich nie richtig weg“, sagte Sighard Neckel im Gespräch mit Anja Reinhardt im Dlf. In Frankreich und selbst in Japan habe die Atomenergie auch nach dem GAU von Fukushima 2011 weiter eine große Rolle gespielt. Und die Diskussion um die globalen Klimaziele, also, dass man nur noch wenig CO2 emittieren dürfe, sei „jetzt der Hintergrund dafür, dass die Atomenergie sich auf einmal wieder so stark ins Spiel gebracht hat, als CO2-freie Form der Energieerzeugung“, so der Gesellschaftsanalytiker. Patrick Schmid, Professor für Quantitative Methoden an der ISM in München, ist dagegen in einer am 05.10.2020 in Nature Energy veröffentlichten Untersuchung eindeutig: „Der Zusammenhang zwischen Erneuerbaren Energien und geringeren CO2-Emissionen [ist] ungefähr siebenmal stärker als der Zusammenhang zwischen Nuklearenergie und CO2-Emissionen.“
Allerdings kritisiert Neckel, dass man mit einer Reaktivierung der Atomenergie, die Probleme der Gegenwart, die man momentan nicht lösen könne, nur in die Zukunft verschiebe. „Die Frage des Atommülls ist ungeklärt. Selbst in den USA gibt es keine Aussicht, ein Endlager zu haben“. Man versuche mit alten Technologien, die Klimakrise zu lösen, was widersinnig sei.
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