Regierung: Bewertung der Treibhausgasminderungsquote (noch) nicht möglich

Ölmultis müssen CO2-Ausstoß ihres Sprits verringern

Die Bundesregierung kann die Folgen der weiterentwickelten Treibhausgasminderungsquote zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht bewerten – so am 05.01.2021 der parlamentseigene Pressedienst heute im bundestag. Dazu lägen lediglich zwei innerhalb der Bundesregierung noch nicht abgestimmte Referentenentwürfe (Referentenentwurf für ein Gesetz zur Weiterentwicklung der Treibhausgasminderungs-Quote und Referentenentwurf für eine Verordnung zur Festlegung weiterer Bestimmungen zur Weiterentwicklung der Treibhausgasminderungs-Quote des BMU, mit denen die Vorgaben der Richtlinie (EU) 2018/2001 („RED II“) in nationales Recht umgesetzt werden sollen) vor, schreibt sie in der Antwort (19/25413) auf eine Kleine Anfrage (19/24888) der FDP-Fraktion.

Abgase im StraßenbverkehrFoto © Gerhard Hofmann für Solarify

Die Umsetzung der EU-Richtlinie RED II in nationales Recht verpflichtet Kraftstoff-Unternehmen in Form einer Treibhausgasminderungsquote , das bei der Verbrennung freigesetzte CO2 zu verringern. Dabei muss eine  umgesetzt werden.

Wie aus der Antwort der Bundesregierung hervorgeht, wurden 2019 durch den Einsatz von Biokraftstoffen rund 9,7 Millionen Tonnen CO2-Äquivalente eingespart. Nach eigenen Angaben plant die Bundesregierung, im laufenden Gesetzgebungsverfahren (bmu.de/gesetz/referentenentwurf-eines-gesetzes-zur-weiterentwicklung-der-treibhausgasminderungs-quote) festzuschreiben, dass grüner Wasserstoff auf die Verpflichtung der Kraftstoffanbieter anrechenbar ist. (hib/CHB) Solatify dokumentiert.

Im Wortlaut: Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Dr. Lukas Köhler, Frank Sitta, Grigorios Aggelidis, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der FDP – Drucksache 19/24888 – Verfehlung der Klimaschutzziele im Verkehr durch die Treibhausgasminderungsquote

Vorbemerkung der Fragesteller

Technische Innovationen haben den CO2-Ausstoß pro Kilometer im Verkehr seit dem Jahr 2000 um 38 Prozent verringert, aber aufgrund der gleichzeitig deutlich gewachsenen Verkehrsleistung nicht zu einer spürbaren Verringerung der Gesamtemissionen geführt. Im Jahr 2018 waren die CO2-Emissionen im Verkehr in Deutschland mit 162 Millionen Tonnen CO2-Äquivalenten nahezu so hoch wie 1990. Mit einem Anteil von 60,6 Prozent sind Pkws die mit Abstand größte Emissionsquelle im Verkehr, es folgen mit 35,6 Prozent die Straßen-Nutzfahrzeuge inklusive Busse (vgl. https://www.bmu.de/fileadmin/Daten_BMU/Download_PDF/Klimaschutz/klimaschutz_zahlen_2019_fs_verkehr_de_bf.pdf). Dieser Anteil von 96,2 Prozent der Emissionen macht den Straßenverkehr zum vorrangigen Problem gegenüber dem nationalen Luftverkehr, der Binnenschifffahrt und dem Schienenverkehr.

Laut Bundes-Klimaschutzgesetz dürfen 2026 im Verkehr noch 117 Millionen Tonnen CO2-Äquivalente ausgestoßen werden. Das entspricht einer Minderung um rund 28 Prozent gegenüber 2018.Um die Klimaschutzziele zu erreichen, gibt es drei Ansatzpunkte:

  1. entweder wird die Verkehrsnachfrage reduziert,
  2. das Verkehrsaufkommen wird auf emissionsärmere Alternativen verlagert oder
  3. die Antriebsenergie wird defossilisiert.

Die Verkehrsverflechtungsprognose konstatiert, dass sowohl Verkehrsaufkommen als auch Verkehrsleistung bis 2030 weiter zunehmen. Aus der bisherigen Erfahrung der Verkehrspolitik der letzten 30 Jahre ergibt sich nach Auffassung der Fragesteller weder ein Grund zu der Annahme, dass eine grundsätzliche Verhaltensänderung im Individualverkehr stattfindet noch sind ideologiegetriebene Vorgaben darüber, wie individuelle Mobilität vonstatten zu gehen habe, wünschenswert (vgl. https://background.tagesspiegel.de/mobilitaet/der-bmu-entwurf-zur-red-ii-ist-klimaschutzfeindlich).

Damit Klimaschutz im Einklang mit dem hohen Gut individueller Mobilität in allen Teilen Deutschlands gelingen kann, ist der richtige Ansatzpunkt nach Ansicht der Fragesteller daher die Defossilisierung der Antriebsenergie. Das beste Instrument hierfür wäre nach Ansicht der Fragesteller die Einbeziehung des Verkehrs in den EU-Emissionshandel, der nach Ansicht der Fragesteller zuverlässig zur Klimaneutralität in allen einbezogenen Sektoren führt. Alle Neugestaltungen von Regulierungen sollten nach Ansicht der Fragesteller die Anschlussfähigkeit zum EU-Emissionshandel als Ziel im Blick haben und geeignete Übergangspfade aufzeigen. Bisher zentrales Instrument der deutschen Klimapolitik ist die Treibhausgasminderungsquote (THG-Quote), die im Jahr 2015 die Biokraftstoffquote abgelöst hat. Wenn diese so ausgestaltet würde, dass sie den Startschuss für den technologieneutralen Wettlauf um die Zukunft gibt und dafür sorgt, dass der notwendige Markthochlauf der zukunftsweisenden Antriebstechnologien nicht länger verschleppt wird, wäre sie aus Sicht der Fragesteller zu begrüßen. Mit dem am 22. September 2020 vorgelegten Referentenentwurf zur Weiterentwicklung der THG-Quote und einer zugehörigen Verordnung werden diese Aussichten aus Sicht der Fragesteller jedoch zunichte gemacht. Durch die THG-Quote sind die Inverkehrbringer verpflichtet, die durchschnittlich bei der Verbrennung eines Liters Kraftstoff freigesetzte CO2-Menge zu verringern. Die Weiterentwicklung der THG-Quote dient dabei der Umsetzung der Neufassung der Erneuerbare-Energien-Richtlinie (EU) 2018/2001 (RED II), durch welche die Verpflichtung der Mitgliedstaaten 2030 auf einen Mindestanteil erneuerbarer Energien im Verkehr von bisher 10 Prozent im Jahr 2020 auf 14 Prozent angehoben wird.

Der vorliegende Referentenentwurf sieht vor, die zwischen 2015 und 2020 bereits von 3,5 auf 6 Prozent erhöhte THG-Quote bis 2025 auf dem gleichen Niveau zu halten und sie im Jahr 2026 auf 7,25 Prozent zu erhöhen. Damit ist die Ambitionensteigerung nicht nur deutlich geringer als zwischen 2015 und 2020, sondern nach Ansicht der Fragesteller auch unvereinbar mit den Zielen des Bundes-Klimaschutzgesetzes, der Nationalen Wasserstoffstrategie sowie dem Integrierten Nationalen Energie- und Klimaplan. Der Entwurf ergreift zu-dem die in der RED II vorgesehene Möglichkeit, unterschiedliche Technologien mit verschiedenen Faktoren auf die Mindestanteile erneuerbarer Energie anzurechnen. So entsteht einerseits eine explizite Förderhierarchie, in der bestimmte Technologien bevorzugt, andere benachteiligt werden. Andererseits erfolgt in Konsequenz dieser Förderhierarchie eine um denselben Faktor verminderte tatsächliche Treibhausgasminderung durch die jeweilige Technologie: So muss nach vorliegendem Entwurf die batteriebetriebene Autoflotte nur ein Viertel der Treibhausgase einsparen, um vor dem Gesetz als genauso klimafreundlich wie die brennstoffzellenbetriebene Fahrzeugflotte zu gelten.

Die Möglichkeit einer für unterschiedliche Technologien verschiedenen Mehrfachanrechnung ist zwar in der RED II angelegt, ihre konkrete Anwendung und Ausgestaltung in nationaler Gesetzgebung aus Sicht der Fragesteller aber zumindest fragwürdig.In der Nationalen Wasserstoffstrategie wurden durch Maßnahme 5 für den Verkehr ambitioniertere Ziele als im vorliegenden Gesetzentwurf gesetzt. Dort heißt es, der Mindestanteil erneuerbarer Energien am Endenergieverbrauch des Verkehrssektors solle im Jahr 2030 signifikant über die EU-Vorgaben hinaus erhöht werden. Außerdem solle die nationale Umsetzung der RED II genutzt werden, um die Anrechnung des Einsatzes von grünem Wasserstoff bei der Produktion von Kraftstoffen auf die Treibhausgasminderungs-Quote zu ermöglichen und Anreize so zu setzen, dass grüner Wasserstoff bei der Produktion von Kraftstoffen schnellstmöglich zum Einsatz komme, damit der Markthochlauf zügig erfolgen könne.

Im Integrierten Nationalen Energie- und Klimaplan wird zudem ein indikativer sektoraler Zielpfad für den Verkehr über den Anteil erneuerbarer Energien am Endenergieverbrauch für den Verkehrssektor angegeben. Hierin wird bis 2025 bereits ein Anteil von 13 Prozent und bis 2030 von 27 Prozent anvisiert. Die Antragsteller haben erhebliche Zweifel, dass die Ziele aus Bundes-Klimaschutzgesetz, Nationaler Wasserstoffstrategie und Integriertem Nationalen Energie- und Klimaplan mit dem vorliegenden Referentenentwurf erreichbar wären. Verschärft wird der dargestellte Zusammenhang dadurch, dass die zugrundeliegende RED II aufgrund des Green Deals und der daraus bis Ende des Jahres resultierenden Anhebung des EU-Klimaschutzziels auf 55 Prozent THG-Minderung gegenüber dem Jahr 1990 ihrerseits nachgebessert wird. Nach der aktuellen Roadmap rechnet die Kommission bereits im zweiten Quartal 2021 mit der Annahme eines entsprechenden Vorschlags zur RED II. Damit wird das Gesetz zur Weiterentwicklung der THG-Quote auch hinsichtlich seiner EU-Konformität in absehbarer Zeit bereits veraltet und reformbedürftig sein.

Vorbemerkung der Bundesregierung

Bei den erwähnten Entwürfen handelt es sich um einen Referentenentwurf für ein Gesetz zur Weiterentwicklung der Treibhausgasminderungs-Quote und einen Referentenentwurf für eine Verordnung zur Festlegung weiterer Bestimmung zur Weiterentwicklung der Treibhausgasminderungs-Quote des Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicherheit, mit denen die Vorgaben der Richtlinie (EU) 2018/2001 („RED II“) in nationales Recht umgesetzt werden sollen. Die Entwürfe sind noch nicht innerhalb der Bundesregierung abgestimmt. Sowohl die Höhe der Treibhausgasminderungs-Quote des § 37a Absatz 4 des Bundes-Immissionsschutzgesetzes als auch die Obergrenzen und Mindestanteile von verschiedenen Biokraftstoffen der 38. Bundes-Immissionsschutzverordnung haben Auswirkungen auf die gesamte Treibhausgasminderung durch erneuerbare Kraftstoffe und andere erneuerbare Energieerzeugnisse sowie ihren Anteil am Gesamtenergieverbrauch im Verkehr. Eine Bewertung der Folgen ist angesichts der andauernden Beratungen innerhalb der Bundesregierung zum jetzigen Zeitpunkt nicht möglich.

    1. Aufgrund welcher Berechnung erachtet die Bundesregierung die Zielvorgaben der RED II auf einen Anteil von 14 Prozent erneuerbare Energien im Verkehr (einschließlich Mehrfachanrechnung) bis 2030 bereits im Jahr 2026 durch den vorgelegten Referentenentwurf als erfüllt?
    2. Wie beabsichtigt die Bundesregierung sicherzustellen, dass die im Bundes-Klimaschutzgesetz zugelassene Jahresemissionsmenge von 117 Millionen Tonnen CO2-Äquivalenten im Verkehr im Jahr 2026 nicht überschritten wird?
      a) Welchen Anteil trägt nach Auffassung der Bundesregierung welches Instrument zur Zielerreichung des Bundes-Klimaschutzgesetzes bei?
      b) Welchen Anteil trägt nach Auffassung der Bundesregierung die Weiterentwicklung der THG-Quote zur Zielerreichung des Bundes-Klimaschutzgesetzes bei?
    3. Wie beabsichtigt die Bundesregierung sicherzustellen, dass das in Maßnahme 5 der Nationalen Wasserstoffstrategie begründete Ziel erreicht wird, den Mindestanteil erneuerbarer Energien am Endenergieverbrauch im Verkehrssektor im Jahr 2030 signifikant über die EU-Vorgaben hinaus zu erhöhen? Wurde in der Formulierung des Ziels der Nationalen Wasserstoffstrategie, den Mindestanteil erneuerbarer Energien am Endenergieverbrauch im Verkehrssektor im Jahr 2030 signifikant über die EU-Vorgabe hinaus zu erhöhen, bereits von einer Mehrfachanrechnung der verschiedenen Technologien ausgegangen?

Die Fragen 1 bis 3 werden wegen des Sachzusammenhanges gemeinsam beantwortet. Es wird auf die Vorbemerkung der Bundesregierung verwiesen.

4. Wie beabsichtigt die Bundesregierung sicherzustellen, dass das in Maßnahme 5 der Nationalen Wasserstoffstrategie begründete Ziel erreicht wird, dass grüner Wasserstoff bei der Produktion von Kraftstoffen schnellstmöglich zum Einsatz kommen soll?

Gemäß RED II ist Wasserstoff aus erneuerbaren Quellen, der bei der Produktion konventioneller Kraftstoffe eingesetzt wird, auf die Verpflichtung von Kraftstoffanbietern anrechenbar. Die Bundesregierung beabsichtigt, die Anrechenbarkeit im laufenden Gesetzgebungsverfahren gesetzlich festzuschreiben und nachfolgend weitere Bestimmungen, insbesondere zur Entnahme von Elektrizität aus dem Netz zu erlassen, sodass diese Option den quotenverpflichteten Unternehmen schnellstmöglich eröffnet wird und grüner Wasserstoff zum Einsatz kommt.

5. Wie beabsichtigt die Bundesregierung sicherzustellen, dass der im Integrierten Nationalen Energie- und Klimaplan anvisierte indikative sektorale Zielpfad von 27 Prozent Anteil erneuerbarer Energien am Endenergieverbrauch für den Verkehrssektor im Jahr 2030 eingehalten wird?

Es wird auf die Vorbemerkung der Bundesregierung verwiesen.

6. Welche Auswirkung erwartet die Bundesregierung durch die Anhebung des EU-Klimaschutzzieles auf 55 Prozent THG-Minderung gegenüber 1990 auf die Erneuerbare-Energien-Richtlinie in Bezug auf die Einbeziehung erneuerbarer Energien im Verkehrssektor?

Die Europäische Kommission hat im Rahmen des Klimazielplans 2030 eine Revision der RED II angekündigt. Im Übrigen liegen der Bundesregierung keine weiteren eigenen Informationen vor.

7. Aus welchen Gründen hat sich die Bundesregierung für einen Anteil von 7,25 Prozent erneuerbare Energien im Verkehr im Jahr 2026 und mutmaßlich 14 Prozent im Jahr 2030 entschieden, statt eines branchen- und verbandsseitig geforderten ambitionierten Zieles von beispielsweise 23 Prozent ohne Mehrfachanrechnung im Jahr 2030 oder bei Einbeziehung der Mehrfachanrechnung von 35 Prozent oder mehr im Jahr 2030?

Es wird auf die Vorbemerkung der Bundesregierung verwiesen.

8. Hat die Bundesregierung Kenntnisse darüber, welchen tatsächlichen Gesamtbeitrag jede Technologie zur Nutzung erneuerbarer Energiequellen im Hinblick auf die Zielvorgaben der RED II für den Anteil von Energie aus erneuerbaren Quellen im Verkehrssektor im Jahr 2019 geleistet hat?
a) Wie vielen vermiedenen Tonnen CO2 entspricht der tatsächliche Gesamtbeitrag jeder Technologie?

Durch den Einsatz von Biokraftstoffen wurden laut Evaluations- und Erfahrungsbericht der Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung im Jahr 2019 rund 9,7 Mio. Tonnen an CO2-Äquivalent an direkten Emissionen eingespart. Die Einsparungen durch andere Energieerzeugnisse, die zur Erfüllung der Treibhausgasminderungs-Quote eingesetzt wurden, können folgendem Link entnommen werden: https://www.zoll.de/DE/Fachthemen/Steuern/Verbrauchsteuern/Treibhausgasquote-THG-Quote/Statistiken/statistiken_node.htmlDrucksache 19/25413.

->Quellen: