Solarpflicht für Neubauten

Hamburg verkündet seine Solaroffensive

Mit dem Beschluss der ersten Rechtsverordnung zum Klimaschutzgesetz macht der Hamburger Senat Ernst beim Thema Energiewende: Ab 2023 besteht für Neubauten eine Solardachpflicht, beim Heizungstausch müssen Erneuerbare Energien eingebunden werden. Joschua Katz hat am 08.01.2021 für energiezukunft die hanseatischen Klimaschutzmaßnahmen zusammengestellt.

PV-Dachprojekt in Berlin – Foto © Gerhard Hofmann für Solarify

Noch im alten Jahr machte der Hamburger Senat einen wichtigen Schritt in Richtung Klimaschutz. Kurz vor Weihnachten wurde neben dem Klimaplan auch das Klimaschutzgesetz beschlossen, das im Neubau die Installation von Photovoltaikanlagen auf Hamburgs Dächern ab 2023 verpflichtend macht. In Bestandsgebäuden kommt die Solarpflicht ab 2025 – aber nur, wenn die Dachhaut komplett saniert werden muss. Außerdem soll beim Heizungstausch schon ab dem Sommer dieses Jahres ein Mindestanteil des Wärmeenergiebedarfs aus Erneuerbaren Energien stammen.

Mit dem Klimaplan hat der Senat auch ein wichtiges Klima- und Konjunktur-Projekt der Hansestadt beschlossen, das mehr als 400 Einzelmaßnahmen umfasst. Dadurch soll Hamburg seine Klimaziele, bis 2030 den CO2-Ausstoß um 55 Prozent zu senken und bis 2050 klimaneutral zu werden, erreichen.

Verpachtung von Dachflächen ebenfalls möglich

Bei der Solardachpflicht hat der Senat auf die Festlegung einer Mindestgröße für die Photovoltaik-Anlage verzichtet. Dadurch sollen die Hauseigentümer selbst entscheiden, welche Anlagengröße ihren wirtschaftlichen Interessen entspricht und ob eine Kombination mit einer Dachbegrünung sinnvoll ist. Die Umsetzung der Solarpflicht können Hauseigentümer auch Dritten überlassen, was eine Verpachtung der Dachfläche ermöglicht.

Dabei wird der Grundsatz der Wirtschaftlichkeit für die Solardachpflicht als notwendig angesetzt. Die PV-Anlage muss sich innerhalb von 20 Jahren amortisieren, ansonsten entfällt die Pflicht. Grundsätzlich wird aber angenommen, dass sich die meisten Anlagen schon deutlich schneller amortisieren und gleichzeitig länger als 20 Jahre im Betrieb sein werden. Ausnahmen gibt es für Einzelfällte, in denen die Installation technisch unmöglich oder die Anlage mit anderen unvermeidbaren Nutzungen konkurriert.

„Hamburgs Dächer bieten ein enormes Potenzial zum Ausbau der Solarenergie“, sagt Hamburgs Umweltsenator Jens Kerstan. „Gerade im dicht bebauten städtischen Bereich gilt es, geeignete Flächen zu nutzen, am besten mehrfach.“ Die Technik sei ausgereift und seit 20 Jahren immer wirtschaftlicher und effizienter geworden, weswegen sie mittlerweile zum Standard bei anspruchsvolleren Bauvorhaben gehörten.

Mindestens 15 Prozent Erneuerbare beim Heizungstausch

Beim Heizungstausch muss die Wärme für Gebäude in der Hansestadt ab dem Sommer zu mindestens 15 Prozent aus Erneuerbaren Energien stammen. Dabei setze man „auf zuverlässige und erprobte Technologien wie etwa der Nutzung von Biomasse, Solarthermie und Umweltwärme, aber künftig auch auf technische Innovationen wie Brennstoffzellentechnik. Wo immer die Möglichkeit besteht, sich an ein Wärmenetz anzuschließen, das Wärme mit einem entsprechenden Anteil Erneuerbarer Energien liefert, kann und soll auch diese einfache Möglichkeit genutzt werden“, so Kerstan.

Deshalb sei der Ausbau von Wärmenetzen mit mehr Erneuerbaren Energien ein weiterer wichtiger Baustein der Wärmewende in Hamburg, wodurch auch langfristig die Steigerung der Kosten für Strom- und Wärme vermieden werden. Außerdem könne die Wohnungswirtschaft ihren Mietern auch entsprechende Mieterstromangebote machen und so die Mieter an der Energiewende teilhaben lassen.

Vorbilder finden sich in Baden-Württemberg

Grüne und SPD hatten in Hamburg bereits 2019 eine Änderung des Klimaschutzgesetzes vorgelegt, das eine Solarpflicht im Neubau ab 2023 und bei Dachsanierungen ab 2025 vorsieht. Vorbilder waren in Baden-Württemberg die Städte Waiblingen und Tübingen. Waiblingen setzt seit 2006 auf eine Solarpflicht, auch wenn die nie im Gemeinderat verabschiedet wurde. Dadurch sind die Häuslebauer nur dann vertraglich zum Bau einer Solardachanlage verpflichtet, wenn die Stadt auch Eigentümer des Grundstücks ist. Tübingen verabschiedete 2018 als zweite deutsche Stadt eine Solarpflicht – vom Stadtrat verabschiedet und damit rechtssicher.

Inzwischen will Baden-Württemberg im ganzen Bundesland den Ausbau der Photovoltaik vorantreiben. Im Mai vergangenen Jahres einigten sich die Koalitionspartner Grüne und CDU auf die Solarpflicht für Neubauten im Nicht-Wohnbereich ab 2022. Im Nichtwohnbereich, also zum Beispiel auf Lager- und Produktionshallen oder Parkhäusern, ist das Flächenpotenzial besonders groß. Dass die Solarpflicht nicht auch für Wohnhäuser gilt, ist nur einem politischen Kompromiss geschuldet.

Sind Anreize besser als Pflichten?

Doch es gibt nicht nur positive Stimmen zu einer Solardachpflicht, wie sie nun auch von Hamburg ins Gesetz geschrieben wurde. So unterstützt der Verband der Solarwirtschaft diesen Weg nicht: Anreize seien besser als Pflichten, lautet die Meinung der Branchenvertreter. „Eine Anreizstruktur ist rechtlich weniger angreifbar, frei von Vollzugsdefiziten und bei Bürgern und Unternehmern deutlich beliebter“, sagt Carsten Körnig, Geschäftsführer des BSW Solar.

Gerhard Stryi-Hipp, Leiter der Gruppe Smart Cities am Fraunhofer Institut für Solare Energiesysteme und Gutachter für die Rechtsverordnung, sieht das jedoch anders: „Mit der so ausgestalteten PV-Pflicht hat Hamburg ein gut fundiertes Regelwerk geschaffen, das den notwendigen Ausbau der Solarenergie stimuliert, ohne die Verpflichteten zu überfordern.“ jk

->Quelle:  energiezukunft.eu/hamburg-verkuendet-seine-solaroffensive