Umfassender Umbau des Energiesystems notwendig, um klimaneutral zu wirtschaften
Um die Ziele des Pariser Klimaabkommens zu erreichen, muss die Staatengemeinschaft bis 2050 klimaneutral wirtschaften. Für das wichtigste klimapolitische Instrument halten viele Regierungen und Fachleute die CO2-Bepreisung – auch Deutschland hat sie gerade für Verkehr und Wärme eingeführt. Eine Studie zeigt jedoch, dass deren Lenkungswirkung nicht so stark ist wie erhofft, wie das Institut für transformative Nachhaltigkeitsforschung (IASS) in Potsdam am 15.01.2021 mitteilte.
Zwar hätten Kohlenstoffpreissysteme in einigen Ländern zu sinkenden Emissionen geführt, einen umfassenden technologischen Wandel bewirkten sie alleine jedoch nicht. Um die erforderlichen Veränderungen voranzutreiben, brauche es eine sektorspezifische Förderung von klimafreundlichen Technologien, zum Beispiel Änderungen des Strommarktdesigns und ein besseres Ladenetz für Elektroautos. Dafür seien erhebliche Investitionen erforderlich.
Die Bilanz der CO2-Besteuerung sei in dieser Hinsicht enttäuschend, wie die Wissenschaftler Johan Lilliestam (IASS/Uni Potsdam), Anthony Patt (ETH Zürich) und Germán Bersalli (IASS Potsdam) zeigen. Sie untersuchten empirische Studien zu den Wirkungen der Kohlenstoffpreissysteme in der EU, Neuseeland, der kanadischen Provinz British Columbia und den nordischen Ländern.
„Wir beobachten zum Teil beachtliche Senkungen der Emissionen, allerdings nicht durch die dringend nötigen Investitionen in CO2-freie Technologien, sondern durch einen Umstieg auf andere, etwas weniger CO2-intensive Nutzungen. Für die angestrebte Klimaneutralität ist ein Umstieg von Benzin auf Diesel oder von Kohle- auf Gasstrom aber praktisch irrelevant“, sagt Leitautor Johan Lilliestam. Um netto null Emissionen zu erreichen, seien größere, systemische Veränderungen nötig.
Auch hohe CO2-Preise bewirkten kaum Investitionen in CO2-freie Technologien
Die meisten der untersuchten Studien nennen einen niedrigen CO2-Preis und eine zu große Zahl ausgegebener CO2-Zertifikate als Hauptursache für die unzureichende Lenkungswirkung der CO2-Bepreisung. Allerdings ist dies laut Lilliestam, Patt und Bersalli keine hinreichende Erklärung. Denn sogar in den nordischen Ländern mit ihren verhältnismäßig hohen CO2-Preisen war die Lenkungswirkung in Richtung eines technologischen Wandels nicht beobachtbar.
Einen Grund dafür sehen die Wissenschaftler darin, dass andere Politikmaßnahmen – vor allem Förderprogramme für erneuerbare Energien – die Energiewende in Schwung gebracht haben. Solche spezifischen Fördermaßnahmen hätten Investoren stärkere Investitionsanreize als das gleichzeitig umgesetzte Kohlenstoffpreissystem geboten, und der dadurch ausgelöste Ausbau habe zu starken Kostensenkungen vor allem für Wind- und Solarstrom geführt, erklärt Lilliestam. Zudem schwankten die Preise für fossile Energien oft stärker als der Aufschlag, der durch die CO2-Bepreisung entstehe. Diese Schwankungen, zum Beispiel des Benzinpreises, überschatteten damit die Lenkungswirkung der CO2-Steuer.
Als Teil eines Maßnahmenpakets kann CO2-Bepreisung nützlich sein
Trotz der schwachen Bilanz sehen die Wissenschaftler zwei Chancen für CO2-Preise. „Einerseits können sie genutzt werden, um Einnahmen für dringend nötige Fördermaßnahmen und öffentliche Investitionen zu erzielen. Andererseits können sie in bestimmten Sektoren, wie der Kohleverstromung, dazu beitragen, dass die CO2-intensivsten Technologien endgültig ihre Wettbewerbsfähigkeit verlieren, wenn eine alternative Technologie bereit steht“, erläutert Lilliestam. Nicht als zentrales Instrument, aber als Teil eines breit angelegten Maßnahmenpaketes könne die CO2-Bepreisung also dazu beitragen, die Klimaziele zu erreichen.
->Quellen:
- Originalpublikation: Lilliestam, J., Patt, A., Bersalli, G. (2021): The effect of carbon pricing on technological change for full energy decarbonization: A review of empirical ex-post evidence. – Wiley Interdisciplinary Reviews – Climate Change, 12, 1, e681. https://doi.org/10.1002/wcc.681
- iass-potsdam.de/de//co2-bepreisung-allein-bringt-technologischen-wandel-kaum-voran