Der Begriff „Carbon Leakage“ bezeichnet eine Situation, die eintreten kann, wenn Unternehmen aufgrund der mit Klimamaßnahmen verbundenen Kosten ihre Produktion in andere Länder mit weniger strengen Emissionsauflagen verlagern. Dies könnte zu einem Anstieg ihrer Gesamtemissionen führen. In bestimmten energieintensiven Branchen kann das Carbon-Leakage-Risiko höher sein. Im Rahmen des EU-Emissionshandelssystems (ETS) erhalten Industrieanlagen mit erheblichem Carbon Leakage-Risiko in Phase 3 des ETS (2013-2020) gegenüber anderen Industrieanlagen einen höheren Anteil kostenloser Zertifikate, um ihre Wettbewerbsfähigkeit zu fördern. Die Sektoren und Teilsektoren mit Carbon-Leakage-Risiko sind in einer offiziellen Liste aufgeführt. Die Europäische Kommission erstellt die Liste im Einvernehmen mit den Mitgliedstaaten und dem Europäischen Parlament nach einer Folgenabschätzung und einer ausführlichen Konsultation der Interessenträger:
- Die erste Carbon-Leakage-Liste wurde in den Jahren 2013 und 2014 angewendet. Die Liste wurde 2011, 2012 und 2013 geändert.
- Die zweite Carbon-Leakage-Liste, die für die Jahre 2015-2019 gilt, wurde im Oktober 2014 angenommen,
- die dritte für 2019-2030 wurde am 15.02.2019 angenommen.
Gemäß der ETS-Richtlinie (Artikel 10a) wird angenommen, dass ein Sektor bzw. Teilsektor einem erheblichen Carbon-Leakage-Risiko ausgesetzt ist, wenn
- die Summe der durch die Durchführung der Richtlinie verursachten direkten und indirekten zusätzlichen Kosten einen erheblichen Anstieg der Produktionskosten, gemessen in Prozenten der Bruttowertschöpfung, um mindestens 5 % bewirken würde und
- die Intensität des Handels mit Drittstaaten (Einfuhren und Ausfuhren) 10 % übersteigt.
Ein Sektor bzw. Teilsektor wird auch dann als einem solchen Risiko ausgesetzt betrachtet, wenn
- die Summe der direkten und indirekten zusätzlichen Kosten mindestens 30 % beträgt oder
- die Intensität des Handels mit Drittstaaten 30 % übersteigt.
Bei dieser Kostenschätzung wird berücksichtigt, dass auch Sektoren, die nicht in der Carbon-Leakage-Liste aufgeführt sind, in gewissem Umfang für eine kostenfreie Zuteilung in Betracht kommen. Insgesamt wird das Carbon-Leakage-Risiko – ohne kostenlose Zuteilung an die Industrie – als erheblich geringer eingeschätzt als zum Zeitpunkt der Annahme des Klima- und Energiepakets 2020 im Jahr 2009. Die Gründe hierfür:
- Infolge der Wirtschaftskrise und des damit verbundenen Produktions- und Emissionsrückgangs haben die meisten unter das EU-EHS fallenden Industrieanlagen einen erheblichen Überschuss an kostenlosen Zertifikaten akkumuliert.
- Der CO2-Preis ist aufgrund der niedrigeren Nachfrage nach Zertifikaten zurückgegangen.
->Quelle: eur-lex.europa.eu/1614354834153&rid=2