Weltpremiere aus Tübingen und Bern
Rund 40 Prozent des deutschen Schienennetzes sind nicht elektrifiziert. Um diese Lücken zu überwinden, setzen Eisenbahnunternehmen im Schienenpersonennahverkehr auf Dieselloks, die auch auf Streckenabschnitten mit bestehender Oberleitung mit Diesel fahren. Auf Strecken ohne Oberleitung bieten sich Batteriezüge als Lösung an. Das Problem sind Teil- oder Stichstrecken ohne Oberleitung. Batterien ermöglichen bis zu 60 weitere Kilometer auf nicht elektrifizierten Abschnitten; dann muss nachgeladen werden. Die Stadtwerke Tübingen und das schweizerische Unternehmen Furrer+Frey haben eine Lösung entwickelt.
Weltweit erste Schnellladestation für Batteriezüge erfolgreich getestet
Elektromobilität auf Straße und Schiene haben eine Gemeinsamkeit: Eine Ladeinfrastruktur ist Grundvoraussetzung, damit E-Antriebe den fossilen auf absehbare Zeit den Rang ablaufen können. Eine Gemeinschaftsentwicklung der Stadtwerke Tübingen (swt) mit dem Schweizer Unternehmen Furrer+Frey schließt nun im Schienenpersonennahverkehr (SPNV) eine Lücke. Die weltweit erste Schnellladestation für Batteriezüge soll die Weichen für mehr E-Züge dieser Art stellen. Voltap könnte damit einen wichtigen Beitrag für die Dekarbonisierung im Eisenbahnverkehr leisten.
Doch auch dies batteriebetriebenen Antriebsmaschinen haben ein Grundproblem: Ist die Batterie leer, endet die Fahrt, wenn nicht rechtzeitig ein elektrifizierter Abschnitt erreicht wurde. Das restliche Schienennetz mit Oberleitungen zu elektrifizieren, steht insbesondere im ländlichen Raum in einem ungünstigen Kosten-Nutzen-Verhältnis. Denn Oberleitungsbau ist nicht nur mit hohen Investitionskosten verbunden, sondern verschlingt auch vor allem durch Planfeststellungsverfahren viel Zeit.
Eine technische Lösung für dieses Dilemma liefert die neu entwickelte Schnellladestation namens Voltap. Sie ermöglicht es Batteriezügen, betrieblich notwendige Stand- und Haltezeiten zum Aufladen zu nutzen, was Einsatzmöglichkeiten und Reichweiten erheblich vergrößert. Die Innovation aus Tübingen und Bern kann der Batteriezugtechnik als Element einer funktionalen und zuverlässigen Lade-Infrastruktur im Schienenverkehr auf die richtige Spur verhelfen. Die Investitionskosten liegen mit Voltap – beispielsweise im Vergleich zu herkömmlichen Umrichterwerken – um den Faktor fünf niedriger.
Technisch anspruchsvolles Projekt
Zwei Jahre Entwicklungsarbeit stecken in Voltap. Denn als Innovation stellt die Schnellladestation besondere elektrotechnische Ansprüche: Während das allgemeine Stromnetz mit einer Frequenz von 50 Hertz arbeitet, kommt beim Bahnstrom bislang die Frequenz 16,7 Hertz zum Einsatz. Das Gleichrichten der Wechselspannung zur Aufladung der Batterien übernimmt dann die Leistungselektronik des Zuges. Allerdings, so der Ansatzpunkt von Voltap, kommen moderne Batteriezüge dank ihrer Grundauslegung auch mit 50 Hertz Frequenz zurecht. Eine Umwandlung der Frequenz für den Zug scheint nicht mehr notwendig zu sein – und damit direktes Laden möglich.
Aber das schnelle Aufladen leistungsstarker Batterien wie in Batteriezügen stellt hohe Ansprüche an das vorgelagerte Stromnetz und die elektronischen Komponenten im Umfeld des Zuges. Während des Ladeprozesses ist das Netz hohen Belastungen ausgesetzt, die ausgeglichen werden müssen. Ein besonderes Augenmerk lag auf der sogenannten Unsymmetrie, die ein elektrisches Bahnfahrzeug in Form einer einphasigen Last erzeugt und die für ein Stromnetz problematisch sein kann. Unter dieser Konstellation Mittelspannungsnetz-Ladestation-Batteriezug eine Netzverträglichkeit herzustellen, haben die Entwickler erreicht: Batteriezüge lassen sich mit der neuen Technologie mit Leistungen von bis zu 1,2 MW je Zugeinheit netzverträglich aufladen.
Die Stadtwerke Tübingen bündelten für Voltap ihre Kompetenzen mit der Expertise des Schweizer Unternehmens Furrer+Frey AG, einem Spezialisten für den Oberleitungsbau und mehrjähriger Erfahrung im Bereich Ladeinfrastruktur für E-Busse. Die umfangreichen Testreihen in Tübingen verliefen erfolgreich und haben bewiesen: Voltap funktioniert. Um von vornherein die Voraussetzungen für eine spätere Zulassung zu schaffen, ließen die Projektpartner die Testreihen durch den TÜV Süd begleiten.
Bald Premiere an der Schiene geplant
Als nächsten Schritt planen die Stadtwerke Tübingen und Furrer+Frey, Voltap an die Schiene zu bringen, um mit entsprechenden BEMU-Prototypen die Praxistauglichkeit nachzuweisen – ein weiterer Meilenstein auf dem Weg zur Serienreife. In der Eisenbahnbranche selbst, so hoffen die Entwickler, könnte mit der Marktverfügbarkeit dieses neuen Elements in der E-Infrastruktur auch insgesamt die Attraktivität für Batteriezüge steigen – eine wichtige Grundlage für die Mobilitätswende im privaten Bahnverkehr in Deutschland und Europa.
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