ESYS mit 15 Handlungsoptionen für resilientes, digitalisiertes Energiesystem

Akademienprojekt „Energiesysteme der Zukunft“ über potenzielle Blackout-Risiken

Intelligenter, effizienter, dynamischer: Die Digitalisierung bietet Chancen, das Energiesystem neu zu gestalten und die Klimaziele zu erreichen. Zugleich entstehen neue potenzielle Risiken durch technische Defekte, Softwarefehler und Cyberkriminalität, so die am 05.02.2021 veröffentlichte Stellungnahme einer Arbeitsgruppe des Akademienprojekts „Energiesysteme der Zukunft“ (ESYS) unter dem Titel „Resilienz digitalisierter Energiesysteme. Wie können Blackout-Risiken begrenzt werden?“ Vor diesem Hintergrund sehen die Expertinnen und Experten in den nächsten 20 Jahren die Gefahr steigender Blackout-Risiken.

Sie formulierten sie 15 Handlungsoptionen für ein digitalisiertes Energiesystem, das auch auf unvorhergesehene und unvorhersehbare Störereignisse reagieren, diese unbeschadet abfangen oder zumindest in kurzer Zeit und mit möglichst geringem Schaden in den normalen Betriebszustand zurückkehren kann. Das Spektrum der entwickelten Optionen ist vielfältig. Es umfasst unter anderem technische und regulatorische Maßnahmen, die systemische Entwicklung von Cyber-Sicherheit, ökonomische Anreize und Monitoringmaßnahmen. Zudem bindet es neben den großen Akteuren der Energieversorgung auch kleinere und dezentrale Verbrauchs- und Erzeugungsanlagen, Bürgerinnen und Bürger sowie branchenfremde Akteure ein, etwa Plattformbetreiber und Gerätehersteller. Ihnen kommt künftig eine größere Rolle in der Stromversorgung zu.

Ohne Digitalisierung keine Energiewende: Chancen und Herausforderungen

Die Stromversorgung der Zukunft wird zunehmend digital. Vernetzung, Automatisierung und intelligente Steuerung sind notwendig, um die Versorgung zu sichern, und können uns den deutschen Klimazielen näherbringen. Zugleich entstehen aber auch neue Fehlerquellen und Angriffsflächen. Bereits heute stellen technische Defekte, Softwarefehler oder Cyberattacken eine wachsende Herausforderung bei der Stromversorgung dar. Wie kann man also die Potenziale der Digitalisierung für eine effiziente, sichere und nachhaltige Energieversorgung bestmöglich nutzen und Blackout-Risiken beherrschen?

Klassisches Risikomanagement greift dabei nach Einschätzung der Arbeitsgruppe nicht mehr. Die zunehmenden Wechselwirkungen zwischen elektrischem Energiesystem und Informations- und Kommunikationstechnologien (IKT) könnten ohne passende Konzepte zu bisher unbekannten Störereignissen führen, die schlimmstenfalls großflächige und mehrere Stunden dauernde Stromausfälle verursachen.

Eine Resilienzstrategie als Lösung für noch unbekannte Probleme

Die Arbeitsgruppe formulierte 15 Handlungsoptionen als Bausteine einer Resilienzstrategie. Diese reichen von technischen und regulatorischen Maßnahmen über die systemische Entwicklung von Cyber-Sicherheit bis hin zu Bildungskampagnen, ökonomischen Anreizen und Monitoringmaßnahmen. „Durch Energiewende und Digitalisierung unterscheidet sich das zukünftige Energiesystem sehr stark von dem heutigen.“, begründet Gert Brunekreeft (Jacobs University Bremen), einer der Leiter der Arbeitsgruppe, den gewählten Ansatz. „Es gibt neue Akteure, neue Technologien und neue Abhängigkeiten. Teilweise können wir gar nicht abschätzen, wie das alles im Zusammenspiel in einer unvorhergesehenen Situation reagiert. Es reicht deshalb nicht mehr aus, das System robust zu gestalten. Wir brauchen ein System, das auf unvorhergesehene und sogar unvorhersehbare Störereignisse reagieren kann. Dieses wäre zwar auch nicht vor Problemen gefeit, bliebe aber funktionsfähig und könnte schnell in den Normalzustand zurückkehren.“

Alle Akteure in Resilienzstrategie einbeziehen

Die Expertinnen und Experten sind sich einig: Der Umbau zu einem digitalisierten Energiesystem muss aktiv gestaltet werden, damit das gewohnt hohe Niveau an Versorgungssicherheit erhalten bleibt. Neben der Energiebranche und Politik adressieren sie explizit auch Digitalbranche, Gerätehersteller und Privatleute. Arbeitsgruppenleiter Christoph Mayer (OFFIS – Institut für Informatik, Oldenburg – s. solarify.eu/it-risiken-klug-begegnen) erklärt: „In einer vernetzten Welt wächst der Kreis sicherheitsrelevanter Akteure, wir müssen unseren Blick also weiten, wenn wir Versorgungssicherheit gewährleisten möchten. Zukünftig wäre zum Beispiel möglich, dass Wärmepumpen, ladende Elektrofahrzeuge und elektrische Hausspeicher in großer Zahl gleichzeitig über das Internet ein- und ausgeschaltet werden und so das Stromnetz destabilisieren. Auch kleinen, dezentralen Akteuren kommt eine größere Bedeutung zu, weil sie einerseits im Falle eines Blackouts Infrastrukturen wie Krankenhäuser und Feuerwehr versorgen könnten, andererseits durch zufällige oder bewusst ausgelöste Synchronitäten zum Risikofaktor werden könnten. Auf solche Ereignisse müssen wir vorbereitet sein.“

Die Arbeitsgruppe „Resilienz digitalisierter Energiesysteme“ des Akademienprojekts „Energiesysteme der Zukunft“ identifiziert dafür folgende Eckpfeiler:

  • Die Digitalisierung bietet die Chance, dezentrale Erzeugungsstrukturen, Elektromobilität und neu auftretende Marktakteure effizient und sicher ins Energiesystem zu integrieren. Sie muss daher aktiv gestaltet und gefördert werden.
  • Kleine Akteure der Energieversorgung, Akteure außerhalb der Stromversorgung (Gerätehersteller, Plattformbetreiber, Betreiber von öffentlichen Kommunikationsnetzen) und Haushalte haben zunehmend Einfluss auf die Sicherheit der Stromversorgung. Sie müssen daher stärker in die Resilienzsicherung einbezogen werden.
  • Neue Angriffsflächen für Cyberkriminelle und Abhängigkeiten zwischen Strom- und IKT-System können zu unvorhergesehenen oder sogar unvorhersehbaren Ereignissen mit großem Bedrohungspotenzial führen. Die Netzbetreiber müssen mit diesen Risiken umgehen können.
  • Die Politik sollte versuchen, zukünftige Entwicklungen rechtzeitig zu antizipieren und die hier geforderte Resilienzstrategie fortlaufend anpassen. Dafür ist ein konsequentes Monitoring erforderlich.

->Quellen und weitere Informationen: