BSI-Verfügung „voraussichtlich rechtswidrig“
Das Oberverwaltungsgericht Münster hat mit Eilbeschluss vom 04. 03.2021 die Vollziehung einer Allgemeinverfügung des Bundesamtes für die Sicherheit in der Informationstechnik (BSI) als „voraussichtlich rechtswidrig“ ausgesetzt – so eine Medienmitteilung des OVG vom 05.03.2021. Laut OVG gewährleistet der Smart-Meter-Rollout in der vorliegenden Form die gesetzlichen Mindestvorgaben nicht.
Das BSI habe festgestellt, es sei technisch möglich, Messstellen für Stromverbrauch und -erzeugung mit intelligenten Messsystemen (Smart-Meter-Gateways) auszurüsten. Diese Feststellung beruhe auf der Annahme, dass inzwischen auf dem Markt bestimmte, von verschiedenen Herstellern entwickelte intelligente Messsysteme verfügbar seien, die den gesetzlichen Anforderungen in Bezug auf Sicherheit und Interoperabilität (Funktionalität) genügten.
Rund 50 Messstellenbetreiber ließen sich bei Ihrem Vorgehen gegen die Allgemeinverfügung des BSI durch Becker Brütter Held (BBH) juristisch vertreten, um den verpflichtenden Einbau von Smart Meter zu verhindern. In einer ersten Stellungnahme zeigte sich das BSI überrascht: „Nachdem das Verwaltungsgericht Köln (VG) in der Vorinstanz noch zugunsten des BSI entschieden hatte, kommt die Entscheidung des OVG überraschend. Die Entscheidung des OVG Münster erging im vorläufigen Rechtsschutz, die Hauptsacheentscheidung durch das VG Köln steht noch aus. Das BSI wird daher die Entscheidungsgründe des OVG eingehend prüfen und hofft, die Bedenken des OVG im Hauptsacheverfahren umfassend entkräften zu können.“
„Es wird festgestellt, dass drei voneinander unabhängige Unternehmen intelligente Messsysteme am Markt anbieten, die den Voraussetzungen des § 24 Abs. 1 des Messstellenbetriebsgesetzes (MsbG)1 genügen und damit die technische Möglichkeit zum Einbau von intelligenten Messsystemen besteht, soweit Messstellen bei Letztverbrauchern an Zählpunkten in der Niederspannung mit einem Jahresstromverbrauch von höchstens 100.000 Kilowattstunden ausgestattet werden sollen und bei diesen Messstellen keine registrierende Lastgangmessung erfolgt und keine Vereinbarung nach § 14a des Energiewirtschaftsgesetzes (EnWG)2 besteht.“ (31.01.2020 – bsi.bund.de/SmartMeter/Marktanalysen/Allgemeinverfuegung_Feststellung_Einbau_01_2020.pdf)
Die Entscheidung des OVG weiter: „Die Feststellung der technischen Möglichkeit löste bundesweit zum einen für Messstellenbetreiber (insbesondere Stadtwerke) die Pflicht aus, ihre Messstellen innerhalb gewisser Zeiträume mit diesen intelligenten Messsystemen auszurüsten. Zum anderen bewirkte die Feststellung faktisch ein Verwendungsverbot für andere Messsysteme.
Nunmehr hat das Oberverwaltungsgericht im einstweiligen Rechtsschutzverfahren auf die Beschwerde eines privaten Unternehmens aus Aachen, das auch andere Messsysteme vertreibt, die Vollziehung der Allgemeinverfügung ausgesetzt. Das hat zur Folge, dass nun vorläufig weiterhin andere Messsysteme eingebaut werden dürfen. Bereits – möglicherweise auch in Privathaushalten – verbaute intelligente Messsysteme müssen nicht ausgetauscht werden.“
Die Fachkanzlei Becker Büttner Held (BBH) hat hier rund 50 Messstellenbetreiber vertreten, deren Verfahren noch laufen. Anfang 2020 kam mit der Marktverfügbarkeitsverfügung des BSI der Roll-out intelligenter Messsysteme ins Rollen. Mit der Zertifizierung dreier Messsysteme wurden die formalen Kriterien des Messstellenbetriebsgesetzes erfüllt. Allein: Die Systeme erfüllen nicht die technischen Voraussetzungen, die das Gesetz vorgibt. Deshalb sind rund 50 Messstellenbetreiber mit Hilfe von BBH gerichtlich gegen den verpflichtenden Einbau der Smart Meter vorgegangen. Mit Erfolg: Das OVG Nordrhein-Westfalen schob nun der Unterschreitung gesetzlicher Standards einen Riegel vor. Bestimmte Funktionalitäten, die intelligente Messsysteme nach dem Messstellenbetriebsgesetz zwingend erfüllen müssten, sehe das BSI nicht vor, so das Gericht.
Zur Begründung hat der 21. Senat im Wesentlichen ausgeführt (Aktenzeichen: 21 B 1162/20 – I. Instanz: VG Köln 9 L 663/20): Die Allgemeinverfügung mit der Feststellung der technischen Möglichkeit der Ausrüstung von Messstellen mit intelligenten Messsystemen sei voraussichtlich rechtswidrig. Die am Markt verfügbaren intelligenten Messsysteme genügten nicht den gesetzlichen Anforderungen. Sie seien hinsichtlich der Erfüllung der im Messstellenbetriebsgesetz (MsbG) und in Technischen Richtlinien normierten Interoperabilitätsanforderungen nicht, wie gesetzlich vorgeschrieben, zertifiziert. Diese Messsysteme könnten auch nicht zertifiziert werden, weil sie die Interoperabilitätsanforderungen nicht erfüllten. Dass sie den Anforderungen der Anlage VII der Technischen Richtlinie TR-03109-1 des BSI genügten, reiche nicht. Die Anlage VII sei nicht formell ordnungsgemäß zustande gekommen, weil die vorgeschriebene Anhörung des Ausschusses für Gateway-Standardisierung nicht erfolgt sei. Die Anlage VII sei auch materiell rechtswidrig, weil sie hinsichtlich der Interoperabilitätsanforderungen hinter den gesetzlich normierten Mindestanforderungen zurückbleibe. Bestimmte Funktionalitäten, die intelligente Messsysteme nach dem Messstellenbetriebsgesetz zwingend erfüllen müssten, sehe die Anlage VII nicht vor. Dies habe unter anderem zur Konsequenz, dass Betreiber von Stromerzeugungsanlagen, die nach dem Gesetz mit intelligenten Messsystemen auszurüsten seien, nicht ausgestattet werden könnten. Die dem BSI zustehende Kompetenz, Technische Richtlinien entsprechend dem technischen Fortschritt abzuändern, gehe nicht so weit, dadurch gesetzlich festgelegte Mindestanforderungen zu unterschreiten. Seien die dortigen Mindestanforderungen nicht erfüllbar, müsse der Gesetzgeber tätig werden.
Der Beschluss des 21. Senats ist unanfechtbar. Das Hauptsacheverfahren (Klage gegen die Allgemeinverfügung) ist noch beim Verwaltungsgericht Köln unter dem Aktenzeichen 9 K 3784/20 anhängig. Zudem sind beim 21. Senat noch etwa 50 gleich gelagerte Beschwerdeverfahren von Messstellenbetreibern (insbesondere Stadtwerken) anhängig, in denen der Senat in Kürze entscheiden wird.
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