Erste Klage gegen CO2-Bepreisung im Startloch

Muss Karlsruhe entscheiden?

Die CO2-Abgabe ist nicht erst seit ihrem Inkrafttreten am 01.01.2021 umstritten. Vor allem die FDP-Bundestagsfraktion zweifelt daran, sie verfassungskonform ist und erwägt eine Verfassungsklage, deren Stoßrichtung sie sich (bereits im Juni 2020) durch ein Gutachten bestätigen ließ. Parallel dazu schrieb jetzt Jakob Schlandt im Tagesspiegel (Ausgabe vom 13.03.2021 und Background) über die in Vorbereitung befindliche Klage eines Energieunternehmens, die sich gegen die Übergangslösung mit festen, ansteigenden CO2-Preisen wendet.

CO2-Abgabe – € 50 pro Tonne – Montage © Gerhard Hofmann für Solarify

Die Klage greift Bedenken auf, dass es sich „bei der CO2-Bepreisung bis 2026 um eine Steuer handelt, für die der Bund keine Gesetzgebungskompetenz besitzt“, so der Anwalt im Tagesspiegel. „Unter anderem sei das der Fall, weil die Zertifikate in beliebiger Menge erworben werden könnten und es keinen Bezug zu einer staatlichen Gegenleistung gebe“. Sein Verdikt: „Eindeutig verfassungswidrig“.

Die sogenannte CO2-„Steuer“ ist offiziell gar keine Steuer. Der Staat darf nämlich nicht nach Belieben neue Steuern erfinden. Sie müssen zu den im Grundgesetz genannten Steuertypen passen, etwa der Verbrauchssteuer. Aber CO2 wird nicht verbraucht, sondern emittiert. Nun hatte die Bundesregierung argumentiert, sie führe ja lediglich einen Emissionshandel ein: Unternehmen erwürben vom Staat Zertifikate, die ihnen den Ausstoß von CO2 erlauben. Sie dürften diese Zertifikate nutzen oder weiterverkaufen.

Am 15.11.2019 hatte der Bundestag das Klimaschutzgesetz (Drs. 19/14337) verabschiedet, ebenso Regelungen zur Einführung einer CO2-Bepreisung durch ein nationales Emissionshandelssystems, den steuerlichen Komponenten sowie Änderungen beim Luftverkehrsgesetz.

Das Problem liegt Juristen zufolge darin, dass der Staat in einer Übergangsphase bis 2025 diese Zertifikate unbegrenzt vergibt. Wer also CO2 ausstößt, zahlt einen festen Betrag pro bestimmter Menge. Das aber ist in den Augen mancher Experten kennzeichnend für eine Steuer, die aber als Steuer nicht zulässig ist.

Ähnlich argumentiert das Gutachten im Auftrag der FDP-Bundestagsfraktion, die eine Normenkontrollklage in Karlsruhe anstrebt. Dafür braucht sie aber die – bislang unsichere – Zustimmung eines Viertels der Bundestagsabgeordneten. Bei der CO2-Bepreisung – so das Gutachten – handele „es sich um eine gegenleistungsabhängige öffentlich-rechtliche Abgabe in Abgrenzung zu einer Steuer. Damit diese mit dem Grundgesetz vereinbar sei, erfordere die Abgabe aber einen individuellen Sondervorteil“ Der liege in der Berechtigung zur CO2-Eimission. Weil es aber keine solche Knappheit gebe, gebe es auch keinen Sondervorteil.Umweltministerium sieht keinen Grund für Prüfung durch Verfassungsrichter.

Ein auch vom Verein „CO2-Abgabe“ schon vor Jahresfrist vorgeschlagenes Normenkontrollverfahren lehnte das zuständige Umweltministerium immer wieder ab: „Wir sind überzeugt davon, dass das Brennstoffemissionshandelsgesetz verfassungsmäßig ist. Dazu gibt es mehrere gutachterliche Stellungnahmen, weshalb wir auch nicht den Weg über ein Normenkontrollverfahren gehen, um die Rechtmäßigkeit zu überprüfen.“ Auch zur drohenden Privatklage – die wohl auch beim Verfassungsgericht landen wird – will  man sich nicht äußern, „bevor es soweit sei und Einblick in die Klageschrift möglich werde“. Man sei von der Grundgesetztauglichkeit des BEHG überzeugt, heißt es vom Ministerium. Auch gegenüber dem Tgesspiegel wurde auf „mehrere gutachterliche Stellungnahmen“ verwiesen, „weshalb auch von einem Normenkontrollverfahren, um die Rechtmäßigkeit zu prüfen, abgesehen worden sei“.

Die Klage solle zu Beginn der zweiten Jahreshälfte eingereicht werden, „weil erst dann die Pflichten unter anderem zur Bezahlung des CO2– Preises für die Unternehmen starten. Sie richtet sich ans Verwaltungsgericht Berlin, weil dort der Gerichtsstand der Deutschen Emissionshandelsstelle (DEHSt) liegt, die den nationalen Emissionshandel verwaltet.“

Tagesspiegel-Autor Schlandt vermutet: „Sollte das Gesetz gekippt werden, müssten vermutlich Milliarden Euro zurückerstattet werden – die Endverbraucher, an die die Kosten derzeit weitgehend durchgereicht werden, würden aber leer ausgehen. Denn die CO2-Abgabe wird nicht in Endverbraucher-Rechnungen erhoben oder ausgewiesen, sondern fällt bei den sogenannten Inverkehrbringern an“.

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