Fluch und Segen zugleich – Kunststoffverschmutzung
Der kürzlich erschienene achte DIRTY PROFITS Report widmet sich dem Thema „Plastikprofite von Banken und Konzernen und ihre Folgen für die Umwelt“. In der durch die Friedrich-Ebert-Stiftung mitgeförderte Ausgabe hat Herausgeberin Facing Finance die finanziellen Beteiligungen europäischer Banken an internationalen Konzernen untersucht, die an der globalen Plastikverschmutzung maßgeblichen Anteil haben.
In dieser Studie werden acht europäische Geldgeber der Plastikindustrie untersucht: Den Banken kommt eine zentrale Rolle in der durch Plastikkonzerne verursachten globalen Kunststoffverschmutzung zu. Indem sie in Rohstoffunternehmen wie ExxonMobil oder Shell investieren, Kredite an Chemiekonzerne wie BASF oder Ineos vergeben oder Konsumgüterkonzernen wie Coca-Cola oder Nestlé bei der Begebung von Anleihen helfen, ohne ökologische Mindeststandards einzufordern, verschärfen sie die Plastikkrise und verdienen am Geschäft mit dem Plastik.
Zusammenfassung: Unternehmen und Banken sitzen in einem Boot – aus Plastik
Alle 14 in dieser Studie untersuchten Unternehmen leisten viel zu wenig, um die von ihnen verursachte Kunststoffverschmutzung wirksam einzudämmen. Plastik ist Fluch und Segen zugleich. Die aktuelle Corona-Pandemie, in deren Folge sich bis Ende 2020 über 80 Millionen Menschen infiziert haben und deren Auswirkungen weltweit soziale und wirtschaftliche Existenzen von Menschen gefährden, macht diese Ambivalenz besonders deutlich. Denn ohne Kunststoffe geht in Arztpraxen und Krankenhäusern heute nichts mehr. Ob in Beatmungsgeräten, Spritzen, Schläuchen, Infusionsbeuteln oder Schutzausrüstung – Kunststoffe gehören zu den meistverwendeten Materialien in der modernen Medizin. Sie sind nicht nur vielseitig anwendbar, leicht und zuverlässig, sondern auch preiswert.
Andererseits haben Kunststoffkonzerne seit den Fünfzigerjahren über 8,3 Milliarden Tonnen Plastik produziert. Die dadurch verursachten 6,3 Milliarden Tonnen Müll wurden lediglich zu 9 Prozent recycelt und weitere 12 Prozent verbrannt. Fast 80 Prozent des jemals produzierten Abfalls hat sich entsprechend auf Müllhalden und in der freien Natur angesammelt. Ein Umdenken hin zur Vermeidung von Plastik hat sich in der Industrie trotz dieser erschreckenden Zahlen bislang nicht durchgesetzt. Im Gegenteil, die weltweite Herstellung von Plastik steigt. Zahlreiche neue Produktionsanlagen, die Öl und Gas in Kunststoffe umwandeln, wachsen aus dem Boden.
Trotz der Corona-Pandemie stellt die größte Nachfrage nach Kunststoffen nicht die Medizintechnik, auch nicht der Transportsektor oder die Baubranche. Der Löwenanteil, rund 40 Prozent der europäischen Plastikproduktion, wird von der Verpackungsindustrie nachgefragt. Weltweit macht Einwegplastik in etwa die Hälfte aller produzierten Kunststoffe aus. Die globale Plastikverschmutzung, die bis an die entlegensten Orte der Welt reicht, geht zu einem wesentlichen Anteil auf dieses Geschäftsmodell zurück, das schnellen, kurzlebigen und ständigen Konsum zum Ziel hat – in dessen Folge immer mehr der billigen Wegwerfprodukte, die im Fokus dieses Reports stehen, produziert werden. An Küsten und anderen Orten dieser Welt wird dieser Zusammenhang in Form von Produktverpackungen von Coca-Cola, Nestlé und PepsiCo, die die Landschaften verschmutzen, sichtbar: Die Folgen für Mensch, Natur und Klima gehen, wie dieser Report zeigt, über die bloße Vermüllung weit hinaus.
Insgesamt wurden 14 Unternehmen untersucht, die an der globalen Plastikverschmutzung maßgeblichen Anteil haben: die Energiekonzerne Eni, ExxonMobil und Shell, die Öl und Gas fördern, ohne die Kunststoffe nicht produzierbar sind; BASF, Ineos sowie Dow und DuPont de Nemours, die die Rohstoffe synthetisieren; die Konsumgüterkonzerne Coca-Cola, Mondel?z, Nestlé, PepsiCo und Unilever, die ihrer Verantwortung nicht gerecht werden, weil ihre Einwegplastikprodukte die Lebensadern unseres Planeten nach wie vor verstopfen; und schließlich die beiden Onlinehändler Alibaba und Amazon, die mit ihrem Angebot, rund um die Uhr zu konsumieren, die Verpackungsflut in neuem Rekord tempo an-schwellen lässt.
Die Rolle von Banken
In der durch Plastikkonzerne verursachten globalen Kunststoffverschmutzung spielen Banken eine zentrale Rolle: Plastikkonzerne, als Teil der Realwirtschaft, sind wie alle anderen Unternehmen auf Kapital angewiesen. Die Entscheidung, welche Unternehmen Geld erhalten, sollte jedoch keine rein ökonomische sein; sie sollte auch soziale und ökologische Verantwortung umfassend berücksichtigen. Denn so, wie sich Finanzierungs- und Investmententscheidungen der Vergangenheit in gegenwärtigen Krisen wie der globalen Erderwärmung oder der Kunststoffverschmutzung widerspiegeln, nehmen heutige Entscheidungen Einfluss auf die Welt von morgen.
Banken können also auch zur Bewältigung gegenwärtiger und künftiger Krisen beitragen. Während viele Banken unter dem Druck der Öffentlichkeit ihre Nachhaltigkeitsrichtlinien in Bezug auf den Klimawandel oder die Menschenrechte in den vergangenen Jahren zumindest nachgebessert haben, spielt die Kunststoffproblematik bisher kaum eine nennenswerte Rolle in den Selbstverpflichtungen der Finanzhäuser. Nur eine der acht untersuchten Banken, die niederländische ING Groep, hat ansatzweise eine öffentlich einsehbare Plastikstrategie formuliert. Eine umfassende Plastikrichtlinie findet sich jedoch bei keiner der Banken – weder in Bezug auf einzelne vorgelagerte Branchen wie dem Öl- und Gassektor, noch in Bezug auf die chemische Industrie oder Konsumgüterbranche bzw. den gesamten Plastiklebenszyklus.
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