DGIM, DGAM und KLUG schrieben Brief an EU-Parlamentarier
Ende März stimmt das EU-Parlament über die Umsetzung der EU-Luftqualitätsrichtlinien (2004/107/EG und 2008/50/EG) ab. Neue wissenschaftliche Erkenntnisse zeigen, dass die Luftverschmutzung weit schädlicher für die Gesundheit ist als bisher angenommen. Der Umweltausschuss des EU-Parlamentes hat sich deshalb für strengere Luftqualitätsstandards und deren Angleichung an die strengeren WHO-Grenzwerte ausgesprochen. Die bestehenden Grenzwerte müssten strikt eingehalten und weitere gesundheitsrelevante Luftschadstoffe (Ultrafeinstaub, Ruß, Quecksilber, Ammoniak) in die Regulierung einbezogen werden. Eine Medienmitteilung der der Deutschen Allianz Klimawandel und Gesundheit (KLUG).
Mehrere medizinische Fachverbände, darunter die Deutsche Gesellschaft für Innere Medizin (DGIM) mit ihren rund 27.000 Mitgliedern, die Deutsche Gesellschaft für Allgemeinmedizin und Familienmedizin (DGAM) mit rund 7.000 Mitgliedern und der Deutsche Allergie-und Asthmabund als Patientenorganisation mit 18.000 Mitgliedern, schließen sich gemeinsam mit der Deutschen Allianz Klimawandel und Gesundheit (KLUG) diesem Votum an und haben das in einem Brief an die deutschen EU-Parlamentarier bekräftigt.
Im Verkehr, der Industrie, der Landwirtschaft und beim Heizen emittierte Luftschadstoffe sind das größte umweltbedingte Risiko für die Gesundheit. In Europa sterben jährlich nach neueren Berechnungen bis zu 790.000 Menschen vorzeitig an schlechter Luft, in Deutschland betrifft das bis zu 125.000 Menschen. Das sind mehr als bisher an COVID-19 verstarben. Luftverschmutzung verkürzt die Lebenserwartung in Deutschland und Europa im Durchschnitt um bis zu 2,3 Jahren.
Luftverschmutzung ist verantwortlich für die Zunahme von Herz-Kreislauf- und Atemwegserkrankungen wie auch Lungenkrebs. Insbesondere Feinstaub kann auch zu Diabetes, Fettleibigkeit und neurodegenerativen Krankheiten wie Alzheimer beitragen. Luftverschmutzung ist außerdem ein großes Risiko für die Kindergesundheit, mit global über 600.000 Todesfällen bei den unter 15-Jährigen. Schlechte Luft führt mit zu Frühgeburten und niedrigem Geburtsgewicht und verzögert das Lungenwachstum mit Langzeitfolgen. Schlechte Luft erhöht auch das Risiko für schwere Verläufe der Covid-19-Infektion.
Viele Maßnahmen gegen Luftverschmutzung dienen, vor allem über die Reduktion fossiler Brennstoffe, zugleich dem Klima-und Umweltschutz. Der Wechsel zu sauberen Energien, die Reduzierung und Elektrifizierung des automobilen Individualverkehrs und der Umbau zu einer ökologischen Landwirtschaft hat gleichzeitig viele gesundheitliche Vorteile (Co-Benefits).
Die EU-Luftqualitätsstandards von 2008 entsprechen nicht mehr dem aktuellen wissenschaftlichen Stand. Eine kürzlich veröffentlichte Studie schätzt, dass bei einer Reduzierung der Luftverschmutzung in europäischen Städten auf die von der WHO empfohlenen niedrigeren Grenzwerte über 51.000 Todesfälle pro Jahr für Feinstaub (PM 2.5) und um 900 Todesfälle für Stickoxid (NO2) vermieden werden könnten. Gleichzeitig werden die WHO-Empfehlungen derzeit aktualisiert und vermutlich weiter verschärft. In der EU steht 2022 eine Revision der Luftqualitätsstandards an. Der sogenannte Lopez-Bericht zur Umsetzung der EU-Luftqualitätsrichtlinien (2004/107/EG und 2008/50/EG), über den die EU-Parlamentarier am 24. oder 25.03.2021 abstimmen, fordert neben strengeren Standards auch ein striktes Kontrollsystem mit Sanktionen.
Der Internist Prof. Sebastian Schellong, Vorsitzender der DGIM, unterstützt diesen Appell: „Viele internistische Erkrankungen werden durch Luftverschmutzung verschärft oder sogar ausgelöst. Das verursacht Leid und hohe Kosten. Die Politik muss dringend bei den Grenzwerten nachsteuern.“
Dieter Lehmkuhl von der Deutschen Allianz Klimawandel und Gesundheit (KLUG), einem Netzwerk von Gesundheitsberufen, das die Klimakrise als Gesundheitsnotstand und Klimaschutz als Teil ihrer beruflichen Verantwortung versteht, erklärt dazu „Maßnahmen für saubere Luft sind die beste Investition in Gesundheit, Klimaschutz und Umwelt zugleich. Sie gemeinsam und übergreifend anzugehen, bringt den größten gemeinsamen Nutzen.“
Unterzeichnende Fachverbände des Offenen Briefs an die deutschen Mitglieder des Europaparlaments:
- Deutsche Gesellschaft für Allgemeinmedizin und Familienmedizin (DGAM)
- Deutsche Gesellschaft für Innere Medizin (DEGIM)
- Deutsche Gesellschaft für Pneumologie und Beatmungsmedizin e.V. (DGP)
- Deutsche Gesellschaft für Public Health (DGPH)
- Deutscher Allergie- und Asthmabund e.V. (DAAB)
- Gesellschaft für Pädiatrische Allergologie und Umweltmedizin (GPA)
- Gesellschaft für Pädiatrische Pneumologie e.V. (GPP e.V.)
->Quellen: