EU: Kernkraft als „grüne Investition“?

EU-Expertenbericht hält Atomenergie für nachhaltige Energie

Die EU sollte die Kernkraft dem wissenschaftlichen Dienst der EU-Kommission zufolge als „grüne Investition“ einstufen. Darüber, ob Ausgaben für Kernkraftwerke wirklich als „grüne Investition“ zu werten sind, gehen die Meinungen verständlicherweise weit auseinander. Die Analysen hätten dem Dokument der sogenannten Gemeinsamen Forschungsstelle (Joint Research Centre – JRC) der Kommission zufolge  „keine wissenschaftlich fundierten Belege“ dafür ergeben, „dass die Atomenergie die menschliche Gesundheit oder die Umwelt stärker schädigt als andere Technologien zur Stromerzeugung“. Die Lagerung von Atomabfall tief unter der Erde sei „angebracht und sicher“, heißt es in dem Dokument der Gemeinsamen Forschungsstelle JRC. Die Autoren verweisen auf entsprechende Projekte in Frankreich und Finnland.

AKW Cruas, Rhone – Foto © Gerhard Hofmann für Solarify

Das JRC, die gemeinsame Forschungseinrichtung der Europäischen Kommission, forscht unter anderem über Sicherheit und Gefahrenabwehr im Nuklearbereich, finanziert von Euratom. In einem aktuellen Bericht hat nun das JRC eine weitere Untersuchung der Atomkraft für ihre Eignung in der EU-Taxonomie vorgenommen. Laut dem aktuellen Bericht wurden nun Lösungsvorschläge beschrieben, die laut der Atom-Sprecherin von Global 2000, Patricia Lorenz „gekonnt verschleiern“ und die wichtigsten Fragen in der Atomenergie „durch eine rosa Brille verzerrt darstellen.“

Vor allem auf die Inhalte des Berichts zur Sicherheit und Endlagerung des Atommülls geht Global 2000 gesondert ein. So sei der im Bericht enthaltene Vorschlag, neue Sicherheitskriterien für neue Reaktoren auf alte anzuwenden, weder technisch noch wirtschaftlich in der Praxis machbar und beruhe auf einer Idee von vor 10 Jahren, ausgelöst durch die EU Stresstests. Auch die im Bericht beschriebenen Atommüll-Entsorgungskonzepte für geologische Tiefenlager zweifelt die Umweltschutzorganisation an. Insbesondere bemängelt sie die Aussagen, dass es gemäß des allgemeinen Konsens die beste Art der dauerhaften Einlagerung des Atommülls sei. Der aktuellen Aussendung zufolge sei die Aussage 20 Jahre alt und es gebe neue Bedenken wegen der Korrosion der Container, die bisher für den Atommüll vorgesehen wären.

Global 2000 wörtlich: „Gezielte Irreführung ist die Behauptung im vorliegenden Bericht, wonach Reaktoren der Generation III zur Erhöhung der Sicherheit führen würden – nicht erwähnt wird, dass noch kein einziger dieser Reaktoren in Europa überhaupt am Netz ist. Die wenigen in Bau befindlichen Reaktoren zeichnen sich durch massive technische Probleme aus, wie etwa der Europäische Druckwasserreaktor EPR in Flamanville, der erstens massiv verspätet ist, und zweitens bereits jetzt einen Reaktordruckbehälter hat, der mit viel Mühe von der Atomaufsicht wegen Mängeln nur für einen Betrieb von 10 Jahre zugelassen wurde.

Der Bericht des JRC wird nun zwei wissenschaftlichen Gremien zur Prüfung des Sachverhaltes vorgelegt, zum einen Sachverständigen gemäß des Artikel 31 des Euratom-Vertrags und der SCHEER31. Global 2000 will  sich nun schriftlich an die beiden Expertengruppen wenden. Außerdem will die NGO „die EU-Kommission auffordern, weniger auf Lobbys und mehr auf Fakten zu hören“, so Patricia Lorenz, Atomsprecherin von Global 2000.

Noch keine Entscheidung der Kommission

Die EU-Kommission lehnte bisher eine Stellungnahme zu dem Entwurf ab. Der Bericht soll bald veröffentlicht werden. Zwei Experten-Ausschüsse sollen ihn dann drei Monate prüfen, bevor die Kommission eine Entscheidung trifft. Sie arbeitet angeblich an einem Klassifizierungssystem, welche wirtschaftlichen Aktivitäten als nachhaltige Investitionen eingestuft werden sollen. Wie die Nachrichtenagentur Reuters meldete, kam es vor einiger Zeit unter den Beratern zum Streit über die Atomkraft. Die einen hätten dabei auf den sehr niedrigen Ausstoß von Treibhausgasen, die andere auf das nach wie vor ungelöste Problem der Atommüll-Lagerung verwiesen.

Generell argumentieren Befürworter der Atomenergie immer wieder, Atomenergie habe einen kleinen ökologischen Fußabdruck und sei klimafreundlich. Das Umweltbundesamt weist dagegen mit vielen anderen Experten darauf hin, dass auch Atomstrom nicht CO2-neutral sei. Außerdem seien die Emissionen für die Endlagerung schwer absehbar.

->Quellen: