Deutliches Votum gegen RWE und E.ON
Mehr als 65.000 Unterschriften hat bereits eine Petition gegen einen Deal von E.ON und RWE erreicht, berichtet Manuel Först auf energiezukunft. Aber auch Experten zeigten sich besorgt über die wachsende Marktmacht der Konzerne, die Akteursvielfalt der Energiewende sei in Gefahr. Mehrere regionale Energieversorger (Stadtwerke Leipzig, Dresden, Chemnitz, Halle und Erfurt) klagen gemeinsam mit dem Ökostromanbieter NATURSTROM vor dem Europäischen Gericht (EuG) in Luxemburg gegen den Deal von RWE und E.ON.
RWE hatte im vergangenen Jahr das Geschäft der Stromerzeugung von E.ON übernommen. Im Gegenzug ging das Netz- und Vertriebsgeschäft den umgekehrten Weg, inklusive einer Beteiligung von RWE an E.ON. Unter geringen Auflagen genehmigte die EU-Kommission den Deal. Die klagenden Energieversorger sehen darin eine unzulässige Begünstigung und wachsende Marktmacht der beiden Konzerne. Mit zwei Klagen gegen die jeweiligen Geschäftsaufteilungen fordern sie die Rücknahme der Freigabeentscheidungen der EU-Kommission.
Das Bündnis wir-spielen-nicht-mit, in dem sich Akteure aus Verbänden, Wirtschaft, Wissenschaft und Zivilgesellschaft zusammengefunden haben, hat begleitend zu den Klagen eine Petition aufgesetzt, die im Frühsommer in Berlin und Brüssel überreicht werden soll. Sie fordert damit eine kritische Überprüfung des E.ON-RWE-Deals und wirksame Auflagen sowie allgemein eine Stärkung dezentraler Energiewende-Strukturen.
Die Petition richtet sich neben der EU-Wettbewerbskommissarin, Margarethe Vestager, auch an Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier. Anstatt den Mittelstand und die Akteursvielfalt zu schützen, unterstützt die Bundesregierung E.ON und RWE als Streithelfer in dem Verfahren vor dem Europäischen Gericht.
Die Bürger verlieren an Boden
Dass die Bundesregierung auch in Deutschland vorrangig Politik für die großen Energiekonzerne macht, wurde anhand einer im Januar veröffentlichten Studie von trend:research im Auftrag der Agentur für Erneuerbare Energien (AEE) deutlich (solarify.eu/erneuerbare-energien-in-buergerhand). Noch vor zehn Jahren entfiel mehr als die Hälfte der installierten Leistung Erneuerbarer Energien auf Privatpersonen und Landwirte. Bis Ende 2019 sank dieser Wert auf 40,4 Prozent. Demgegenüber erhöhte sich der Anteil von großen Energieversorgungsunternehmen, Fonds und Banken sowie von Gewerbetreibenden.
Privatpersonen und Landwirte waren 2019 zusammen nur noch für ein Viertel des Zubaus verantwortlich. Fonds und Banken legten hingegen deutlich zu und kamen auf einen Anteil von 21 Prozent des Zubaus. Energieversorgungsunternehmen waren mit einem Drittel des Zubaus 2019 federführend, woran die drei großen Energieversorger RWE, EnBW und Vattenfall einen gewichtigen Anteil hatten.
Claudia Kemfert vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung mahnt: „Der Kampf um Strom wird mit harten Bandagen geführt, dabei drohen kleine und mittelständische Akteure über Bord zu gehen.“ Die Energieexpertin Kemfert ist Teil der Initiative wir-spielen-nicht-mit. „Statt starrer Zentralstrukturen brauchen wir für eine klimagerechte Energieversorgung dynamische, innovative Wegbereiter. Bürgerenergie hat Zukunft, nicht die Stärkung fossiler Großkonzerne“, so Kemfert weiter.
EEG-Novelle muss überarbeitet werden
Für eine Stärkung der Bürgerenergie bräuchte es eine Überarbeitung der neuesten EEG-Novelle. Doch die lässt weiter auf sich warten. Eine finanzielle Beteiligung von Bürgern bei neuen Windkraftprojekte etwa steht zur Debatte. Weitere Verhandlungen letzte Woche zwischen Union und SPD scheiterten jedoch. Die unter Lobbyismus-Vorwürfen stehenden teils Ex-Unions-Abgeordneten Georg Nüßlein und Joachim Pfeiffer waren ursprünglich Teil der Verhandlungsrunde. Georg Nüsslein ist inzwischen aus Fraktion und CSU ausgetreten. Pfeiffer jedoch will weiter im Amt bleiben, dabei könnten energiewirtschaftliche Nebentätigkeiten Einfluss auf sein Mandat haben.
Eine Analyse von Lobbycontrol macht darüber hinaus deutlich, wie ein ganzes Netzwerk von Unionspolitikern seit Jahren erfolgreich Energiewende und Klimaschutzbemühungen ausbremst. Thomas Banning, Vorstandsvorsitzender von NATURSTROM, kritisiert: „Es ist ein Unding, wie in den letzten Jahren zum Nutzen der rückwärtsgewandten Großkonzerne die Energiewende immer weiter eingeengt wurde.“ Mit einer zunehmenden Regulierung und Reglementierung bremse der Gesetzgeber die dezentrale, bürgernahe und innovative Energiewende aus und erschwere Vor-Ort-Versorgungslösungen.
„Die Bundesregierung proklamiert dagegen nicht nur offen den Wunsch nach zentralen Strukturen und Konzentration auf wenige Konzerne, sondern ergreift auch noch einseitig Partei auf Seiten von RWE und E.ON in einem von uns als Vertreter ganz vieler kleiner Marktakteure angestrengten europäischen Gerichtsverfahren“, so Banning weiter.
Die Bundesregierung verweist darauf, dass sie lediglich auf Seiten der Europäischen Kommission und nicht auf Seiten der Unternehmen dem Streit beigetreten sei. Doch eine kleine Anfrage der Bundestagsfraktion von Bündnis 90/Die Grünen ergab, dass es zwischen April 2018 und November 2019 mehrere Gespräche zwischen Regierungsvertretern und den beiden Energiekonzernen gab, also in einer Zeit, nachdem der Deal zwischen E.ON und RWE abgeschlossen und die Genehmigung des Deals von der EU-Kommission geprüft wurde. mf
->Quellen:
- energiezukunft.eu/wir-spielen-nicht-mit/ein-deutliches-votum-gegen-rwe-und-eon
- wir-spielen-nicht-mit.de
- Petition: weact.campact.de/fairer-energiemarkt-statt-dominierende-grosskonzerne
- https://www.handelsblatt.com/unternehmen/energie/energiewirtschaft-klage-eingereicht-megadeal-von-eon-und-rwe-landet-vor-europaeischem-gericht/25861260.html?ticket=ST-1014615-cfM1FNlqdBLpc2DIalxA-ap4