Steuermechanismus für Zukunftsmaterial Graphen demonstriert

Alles unter Kontrolle

Wie lassen sich große Datenmengen möglichst schnell übertragen oder verarbeiten? Eine Antwort auf diese Frage könnte Graphen sein. Das ultradünne Material ist nur eine Atomlage dick, und die darin enthaltenen Elektronen haben aufgrund von Quanteneffekten sehr besondere Eigenschaften. Es könnte sich deshalb sehr gut eignen, um es für besonders leistungsfähige elektronische Bauelemente zu verwenden. Allerdings fehlte bislang das Wissen, wie sich bestimmte Eigenschaften von Graphen praktisch steuern lassen. Das ändert eine in Science Advances (CC-BY 4.0) publizierte Untersuchung von Wissenschaftlern aus Bielefeld und Dresden.

Zusammen mit Forschern aus weiteren Einrichtungen in Deutschland und Spanien konnten sie zeigen, wie sich die optoelektronischen Eigenschaften von Graphen schon beim Anlegen kleiner elektrischer Spannungen drastisch ändern lassen.

Intensive Terahertz-Pulse (rot) werden in der Graphenschicht zu höheren Frequenzen umgewandelt. Die Effizienz dieses Prozesses lässt sich durch eine Spannung von wenigen Volt steuern – Bild © HZDR, Juniks

Eine wichtige Funktionalität in der Elektronik ist es, die Frequenzen von Wechselströmen in geeigneten Bauelementen umwandeln zu können, während die Ströme durch sie hindurchfließen. Das ist notwendig, um Signale zu verarbeiten, und eine wichtige Grundlage dafür, dass etwa Mobiltelefone oder Radios funktionieren. Ob und wie sich solche Frequenzänderungen durch Graphen erreichen und kontrollieren lassen, hat das deutsch-spanische Team nun untersucht.

Graphen ist besonders für Anwendungen im Terahertz-Bereich geeignet

Die Wissenschaftler legten eine elektrische Gleichspannung von nur wenigen Volt an das Graphen an und untersuchten, wie sich die Frequenzen von auftreffenden Terahertz-Lichtpulsen in Abhängigkeit von dieser Steuerspannung verhielten. „Wir hatten schon früher festgestellt, dass wir mit Graphen die Frequenz von Terahertz-Lichtpulsen besonders effizient verändern können“, sagt Sergey Kovalev vom Institut für Strahlenphysik am HZDR, der die Experimente an der hochleistungsfähigen Terahertz-Lichtquelle TELBE durchgeführt hat, und fügt hinzu: „Graphen hatte sich hierbei um ein Vielfaches zweckmäßiger herausgestellt als alle anderen bekannten Materialien.“

Zu den Vorteilen zählt insbesondere, dass sich Graphen für die sogenannte Frequenzvervielfachung nutzen lässt. Das heißt, es lassen sich auch Frequenzen im Terahertz-Bereich erzeugen. Dieser Frequenzbereich ist technologisch sehr wichtig – aber die meisten konventionellen elektronischen Materialien sind dafür ungeeignet. „Für technologische Anwendungen von Graphen fehlte uns bislang das Wissen, wie wir diese Frequenzumwandlungen steuern können“, sagt Prof. Dmitry Turchinovich von der Fakultät für Physik der Universität Bielefeld, einer der beiden Leiter der Studie. Diese Wissenslücke haben die Forscher nun geschlossen.

Die Spannung kontrolliert, wie viele Elektronen sich frei bewegen

Wie aber funktioniert die Steuerung eigentlich genau? „Mit Steuerspannungen von wenigen Volt können wir die Zahl der verfügbaren freien Elektronen in Graphen justieren“, erklärt Hassan A. Hafez aus der Arbeitsgruppe von Turchinovich und ergänzt: „Das ist wichtig, da wir dadurch den optimalen Arbeitspunkt genau einstellen können. Je mehr Elektronen sich frei im Material bewegen können, desto effizienter funktioniert die Frequenzvervielfachung. Es tritt jedoch auch eine Sättigung ein, da die Elektronen mit wachsender Anzahl stärker miteinander wechselwirken, was die Effizienz wiederum verringert. Ein großer Teil des Terahertz-Felds wird dadurch praktisch verschluckt.“

Den experimentellen Beleg für die Steuerbarkeit der optoelektronischen Eigenschaften von Graphen fanden die Forscher mithilfe der TELBE-Anlage am HZDR. TELBE ist in der Lage, die notwendigen intensiven Terahertz-Lichtpulse im Frequenzbereich zwischen Mikrowellen und Infrarot zu erzeugen. Die Anlage ermöglicht aufgrund ihrer hohen Leistung neue Einblicke in unvorhersehbare Nichtlinearitäten im untersuchten Frequenzbereich bei einer Vielzahl von Materialien, darunter auch Graphen. Das Dresdner Team unter Leitung von Sergey Kovalev konnte dabei zeigen, dass die Effizienz der Frequenzvervielfachung im Terahertz-Bereich mit der richtigen Steuerspannung um einen Faktor von mehr als 80 gesteigert werden kann.

„Wir kommen damit der Implementierung von Terahertz-Technologien mit Graphen als funktionellem Quantenmaterial für ultraschnelle Elektronik einen bedeutenden Schritt näher“, sagt Prof. Michael Gensch, Co-Leiter der Studie vom DLR-Institut für optische Sensorsysteme in Berlin und der Technischen Universität Berlin. „Es ist mit Graphen prinzipiell möglich, Hybrid-Bauelemente zu entwickeln. In diesen könnte das ursprüngliche elektrische Signal mit einer niedrigeren Frequenz, wie es etwa konventionelle Halbleiterbauelemente erzeugen, dann effizient und kontrolliert in den Terahertz-Bereich gewandelt werden.“

Die Studie, die von Forschern der Universität Bielefeld geleitet wurde, ist das Ergebnis einer Kooperation von Gruppen am Helmholtz-Zentrum Dresden-Rossendorf (HZDR), am Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR), an der Technischen Universität Berlin, am Catalan Institute of Nanoscience and Nanotechnology (ICN2) und am Institute of Photonic Sciences (ICFO) in Spanien sowie am Mainzer Max-Planck-Institut für Polymerforschung.

->Quelle und Original-Publikation:

  • hzdr.de/db/Cms?pNid=99&pOid=63192
  • S. Kovalev, H. A. Hafez, K.-J. Tielrooij, J.-C. Deinert, I. Ilyakov, N. Awari, D. Alcaraz, K. Soundarapandian, D. Saleta, S. Germanskiy, M. Chen, M. Bawatna, B. Green, F. H. L. Koppens, M. Mittendorff, M. Bonn, M. Gensch und D. Turchinovich, Electrical tunability of terahertz nonlinearity in graphene, in Science Advances, 2021 (DOI: 10.1126/sciadv.abf9809)