Expertenkommission veröffentlicht Studie zu Risiken induzierter Seismizität bei der Gewinnung von Kohlenwasserstoffen aus unkonventionellen Lagerstätten
Die Expertenkommission Fracking (ExpKom) hat eine Untersuchung möglicher Erdbebenrisiken durch die Gewinnung von Kohlenwasserstoffen aus unkonventionellen Lagerstätten durch das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) in Auftrag geben lassen. Als unkonventionell gelten Lagerstätten, in denen Erdgas und Erdöl in den Muttergesteinen Schiefer-, Mergel-, Ton- und Kohleflözgestein eingeschlossen sind.
Die Untersuchung unterstützt die Expertenkommission Fracking (expkom-fracking-whg.de) des Ministeriums in ihrer wissenschaftlichen Beratungsfunktion für bis zu vier Pilotprojekte zur Erprobung des Potenzials unkonventioneller Kohlenwasserstoffe in Deutschland. Die Studie wurde von Q-con-Experten durchgeführt und gibt einen globalen Überblick über die durch Fracking induzierte Seismizität und die geologischen und tektonischen Bedingungen, unter denen Seismizität auftritt. Geomechanische Prozesse, die zu induzierter Seismizität führen, werden analysiert und eine regionsspezifische Risikobewertung für potenzielle Lagerstättenziele in Deutschland durchgeführt. Darüber hinaus werden Empfehlungen zur Minderung des Risikos der induzierten Seismizität gegeben. Die Studie stellt eines der derzeit umfassendsten Dokumente zu diesem Thema dar.
Für die Studie hat die Q-con GmbH internationale Publikationen zum Auftreten seismischer Begleiterscheinungen ausgewertet, die im Zusammenhang mit der Förderung von Kohlenwasserstoffen aus unkonventionellen Lagerstätten stehen. Betrachtet wurden dabei insbesondere seismische Ereignisse in den USA, China und in Europa. Darüber hinaus wurden die spezifischen geologisch-tektonischen Bedingungen möglicher Potenzialregionen in Deutschland charakterisiert. Die Ergebnisse der Studie weisen darauf hin, dass das Auftreten induzierter Seismizität vom Zusammenspiel verschiedener geologisch-tektonischer Faktoren abhängig ist. Hierbei spielen unter anderem Spannungsveränderungen in bereits existierenden Rissen oder Störungen sowie die Druckerhöhung durch das Einbringen von Fluiden eine Rolle.
In der Studie wird das seismische Risiko bei der Erschließung unkonventioneller Lagerstätten dargelegt. Möglichkeiten der Risikominderung durch eine geeignete Standortwahl und eine seismische Überwachung werden beschrieben. Zusätzlich zu diesen Handlungsempfehlungen zeigt die Studie auch Forschungsbedarfe auf.
Die Expertenkommission Fracking wurde von der Bundesregierung berufen, um eventuelle Erprobungsmaßnahmen zum unkonventionellen Fracking wissenschaftlich zu begleiten und die erzielten Ergebnisse fachlich zu bewerten. Die Kommission hat gemäß ihres Auftrages aus WHG § 13a Abs. (6) insgesamt drei Studien beauftragen lassen, um den Stand von Wissenschaft und Technik in anderen Staaten zusammenfassend dokumentieren und eine mögliche Übertragbarkeit auf Deutschland prüfen zu können. Studien zu Methanemissionen und Szenarien sowie zu Monitoringkonzepten für Grundwasser und Oberflächengewässer stehen der Öffentlichkeit bereits spätestens Februar bzw. März dieses Jahres ungekürzt auf der Webseite der Kommission zur Verfügung.
Zusammenfassung der Untersuchung
Die Gewinnung von Kohlenwasserstoffen aus unkonventionellen Lagerstätten hat vor allem in den USA, Kanada und China in den letzten Jahren eine enorme Steigerung erfahren. Dabei kam die Fracking-Technologie in großem Maßstab zum Einsatz, mit induzierter Seismizität als negativer Begleiterscheinung. Obwohl die Stärke der induzierten Seismizität meist unterhalb der menschlichen Wahrnehmungsschwelle lag, trat in seltenen Fällen schadensrelevante Seismizität auf. Diese Erfahrungen unterstreichen die Notwendigkeit, induzierte Seismizitätsrisiken zu verstehen und ausreichend zu mindern.
Im Rahmen einer Literaturrecherche wurde untersucht, in welchen Ländern unkonventionelle Lagerstätten erschlossen wurden und unter welchen geologisch-tektonischen bzw. operativen Bedingungen die Erschließung mit schadensrelevanter Seismizität assoziiert wurde. Die Recherche verdeutlicht, dass das Auftreten induzierter Seismizität vom Zusammenspiel verschiedener geologisch-tektonischer Faktoren abhängig ist. Allerdings ist hier auch häufig eine unzureichende Be-obachtungslage zu berücksichtigen.
Übergeordnet stellt die Existenz einer kritisch gespannten, natürlichen Störung im Beeinflussungsbereich eine wesentliche Bedingung für das Auftreten indu-zierter Seismizität dar. In den letzten Jahren wurden vermehrt Protokolle eingesetzt, um operative Maßnahmen in Reaktion auf Seismizität einzuschränken. Diese Form einer „Ampelsteuerung“ zielt darauf ab, die Stärke induzierter Erdbeben durch Echtzeitüberwachung und Reaktion zu begrenzen.
Neben der reinen Erdbebenstärke wird das seismische Risiko durch weitere Faktoren bestimmt, die die Ausbreitung der Erdbebenwellen, die oberflächliche Bodenerschütterung, die Exposition von Werten und deren Vulnerabilität beschreiben. Um das Risiko durch induzierte Seismizität für ein Erkundungsprojekt unkonventioneller Lagerstätten in Deutschland zu bewerten, wurden die in dieser Studie zusammengestellten globalen Erfahrungswerte berücksichtigt.
Darüber hinaus wurden die geologisch-tektonischen Bedingungen in möglichen Potenzialregionen in Deutschland untersucht. Basierend auf einem konzeptionellen Prozessverständnis wurden Seismizitäts-verursachende Prozesse modellhaft für ein hypothetisches Erschließungskonzept abgebildet. Darauf aufbauend wurden risikomindernde Maßnahmen durch eine geeignete Standortwahl und eine seismische Überwachung in Kombination mit einer Ampelsteuerung identifiziert. Unter Beachtung der empfohlenen Maßnahmen zur Risikominderung wird das induzierte Seismizitätsrisiko eines Projekts zur Erkundung unkonventioneller Lagerstätten in Deutschland als beherrschbar eingeschätzt. Forschungsbedarf besteht insbesondere hinsichtlich langfristiger Prozesse, die während der Produktion von Kohlenwasserstoffen aus unkonventionellen Lagerstätten potenziell Seismizität verursachen könnten. Die entsprechenden Wissenslücken sind in dieser Studie aufgeführt.
Mit der Veröffentlichung der Studie sind die Ergebnisse öffentlich zugänglich. Die vollständige Studie kann auf der Webseite der Expertenkommission Fracking nachgelesen werden. Die Einschätzung der Kommission zu allen drei Studien erfolgt zum 30. Juni 2021 in einem Bericht an den Deutschen Bundestag.
->Quellen und weitere Informationen: